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Bundeswehr in der Krise: Nur politisches Gelaber

 
     
 
Seitdem die Soldaten unserer Bundeswehr im Rahmen internationaler Verpflichtungen im Ausland eingesetzt werden, und das geschieht bereits seit mehreren Jahren, wird immer deutlicher, daß sie für den ernsten Kampfeinsatz nicht ausreichend gerüstet sind, und zwar weder materiell noch geistig-seelisch. Es wird auch offenbar, daß ihr Platz innerhalb des deutschen Gemeinwesens unklar ist.

Sind die Bundeswehrsoldaten
nun eigentlich Bürger in Uniform, die die Bundesrepublik Deutschland verteidigen sollen, oder sind sie international beliebig einsetzbare Interventionskräfte etwa in der Art einer Fremdenlegion? Steht das deutsche Volk, das nur noch eine Bevölkerung Deutschlands sein soll, hinter seinen Soldaten, die - da es immer noch eine Wehrpflicht gibt - mindestens zum Teil die Jugend dieses Volkes darstellt? Machen die Soldaten einen „Job“, wie es gern der Bundeskanzler ausdrückt, so als wären sie etwa Lokomotivführer, Tischler oder Verwaltungsbeamte, oder ist der Beruf des Soldaten, der im Krieg über Leben und Tod sowohl seiner Kameraden als auch des Gegners entscheidet, doch etwas ganz anderes, etwas besonderes? Sagen wir „Ja“ zu deutschen Soldaten oder begegnen wir ihnen mit Widerwillen und Mißtrauen und nehmen ihre Existenz nur hin, weil die USA es von uns verlangen?

Längst ist der interessierten Öffentlichkeit bekannt, daß Deutschland, das einmal, wie internationale Stimmen sachlich feststellen, die beste Armee der Welt hatte, heute offenbar weder Willens noch in der Lage ist, seine Soldaten für den Ernstfall angemessen auszurüsten. Das aber wäre nicht nur notwendig, um ihnen zu ermöglichen, ihre Aufgabe optimal zu erfüllen, sondern auch um unsere jungen Männer und neuerdings auch Frauen ausreichend zu schützen.

Wurden bisher die Mängel nur folgenlos zur Kenntnis genommen und hielt man eine öffentliche Diskussion darüber unter dem Deckel, dürfte sich die Situation jetzt ändern. Der Beauftragte für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur der Bundeswehr hat in seinem Jahresbericht unverblümt ein finsteres Bild von der Ausrüstung der Truppe wie von ihrer tatsächlichen geistigen Haltung gezeichnet. Zwar ist dieser Bericht nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, doch hat offenbar die Tageszeitung „Die Welt“ ein Exemplar in die Finger bekommen und es ausgewertet, bevor die Exemplare vom Generalinspekteur wieder eingesammelt wurden.

Federführend ist der Brigadegeneral Dieter Löchel, und alle Welt ist überrascht und viele klatschen ihm deshalb auch Beifall, daß er ungeschminkt die Wahrheit gesagt hat. Die Überraschung ist eigentlich befremdend und läßt darauf schließen, daß man sich daran gewöhnt hat, wie wenig Zivilcourage die meisten Generäle der Bundeswehr haben, wenn es darum geht, berechtigte Kritik an der Führung zu üben.

Nach der Bericht- erstattung in der „Welt“ beginnt der dreißig Seiten umfassende Bericht mit der Feststellung: „Die Truppe steht nicht mehr vorbehaltlos hinter der militärischen Führung.“ Und es geht noch weiter: „Der politischen Leitung wird mit starken Vorbehalten begegnet“, so die Schlußfolgerung von General Löchel. Die Verhältnisse bei Material, Ausbildung und Motivation seien katastrophal. „Wir haben keine Ersatzteile, sondern nur Material, das immer älter und schlechter wird,“ so eine Aussage. Selbst die in der Öffentlichkeit hoch gelobte ABC-Abwehrtruppe, die angeblich sogar die USA-Soldaten zum Staunen bringt, sei „nicht einmal in der Lage, einen einzigen Trupp zusammen zu bekommen, der hundertprozentig seinen Auftrag erfüllen kann.“ Es gibt an entscheidenden Stellen bei der Bundeswehr keine Computer und wenn, dann ohne die international notwendige Ausrüstung. „Elektronische oder auf Datenträgern übermittelte Informationen kommen teilweise überhaupt nicht an.“

Bei der Aufstellung der Soldaten fehlt es immer wieder beispielsweise an Uniformteilen oder Kampfstiefeln, so daß, wie der Bericht eingezogene Wehrpflichtige zitiert, die Frage gestellt wird: „Warum zieht Ihr uns denn ein, wenn Ihr uns nicht vernünftig ausstatten könnt?“

Hohe Offiziere haben in den Augen ihrer Soldaten offenbar nur noch im Sinn, ihre Karriere zu pflegen, womit dann auch das fehlende Engagement und ihre mangelnde Zivilcourage zu erklären sind. Es wird ein Soldat zitiert, der feststellt, der letzte Chef seiner Einheit habe sich ganz offenkundig nie mit seiner Einheit identifiziert, sondern den Posten nur für seine Karriere benutzt. So ist zu erfahren: „Soldaten sagen aus, daß Kommandeure zunehmend rücksichtsloser führen, um ihre Aufträge zu erfüllen, aber auch, um ihre Karriere nicht zu gefährden.“

Die Soldaten werden nur mangelhaft informiert etwa über die beabsichtigte Bundeswehrreform. Frage man, so „erhält man keine substantiellen Antworten, sondern nur politisches Gelaber,“ wobei sich erweist, daß es in der Bundeswehr nicht anders ist als in der allgemeinen Politik der Bundesrepublik.

