|
Wir sind keine Kids, sondern Kinder", stellten die 139 Schülerinnen und Schüler im niedersächsischen Gifhorn am internationalen "Tag der Muttersprache" fest. Und: "Wir wollen klares Deutsch, klares Englisch. Kein Denglisch. Keine überflüssigen Anglizismen." Sie hatten sich zuvor an ihrer Christoph-Kolumbus-Schule intensiv mit der Sprachpanscherei, der Mischung von Deutsch und Englisch beschäftigt. Auch Gifhorns Bürgermeister Manfred Birth lehnte die Sprachenmixtur ab: "Die Muttersprache ist wichtiges Kulturgut eines Volkes. Sie ist nicht statisch, sondern verändert sich. Aber sie darf in dieser Veränderung nicht von anderen Sprachen überdeckt werden." Hannelore Pirlich vom Verein Deutsche Sprache fügte hinzu: "Ohne unsere Muttersprache wird unsere Kultur sprachlos." Die Gifhorner Schülerinnen und Schüler, ihr Bürgermeister und der Verein Deutsche Sprache wissen, was in einer Zeit der systematischen Zerstörung der deutschen Sprache richtig und notwendig ist. Damit sind sie den Kultusministern der Länder der Bundesrepublik Deutschland weit voraus. Beteiligen sich doch diese berufenen Vertreter der deutschen Kulturpolitik mit Eifer an den Bemühungen, unser Land mit Anglizismen zu überziehen. Gemeinsam mit dem Bundesminister für Bildung und Forschung und dem Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veranstalten sie einen sogenannten "Girl s Day". Am 8. Mai dieses Jahres - ansonsten im politischen Spektrum vom Gedenken an Kapitulation, Niederlage bis hin zu "Befreiung" besetzt - sollen bundesweit junge Mädchen mit ihren künftigen Berufschancen vertraut gemacht werden. Schon in den beiden vergangenen Jahren stand der Zukunftstag für Mädchen unter dieser albernen Bezeichnung. Inhaltlich handelt es sich dabei um eine gute Idee, mit der den Kindern und Eltern geholfen werden soll, erste praktische Einblicke und Kontakte in verschiedene Berufsfelder und Unternehmenszweige zu gewinnen, um zukunftsgerechte Berufsentscheidungen treffen zu können.
So hatten denn auch in den beiden Vorjahren diese Mädchentage, dort, wo sie informations- und ereignisreich gestaltet wurden, ein positives Echo. Die unsinnige Bezeichnung "Girl s Day" für eine deutsche Unterrichtsveranstaltung hat offenbar niemand in den vielen Kultusministerien in Frage gestellt, auch nicht in den zahlreichen gesellschaftlichen Organisationen, die sich an der Vorbereitung und Gestaltung dieses Tages beteiligen. Das sind der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Bundesanstalt für Arbeit (BA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Tatsache ist: Diese allumfassende gesellschaftliche Repräsentanz des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens unserer Republik tritt unter dem Namen "Girl s Day" an, um den jungen Mädchen in Deutschland die Arbeitswelt zu zeigen.
Die ganz persönliche berufliche Zukunft soll "auf Englisch" beginnen. Die Unterhaltungsindustrie liefert den Spaß dazu mit "Halloween" und "Red Nose Day", während die öffentlich-rechtlichen und privaten Medien das Ganze mit englischsprachiger Musik berieseln. Daraus folgt: Die jungen Leute von heute werden systematisch ihrer deutschen Muttersprache entfremdet und damit geistig und kulturell unterworfen. Auch die grüne Bundesverbraucherministerin Renate Künast leistet ihren Beitrag zu dieser Art Jugenderziehung. Gemeinsam mit der Deutschen Landjugend und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat sie das "biofood project" auf die Beine gestellt, das durch die Lande zieht. Dabei sollen Tausende Kinder und Jugendliche erfahren, "was sie essen" und woher die Nahrungsmittel kommen.
Dumm nur, daß "biofood project" nicht einmal Englisch ist, denn "Bionahrung", die Frau Künast wohl meint, heißt im englischsprachigen Raum "organic (grown) food". Die Ministerin macht sich international bestenfalls lächerlich, denn die Bezeichnung ihres "biofood projects" ist "Denglisch", wie die Abkürzung für Deppenenglisch lautet. Die Kinder von Gifhorn wehren sich. Sie wissen, daß ihre Muttersprache nicht nur die am meisten gesprochene Sprache in Europa ist, sondern wegen der Mittellage Deutschlands auch die meisten Sprachkontakte auf unserem Kontinent hat. Sie achten das Englisch als weltweit wichtigste Fremdsprache, die es zu lernen gilt, wenn man in der Muttersprache geistig und emotional "zu Hause ist". Die Kultusminister und mit ihnen Politik und Wirtschaft unseres Landes sollten in Gifhorn in die Schule gehen und dort lernen. |
|