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Wir wollen gegen die Geschichtsmüdigkeit ankämpfen", so erklärt Kuratorin Ina Brockmann ihr Engagement für die im Ernst Barlach Museum in Wedel, dicht vor Hamburgs Stadttoren, präsentierte neue Ausstellung "Leni Riefenstahl. Fotografie - Film - Dokumentation". Gerade einmal ein Jahr nach dem Tod der im Alter von 101 Jahren verstorbenen berühmten deutschen Tänzerin, Schauspielerin, Fotografin, Regisseurin und Produzentin soll nun der "Mythos Leni Riefenstahl" entzaubert und näher an die Realität geführt werden. So wird gleich zu Beginn der aus über 400 Exponaten - Filmmaterial, Fotografien, Plakate, Dokumente und Briefe - bestehenden Ausstellung darauf hingewiesen, daß die Fotos von Olympia 1936 eben nicht, wie häufig behauptet, von Leni Riefenstahl selber, sondern von den von ihr eingesetzten Fotografen stammen. Aber auch wenn die Bilder nicht von ihr selbst sind, so war sie doch Auftraggeberin und auswählendes Auge. Da die Fotos genau die gleiche Ästhetik vermitteln wie die Filmaufnahmen, kann man sie zumindest als künstlerische Leiterin bezeichnen.
Leni Riefenstahl betonte stets, daß sie eine unabhängige Künstlerin gewesen sei und nicht nur ein großes Rad in Hitlers Propagandamaschine. Die Wedeler Ausstellung versucht anhand zahlreicher Belege festzumachen, daß sie sehr wohl mit Hitler im Bunde gewesen sei. Abgesehen davon, daß ihre Produktionsfirma von den Nationalsozialisten finanziert wurde, sollen zahlreiche Bilder und Dokumente zeigen, wie eng sie mit Hitler zusammengearbeitet hat. Doch das überrascht nicht wirklich, denn wer hat wirklich geglaubt, daß unabhängiges Künstlertum in einer Diktatur möglich sei. Zudem inszenierte sie Hitlers Macht in ihren Dokumentationen der Reichsparteitage für das Volk. Doch inwieweit entsprachen die teilweise auch auf nachgestellten Szenen fußenden "Dokumentationen" ihrer eigenen politischen Einstellung, inwieweit war es vor allem ihre Bewunderung von Körper, Stärke und Schönheit, die sie antrieb? Sie selbst sah sich als unpolitischen Menschen, die Ausstellung belegt nur, daß sie eine ähnliche Kunstauffassung hatte wie Hitler. "Mit Fräulein Riefenstahl neuen Film besprochen. Sie ist die einzige von all den Stars, die uns versteht", schrieb Goebbels am 12. Juni 1933 in sein Tagebuch. Doch was beweist das? Auch den heutigen Betrachter faszinieren schließlich noch ihre Bilder. Ansonsten schreibt Goebbels übrigens noch, wie er sie häufig zu sich zitiert habe, ihr klare Anweisungen erteilt habe und teils genervt von ihren hysterischen Anfällen gewesen sei, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte. Daß die Künstlerin im Laufe der Jahre einige unangenehme Details verdrängt hat, um sich selbst besser darzustellen, ist nichts Ungewöhnliches und Verwerfliches.
Es zeugt allenfalls nicht gerade von Stärke und Kritikfähigkeit. Dafür, daß sie im Namen der Kunst und für ihre Karriere, die für eine Frau in den 30er Jahren einmalig war, mit einem Teufel persönlich einen Pakt eingegangen ist, hat die Riefenstahl ihre Strafe gezahlt. Die Verfemte konnte nach dem Krieg als Regisseurin nicht mehr Fuß fassen, die Presse "zerfleischte" sie regelmäßig. Nur ihre eindrucksvollen Fotografien der Nubas in den 60er und 70er Jahren, die zum Teil in der Ausstellung gezeigt werden, belebten ihren alten Ruhm kurzzeitig wieder. "Letztendlich ehren wir die Leistung Leni Reifenstahls aber auch mit dieser Ausstellung", bekennt Kuratorin Ina Brockmann am Ende. Dem ist nicht zu widersprechen. Auch wenn in Wedel schon fast zuviel des Guten bezüglich der Entzauberung des "Mythos Riefenstahl" getan wird, so ist die Ausstellung vielleicht gerade deshalb so sehenswert. Fritz Hegelmann Die Ausstellung "Leni Riefenstahl. Fotografie - Film - Dokumentation" ist im Ernst Barlach Museum, Mühlenstraße 1, 22880 Wedel, Telefon (0 41 03) 91 82 91, www.ernst-barlach.de , täglich außer montags 11-17 Uhr, zu besichtigen; bis 14. November.
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