Es ist seit Jahren bekannt, daß die hygienischen Verhältnisse in den Kasernen, vor allen Dingen in den Küchen und in den sanitären Einrichtungen, zunehmend miserabel sind. Eine ganze Reihe von Kasernen darf ihre Küchen überhaupt nur noch nutzen, weil die Gewerbeaufsichtsämter angesichts der fehlenden Mittel für die Modernisierung und Renovierung der Bundeswehreinrichtungen für einen begrenzten Zeit-raum Sondergenehmigungen erteilen.

Sicherlich ist es nicht nur der materielle Mangel, der die Zahl junger Leute immer weiter sinken läßt, die Offiziere in der Bundeswehr werden wollen. Früher hatte sich ein großer Teil der Zeitsoldaten entschlossen, die Offizierslaufbahn einzuschlagen und Berufssoldat zu werden. Das wird immer seltener. Der Bericht: „Im 64. Offiziersanwärterlehrgang war keiner dabei, der Berufs- soldat werden will.“ Als Zeitsoldaten melden sich oft nur solche, die vorher von der Polizei oder beim Bundesgrenzschutz abgewiesen worden sind. So wird denn die Qualität der Rekruten immer schlechter. Und die gutwilligen und motivierten jungen Männer, die es immer noch gibt, erleben bald einen Bundeswehralltag, der von Leerlauf und „Rumdümpeln“ gekennzeichnet ist und der ihre Motivation schnell dahin schmelzen läßt. Besonders desolat ist offenbar die Stimmung der Soldaten aus Mitteldeutschland, die schlechter bezahlt werden als ihre Kameraden aus der alten Bundesrepublik. Bei ihnen sei eine „Mischung aus Resignation und Aufwallung der Gefühle“ zu beobachten.

Dieses Erscheinungsbild der deutschen Bundeswehr überrascht jene, die mit Skepsis die Entwicklung der letzten Jahre beobachtet haben, überhaupt nicht. Während in der breiten deutschen Öffentlichkeit Soldaten der Bundeswehr durchaus Ansehen genießen, steht die politische Klasse, jene also, die die Macht in den Händen haben - von Politikern über Verbandsfunktionäre und Kirchenoberen bis zu den Redakteuren in Zeitungen und beim Fernsehen - unseren Soldaten durchaus verächtlich gegen-über. Es ist bezeichnend, daß der Bundesaußenminister und Vizekanzler Joschka Fischer noch nicht ein einziges Mal eine deutsche Einheit in einem der vielen Einsatzgebiete besucht hat.

Wenn die üble Parole „Soldaten sind Mörder“ auch nur noch im äußersten linken Lager verwendet wird, schweigen die übrigen, weil es im Moment nicht opportun ist. Tatsächlich aber lehnen auch sie jeden deutschen Soldaten ab. Obwohl die Bundespolitiker unsere Soldaten in den Kriegseinsatz schicken, polemisiert die grüne Basis gegen ein geplantes öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr in Hamburg. In Lübeck weigerten sich sozialdemokratische und grüne Kommunalpolitiker, zu einem Empfang die Fregatte der Deutschen Marine „Lübeck“, die im Hafen der Hansestadt lag, zu betreten, weil das, wie eine führende Sozialdemokratin formulierte, „mit der pazifistischen Grundhaltung vieler Genossen nicht vereinbar“ sei. Und wie die politische Führung in Berlin mit unseren Soldaten umgeht, das kann auch nicht dazu beitragen, eine intakte Bundeswehr entstehen zu lassen. Dabei ist es nicht nur die derzeitige Regierung, die Verantwortung für die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr und die niedergedrückte Stimmung in der Truppe trägt. Die Misere begann lange vor dem Machtwechsel von 1998 unter dem damaligen CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe.

Es sind nicht allein die materiellen Mängel, die den Soldaten zu schaffen machen. Wenn man eine Armee aus ihrer Geschichte herauslöst und ihre Wurzeln zur Vergangenheit und damit zur Traditionsbildung kappt, wenn man jahrzehntelang Soldaten anwirbt mit so läppischen Argumenten wie etwa denen, sie würden ein abenteuerreiches Leben führen und mit hochtechnisiertem Gerät umgehen, und dabei ängstlich vermeidet, die Verpflichtung der Gemeinschaft gegenüber in den Vordergrund zu stellen, dann findet man eine allzu große Anzahl von Soldaten, die nichts als ihren „Job“ tun, was im Ernstfall als Motivation nicht ausreicht.

Die heutigen deutschen Soldaten sind nicht zu beneiden. Es ist an der Zeit, daß sie sich ernsthaft orientieren an Symbolfiguren wie Scharnhorst, Clausewitz, Blücher, Gestalten der deutschen Geschichte, die einmal angeblich Leitfiguren waren für die Entstehung der Bundeswehr.

 

Eine „Witzblattfigur“ nannte ihn der Soldatenverbands-Chef Gertz in aller Öffentlichkeit: Verteidigungsminister Scharping (SPD, hier bei deutschen Truppen in Kabul) gilt als die personifizierte Misere der Bundeswehr. Zur Lachnummer geraten sind ihm die Zügel längst entglitten
 
     
     
 
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