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Irgendein Narr hat den Teilnehmern der Leichtathletik-Europameisterschaften den Veranstaltungsort "Munich 2002" auf ihre Hemden geschrieben. Der dafür verantwortliche Sportfunktionär weiß offenbar nicht, daß Bayerns Hauptstadt in Deutschland liegt und "München" heißt. Ob das an seinem mangelhaften Geographie-Unterricht liegt oder ob er dem modischen Anglisierungswahn verfallen ist, sei dahingestellt. Auf jeden Fall aber ist er schlicht dumm.
Diejenigen, die statt "Königsberg" lieber "Kaliningrad" sagen, meinen hingegen, daß sie einem Politikum Rechnung tragen, aber auch sie handeln sprachlich und sachlich falsch. Michael Munte hat als Leserbriefschreiber in der Welt das Richtige festgestellt, als er am 9. August 2002 schrieb: "Wir reden von Nizza oder Lüttich, Moskau oder Prag. Auch für den Genfer See, Neapel oder Warschau haben wir deutsche Namen, obwohl dort nie deutsches Sprachgebiet war. In diesem Sinne sollte "Königsberg" für uns Deutsche weiterhin eine Selbstverständlichkeit sein, genau so, wie die Franzosen nie auf die Idee kämen, Aachen anders als Aix-la-chapelle zu bezeichnen."
Jedenfalls steht fest, daß die leichtfertige Aufgabe der eigenen Sprache und der eigenen Namen Unterwerfung und Aufgabe der eigenen Identität bedeutet. Dieser Vorgang ist aus Kolonialländern bekannt und hat weltweit zum Verlust kulturellen Reichtums geführt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Entwicklung auf systematisches Betreiben der kolonisierenden Mächte oder auf das willige Anpassen der Kolonisierten an diese Macht und den damit verbundenen scheinbaren Fortschritt zurückzuführen ist.
Diese Anglomanie, die sich vom realen Denken und Fühlen der Menschen in unserem Land immer mehr entfernt, treibt merkwürdige Blüten. Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem man nachsagt, er habe ein feines Gefühl für Stimmungen, entdeckt rechtzeitig sechs Wochen vor der Bundestagswahl den "deutschen Weg", auf dem er zum Wahlsieg spurten und den er nicht nur außenpolitisch verstanden haben will. Immer wieder hatte Schröder sich auch als Anwalt der guten deutschen Sache gegenüber der EU-Kommission dargestellt und auf die hohen finanziellen Leistungen Deutschlands an die EU verwiesen, denn er weiß sehr wohl, wie unpopulär Deutschlands Zahlmeisterrolle beim deutschen Steuerzahler ist.
So macht Schröder sich denn auch innenpolitisch jetzt auf den "deutschen Weg", nachdem er vier Jahre lang die Arbeitslosigkeit verwalten ließ, sie aber nicht wie versprochen abbaute. Als "Wunderwaffe" soll nun kurz vor Ladenschluß die "Hartz-Kommission" Aktivität vortäuschen. Diese schlägt vor, den "deutschen Weg" mit dem "Job-Floater" zu beschreiten, einem Wertpapier, das ein Arbeitsloser in den Betrieb mitbringen soll, in dem er beschäftigt wird. So recht kann sich zwar niemand darunter etwas vorstellen, aber es klingt so schön anglo-amerikanisch, muß also besonders fortschrittlich sein. Das Wörterbuch gibt keine ausreichende Auskunft, am nächsten kommt noch "Arbeitsplatz-Schweber", vielleicht weil das ganze Unterfangen der Kommission "schwebend unwirksam" ist, wie Juristen sagen. Amerikaner jedenfalls erklären, von einem "Job-Floater" hätten sie in ihrer Sprache noch nichts gehört, was das Fehlen im Wörterbuch erklärt.
Die Unionsparteien wiederum taten Schröder den Gefallen, dessen "deutschen Weg" zu kritisieren und statt dessen den "europäischen Weg" anzumahnen, ganz so, als gebe es zwischen beiden einen Gegensatz. Die CDU sollte endlich verinnerlichen, daß "die Nationalstaaten historisch betrachtet das Europäische an Europa sind". Das hatte der heute in der Union für Außen- und Europapolitik zuständige Wolfgang Schäuble schon 1997 gewußt und außerdem festgestellt: "Die Nationalstaaten werden auf absehbare Zeit die bestimmende staatliche Organisationsform bleiben. Die Staaten vermitteln den Menschen Zugehörigkeit, Identität, ohne die freiheitliches Zusam-menleben auf Dauer nicht gelingt". Dem ist nichts hinzuzufügen, außer, daß es kontra- produktiv ist, wenn künstliche Gegensätze zwischen "deutschen" und "europäischen" Wegen konstruiert werden. Wer Europa aus der nationalstaatlichen Perspektive sieht und gestalten will, wird allerdings zwangsläufig jeden einseitigen Westzentrismus der Europapolitik zu überwinden haben und dabei erkennen, daß die ideologische Westbindung nicht nur ohne wirkliche historische Wurzeln ist, sondern auch keine Zukunft hat.
Wer Europa als Ganzes begreift, wird dabei auch feststellen, daß Deutsch das Kommunikationsmittel der größten Sprachgemeinschaft mit über 90 Millionen Menschen in diesem Europa ist. Im Zentrum Europas hat es die größte Verbreitung und grenzt an vierzehn andere Sprachgebiete, was Sprachkontakte menschlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art mit sich bringt. Deutsch hat somit eine große europäische Aufgabe wahrzunehmen. Diese darf nicht leichtfertig verspielt werden, in München nicht und nicht in Königsber |
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