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Der pakistanische Präsident Pervez Musharaf gehört nicht nur zu den am meisten gefährdeten Machthabern dieser Welt, sein Tod wäre auch schlimmer als der Tod von Präsident Bush. Es wäre der Ernstfall im Terrorkrieg. Möglicherweise sogar die Wende zu einer kaum noch kontrollierbaren Eskalation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Atompilz enden würde. Denn Pakistan verfügt über Atomwaffen und die notwendigen Raketen, um diese Waffen auch einzusetzen. Da die Machtstrukturen in der Militärdiktat ur Pakistan weitgehend personalisiert sind, könnte ein Mord an Musharaf zur Machtergreifung der Islamisten führen. Die Atomwaffen würden sie zunächst unverwundbar machen, siehe Nordkorea. Aber ihr Einsatz gegen Israel oder amerikanische Ziele in der Region, zum Beispiel in Afghanistan oder im Irak, und am Golf wäre nur noch eine Frage der Zeit. Amerika müßte seine Präventivdoktrin anwenden, die Es-kalation wäre programmiert.
Das ist der Hintergrund, vor dem man die zwei Attentate am 14. und 25. Dezember auf den pakistanischen Präsidenten sehen muß. Ein erster Versuch war im April 2002 gescheitert. Daß Musharaf nur um wenige Sekunden den zwei Anschlägen im Dezember entging, lag zum einen am funktionierenden elektronischen Sicherheitsdispositiv, deutet andererseits aber auch auf Komplizen der Attentäter in hohen Rängen der Armee und der Sicherheitsdienste hin. Und daß das zweite Attentat am Weihnachtsfeiertag von zwei Selbstmördern begangen wurde, weist zusammen mit anderen Indizien auf die Handschrift der Al Kaida hin. Wo immer sie sich versteckt halten, sie wissen, wie sie die Welt anzünden können. Sie haben die Zeit seit der Niederlage der Taliban im Nachbarland Afghanistan genutzt und ihre Verbindungen in die pakistanische Armee erneuert. Mit weiteren Attentaten auf Musharaf muß gerechnet werden, sie sind auf jeden Fall strategisch bedeutsamer als Attentate in Amerika oder Europa. In Pakistan würde die Machtfrage im Terrorkrieg aufgeworfen, in Amerika oder Europa nur Zerstörungspotential demonstriert.
Von kriegsentscheidender Bedeutung ist der Zeitfaktor. Der Allianzenwechsel Libyens hat den Terroristen vor Augen geführt, daß der geostrategische Wandel im Nahen und Mittleren Osten voll im Gange ist. Die Kartographie der Macht wird neu vermessen. Der Irak ist eine offene Wunde, aber es gibt Hoffnung, daß sie in den nächsten Monaten geschlossen werden kann und daß dann das Land in einer föderalen und halbwegs demokratischen Struktur zu einem modernen Staat aufgebaut werden kann. Reich genug wäre es. Die Folgen für die Nachbarn wären nicht absehbar. Syrien überdenkt schon heute seine Position und gibt Signale der Verständigung. Ägypten will zum warmen Frieden mit Israel zurück. Saudi-Arabien sucht seit den Attentaten in Riad verstärkt die Kooperation mit Washington. Selbst der Iran lenkt in der Nuklearfrage ein, wie lange, wird sich noch zeigen.
Die rote Linie ist klar, und Libyen ist ostentativ hinter sie zurückgetreten. Wer im Nahen und Mittleren Osten Massenvernichtungswaffen produziert und Demokratie ablehnt, ist ein potentieller Verbündeter des islamistischen Terrors und wird als solcher nicht nur angesehen, sondern auch behandelt. Der Krieg im Irak machte diese Linie zur glaubwürdigen Drohung. In diesem Sinn ist auch die Drohung Israels gegenüber Teheran kurz vor Weihnachten zu verstehen. Sollte das Regime der Mullahs weiter an der Bombe basteln, würde Israel intervenieren. Der Chef des militärischen Geheimdienstes Israels hatte Ende Oktober auch das Zeitfenster genannt: Innerhalb von zehn Monaten hätte der Iran die Bombe, über entsprechende Trägersysteme verfügt er bereits. Die Rakete Shehab 3 hat eine Reichweite von 1.300 Kilometern, also bis nach Tel Aviv. Sollten die Mullahs mit der Kontrollbehörde nur auf Zeit spielen, würde Israel die Nuklear-Anlagen spätestens im kommenden Sommer zerstören.
Nordkorea will weder israelische noch amerikanische Beobachter zulassen. Das wissen auch die Terroristen. Deshalb versuchen sie mit aller Gewalt, in Pakistan an die Atomwaffe - rund 30 Bomben plus Raketen - heranzukommen. Und zwar bevor Syrien die Seiten wechselt und es gar im Iran zu einem Regimewechsel kommt. Die Terroristen können auf Dauer nur begrenzt ohne staatliche Rückendeckung operieren. Nur Mord und Zerstörung schafft keine neuen Machtverhältnisse, erst recht nicht, wenn demokratische Strukturen die Nachfolge regeln. Das ist momentan in keinem arabischen Staat der Fall. Deshalb ist das irakische Experiment auch jenseits energiepolitischer Fragen von weltpolitischer Bedeutung. Die Kontinentaleuropäer sollten diese Zusammenhänge bedenken. Erfreulich ist, daß sie geheimdienstlich wieder enger mit den Amerikanern zusammenarbeiten. Denn der radikale Islam - um ihn allein geht es im terroristischen Krieg, auch wenn man ihn aus Gründen der politischen Korrektheit nicht beim Namen nennt - ist nicht nur der Feind Amerikas, er ist der totalitäre Feind der Freiheit, mithin auch der Feind Europas.
Schon alltäglicher Anblick: Noch sind Selbstmordattentate für die Terroristen die wirksamste Waffe. |
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