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Die Konjunktur ist kein Selbstläufer. Diese Weisheit haben die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute der rotgrünen Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben. Das in der Schlußphase der Regierung Kohl mit 2,8 Prozent verhältnismäßig kräftige Wirtschafts wachstum muß für 1999 deutlich korrigiert werden. Gerade noch 1,7 Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt erwarten die Institute. Erst im Jahr 2000 soll die Konjunkturlokomotive mit einem Wachstum von 2,6 Prozent wieder stärker in Fahrt kommen.
Für Minister Hans Eichel ist die Flaute leicht erklärlich: Die Ursachen der Wachstumsdelle seien in den Wirtschaftskrisen Rußlands, Lateinamerikas und Südostasiens zu suchen. Er griff nach den günstigeren Prognosewerten des nächsten Jahres wie nach einem Strohhalm: "Die Verlangsamung der konjunkturellen Aktivität wird bald zu Ende gehen." Das erklärt allerdings noch nicht, warum etwa die USA trotz internationaler Finanzkrisen wesentlich höhere Wachstumsraten verzeichnen. In ihrem letzten Herbstgutachten waren die Institute für 1999 noch von 2,3 Prozent Wachstum ausgegangen und mußten sich jetzt auf 1,7 Prozent korrigieren. Die internen Annahmen sind mit 1,5 Prozent sogar noch ungünstiger.
Das mangelnde Vertrauen der Wirtschaft in den Kurs der Bonner Finanz- und Steuerpolitik wird auch von den Instituten als einer der Gründe für weniger Wachstum angeführt. Die Regierung wird aufgefordert, "möglichst schnell" Klarheit über das künftige Steuersystem zu schaffen. Auch ist unklar, ob die umstrittenen Gesetze zu den "630-Mark-Jobs" bleiben. Und über der für den Sommer angekündigten Unternehmensteuerreform mit einer starken Senkung der Steuersätze für betriebliche Gewinne schwebt bereits das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit. Wenige Tage vor der Präsentation erster Vorschläge einer noch von Lafontaine eingesetzten Kommission bezeichnete der Bundesfinanzhof die Spreizung zwischen betrieblichen Steuersätzen und der Einkommensteuer als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung und rief das Bundesverfassungsgericht an. Eichel muß jetzt eine Unternehmenssteuerreform machen, von der er nicht weiß, ob deren Eckpunkte von vornherein für verfassungswidrig erklärt werden.
"In weniger als einem halben Jahr ist es der Bundesregierung gelungen, das Vertrauen der Wirtschaft zu zerrütten", erklärte Bayerns Finanzminister Kurt Falthauser. In der Tat kostet die Änderung der Rahmenbedingungen für die "630-Mark-Jobs" eine halbe Million Arbeitsplätze. Es häufen sich die Kündigungen, da sich die Nebentätigkeit nicht mehr rechnet.
Für den Unions-Mittelständler Hansjürgen Doss basiert das Gutachten nur auf dem "Prinzip Hoffnung". Für ihn steht fest, daß die rotgrüne Politik das "Wirtschaftswachstum bremst und Arbeitsplätze vernichtet". Da mutet es zunächst wie ein Widerspruch an, wenn die Gutachter einen Rückgang der Arbeitslosenzahlen voraussagen. So soll die Arbeitslosenquote von derzeit 10,6 Prozent auf 9,9 Prozent fallen. Doch die Erklärung wird gleich mitgeliefert. Nicht etwa neue Betriebe oder Investitionen werden Arbeitsplätze schaffen. Nein, durch die weiter anhaltenden Frühverrentungen geht die Zahl der Arbeitslosen zurück. Auch, daß weniger Aussiedler einreisen, spielt eine Rolle.
Es sei zwar erkennbar, "daß sich das Arbeitsangebot ungewöhnlich deutlich verringert", heißt es im Gutachten. Auch in den neuen Ländern versuchte bereits die Regierung Kohl, die grassierende Arbeitslosigkeit durch staatliche Beschäftigungsförderprogramme zu senken. Rotgrün hat diese Programme noch ausgeweitet. "Die Arbeitsämter schwimmen im Geld", heißt es in der Unionsfraktion dazu kritisch.
Die oft in kommunaler Trägerschaft befindlichen Beschäftigungsgesellschaften, die Dienst- und Handwerksleistungen anbieten, machen jedoch nur den eigentlichen Handwerksbetrieben Konkurrenz. Im Ergebnis behindert der Staat durch Subventionierung des zweiten Arbeitsmarktes sein eigentliches Ziel, nämlich die Schaffung neuer Stellen. Sechs Milliarden Mark zu viel pumpe die Regierung in die Beschäftigungsgesellschaften, kritisiert die Union. Und die Gutachter stellen lapidar fest: "Die bisherige und auch die zu erwartende Abnahme der Arbeitslosigkeit ist also nicht Spiegelbild einer dynamischen Beschäftigungsentwicklung". Dafür fällt eine andere Wachstumsziffer ins Gewicht: Verzeichnet die Bundesrepublik mit einem statistischen Preisanstieg von 0,7 Prozent in diesem Jahr beinahe Stabilität, so soll sich dies 2000 mit 1,5 Prozent mehr als verdoppeln. Ein bedenkliches Zeichen: Schon ein Prozent mehr vernichtet pro Jahr 50 Milliarden Mark.
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