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Nach Mielke, Honecker und Co. hat nun ein weiterer Cheerleader der SED-Diktatur die Pompons für immer aus den Händen gelegt: Günter Gaus. Die deutschen Medien folgten dem nicht unbegründeten Brauch, Verstorbenen nichts Schlechtes nachzusagen. Doch in diesem Fall verbietet sich unehrliche Pietät.
Was Gaus von vielen anderen unterschied, war die vorauseilende Bereitwilligkeit, mit der er bei zu vielen Gelegenheiten der Sache der Unfreiheit diente. So war er bei der Jubelveranstalt ung der SED zum 25. Jahrestag der DDR als Leiter der Ständigen Vertretung der einzige westliche Diplomat, den es beim Schlußapplaus für Erich Honecker nicht mehr auf seinem Sitz hielt. Wie die SED-Funktionäre sprang er klatschend auf.
Es war Günter Gaus, der der SED-Führung zusagte, beim Umbau des Grenzübergangs auch "die Grenzsicherungsanlagen" mit D-Mark bezahlen zu wollen. Gaus versprach damals, "diese Kosten im Rahmen von anderen Zahlungen der BRD an die DDR zu begleichen". So sollten immerhin 5,8 Millionen D-Mark, verschleiert für Öffentlichkeit und Parlament, in die DDR fließen.
Und wir sollten ihm nicht vergessen, daß er in einem Interview 1981 empfahl, den Begriff der deutschen Nation nicht weiter zu verwenden. Es kostete Gaus nicht mehr als einen Atemzug, den Deutschen in der DDR das Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen.
Ausgerechnet einem Stasioffizier ist es zu danken, die Einlassungen Gaus korrekt zu qualifizieren. André Stech, damals Student an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam, legte am 1. April 1988 eine Diplomarbeit mit dem Titel "Analyse der Publizistik von Günter Gaus anhand ausgewählter Beispiele unter dem Aspekt der Nutzbarkeit für die Gewinnung von Kräften aus der BRD für die Koalition der Vernunft und des Realismus" (VVS 294/88) vor. Stech erklärte darin Gaus Publizistik zur "Pflichtlektüre für jeden angehenden Aufklärer". An einer Stelle heißt es: "Ist es dem Aufklärer gelungen, die Kontaktperson auf die Position Gaus zu bringen, kann und muß er sie dazu veranlassen, die nächsten Schritte in Richtung Zusammenarbeit mit dem MfS (unter welcher Flagge auch immer) zu tun". Die Diplomarbeit kommt zu dem Ergebnis, daß die Schriften von Gaus für die Arbeit des MfS "von hohem Nutzen" seien.
Jetzt nun ist Günter bei Erich, Feliks, Karl und Rosa. Helmut Schmidt hatte den neuernannten Ständigen Vertreter Gaus 1974 aus dem Kanzleramt geworfen. Er sprach dabei die denkwürdigen Worte: "Am liebsten wäre es mir, wenn Sie sich soviel wie nur möglich drüben aufhielten." Manche Wünsche gehen eben spät in Erfüllung. Aus: Der Stacheldraht
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