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Von dem angesehenen, leider viel zu früh verstorbenen CDU-Außen- und Verteidigungspolitiker Werner Marx wird gesagt, daß er 1973 die Wahl Helmut Kohls zum Bundesvorsitzenden seiner Partei wie folgt kommentiert habe: "Der wird lange oben bleiben, und wenn er einst abtritt, wird von unserer Partei nur noch ein Trümmerhaufen übrig sein." Mehr als ein Vierteljahrhundert danach hat die von Kohl zu verantwortende Katastrophe der CDU zu einer Schwächung des bürgerlichen, nichtsozialistische n Lagers geführt. Die freiheitliche Zukunft Deutschlands ist in Frage gestellt, weil sich immer mehr Menschen mit Grausen von der Politik und den Parteien abwenden.
Die Stärke der CDU bestand in ihren erfolgreichen Jahren in dem personellen und sachlichen Gleichgewicht des konservativen, nationalen, liberalen und christlich-sozialen Elements beider Konfessionen auf demokratischer Basis. Nach dem sozialliberalen Experiment der siebziger Jahre erwarteten die Deutschen von Kohl die von ihm angekündigte "geistig-moralische Wende", die insbesondere in der Auseinandersetzung mit der sogenannten "68er Kulturrevolution" und der Überwindung von deren schlimmsten Folgen bestehen sollte. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht.
Statt dessen entwickelte sich das "System Kohl" mit seinem von Schäuble so bezeichneten "patriarchalischen" Führungsstil, der an die Stelle des den Erfolg garantierenden personellen und sachlichen Politikgleichgewichts trat. Besonders die konservative und nationalstaatliche Komponente des bisher den Erfolg begründenden Gleichgewichts wurde verdrängt. "Mittismus" und "Quotismus" als nur scheinbar demokratische Legitimation wurde auf Parteitagen in minutenlangen stehenden Ovationen und mit "Helmut-Helmut"-Rufen zur Schau gestellt.
Als Folge der Aufgabe des innerparteilichen Gleichgewichts ging der Wähleranteil der Unionsparteien während der gesamten Zeit der Herrschaft des "Systems Kohl" kontinuierlich von 48,8 Prozent (1982) auf 35,1 Prozent (1998) zurück. Da in der Regel die Unionsparteien bei Umfragen vor den Werten für Kohl lagen, wird auch deutlich, daß nicht Kohl die Partei wie eine Lokomotive von Wahlsieg zu Wahlsieg gezogen hat, sondern die Partei ihn immer wieder auf den Kanzlersessel geschoben hat.
Diese Erkenntnis sollte der CDU jetzt Selbstbewußtsein bei der Bewältigung der Ära Kohl geben, denn die Grundüberzeugungen ihrer Mitgliederschaft entsprechen durchaus den Bedingungen des Gleichgewichts, was viele Mitgliederbefragungen, zum Beispiel zum Thema "Europa" und "demokratischer Nationalstaat" beweisen. Bei der Frage nach der Zukunft darf es kein Tabu geben. Richtschnur des Handelns sollte "Freiheit statt Sozialismus" sein, was angesichts einer sozialistisch dominierten Europäischen Union (EU) für Deutschlands Zukunft entscheidend ist. Die jüngsten Entwicklungen im blick auf die Souveränität demokratischer Mitgliedsstaaten machen deutlich, was geschehen kann, wenn die EU zur "Sozialistischen Internationalen" degeneriert.
Adenauer hat am Ende seines Lebens gesagt, sein "größter innenpolitischer Fehler" unter parteipolitischen Gesichtspunkten sei es gewesen, den Zerfall und Untergang der Deutschen Partei (DP) also einer konservativen Partei neben der CDU nicht aufgehalten zu haben. Der größte Fehler des Systems Kohl war es ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt und angesichts seiner ausschließlich "mittistischen" Politik , alles getan zu haben, daß es "rechts" von der Union keine demokratische Partei zu geben habe. "Rechts" aber ist ebenso demokratisch wie "links", wenn der Trennungsstrich zum Extremismus deutlich gezogen wird. Während die linken Parteien ein breites Angebot bieten, von der SPD, den Grünen bis zur PDS, in das die FDP jederzeit einsteigen kann, fehlt noch immer die Diversifikation in der Mitte und der demokratischen Rechten, wo die CDU von der vagen Hoffnung leben muß, daß die FDP ihnen Regierungschancen auf Bundesebene eröffnet.
Bei der ersten freien Wahl in der DDR traten CDU, DSU und DA als "Allianz für Deutschland" gemeinsam an und waren erfolgreich. Zur Bewältigung der Ära Kohl gehört es, jetzt alle Möglichkeiten des Wahlgesetzes zu nutzen, um die Zukunft im Sinne einer solchen Allianz zu gestalten.
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