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Guter Ton aus Schlesien

 
     
 
Man schrieb das Jahr 1873, als in Bremen ein Mädchen geboren wurde, das Jahre später (1912) als wohl erste Frau die Meisterprüfung im Töpferhandwerk ablegen sollte: Auguste Papendieck. 1903 hatte sie an der Königsberger Kunstakademie noch Malerei studiert, war dann jedoch nach Bunzlau an die 1896/97 eröffnete Keramische Fachschule gegangen.

1875 war es, als Adolph v. Menzel sein vielbeachtetes Gemälde "Eisenwalzwerk" schuf. Für diese Arbeit, die später von der Königlich
en Nationalgalerie in Berlin erworben wurde, war der Künstler eigens ins oberschlesische Königshütte gereist, um dort Motive zu sammeln. Kein Wunder also, wenn auf dem Bild viele Details aus der Welt der Arbeit zu entdecken sind. Am Rande des Bildes ist eine Menschengruppe zu erkennen, die trotz des Trubels um sie herum eine Ruhepause einlegt. Einer der Arbeiter hält zwischen seinen Knien einen Bunzlauer Topf ...

Zwei Ereignisse, die auf den ersten Blick kaum etwas miteinander zu tun haben. Ein Name jedoch läßt aufhorchen: Bunzlau. Gemeint sind der Ort und auch der Kreis Bunzlau mit den Dörfern Naumburg/Queis, Tillendorf und Ullersdorf im westlichen Teil Niederschlesiens, der durch seine Töpferware weit über die Grenzen Schlesiens hinaus

bekannt geworden ist. Hauptabsatzgebiete des Bunzlauer Geschirrs waren der Osten Deutschlands, Österreich, Böhmen und Mähren. Aber auch nach Rußland und Polen, sogar bis ins damalige Konstantinopel gelangten Waren aus Bunzlau. Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts kamen gar Bestellungen aus Südwestafrika.

1851 zählte man in Bunzlau 18 Töpfereien mit 90 Gesellen, 30 Lehrlingen und 24 Arbeitern. Das kleine Dorf mauserte sich im Laufe der Jahre zu einem wahren Paradies für Töpfer. So gab es 1895 schon 32 Töpfereien mit 260 Gesellen und etwa 50 Lehrlingen sowie 18 Hilfsarbeitern. 1939 gar waren in der keramischen Industrie zusammen fast 3.000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Nach der Vertreibung gelang es vielen Töpferfamilien im Westen wieder Fuß zu fassen und einen Neubeginn zu wagen. Auch unter polnischer Verwaltung wurde die Produktion fortgesetzt. So arbeiteten 1946 in Bunzlau, das heute Boleslawiec genannt wird, bereits wieder vier Werkstätten.

Betrachtet man das Bunzlauer Geschirr in Vergangenheit und Gegenwart, so fallen vornehmlich acht Muster oder Dekore auf, die typisch sind für die Ware aus Schlesien. Da gibt es den Reliefdekor (weiß auf braun), der zum ersten Mal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwandt wurde, oder den ähnlichen aufgelegten Dekor, der seine Blütezeit im späten 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte. Der Kerbschnitt und durchbrochene Arbeiten wurden meist im 17. Jahrhundert gefertigt, während der gemalte Dekor im 18. und 19. Jahrhundert Verwendung fand. Da die Kaltbemalung nur schlecht haftete, ist von diesen Arbeiten kaum etwas erhalten geblieben. Anders die eingebrannten Pinselmalereien aus dem späten 19. Jahrhundert oder der eingelegte Dekor aus den Jahren 1909/10, der auf der Keramischen Fachschule in Bunzlau entwickelt wurde. Neben dem Spritzdekor und der Marmorierung ist es aber vor allem der Schwämmeldekor, der allerorten mit dem Begriff Bunzlauer Geschirr verbunden wird. Das berühmte Muster "Pfauenauge" hat wohl jeder Keramikfreund noch in Erinnerung.

Das Bunzlauer Geschirr war für damalige Verhältnisse und Ansprüche geradezu "modern", galt es doch als feuerbeständig und durch die später bleifreie Glasur als nicht gesundheitsschädlich. Im 18. und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Bunzlauer Geschirr in der Küche und im Haushalt ebenso benutzt wie bei einer feinen Kaffeetafel. Das braune Geschirr allerdings war vor allem in der Küche gefragt. Erst als um 1850 gußeiserne Töpfe und Pfannen und später emaillierte Blechwaren an Beliebtheit bei der Hausfrau zunahmen, ging die Nachfrage nach Bunzlauer Geschirr zurück. Wegen des vergleichsweise günstigen Preises jedoch blieben die Töpferwaren bei den ärmeren Schichten beliebt.

Heute sind es vor allem Museen und Privatsammler, die sich mit Bunzlauer Keramik beschäftigen. Es gibt kaum ein kulturhistorisch oder volkskundlich ausgerichtetes Museum in Mitteleuropa, das nicht über eine mehr oder weniger große Sammlung verfügt. So kann neben dem Berliner Museum Europäischer Kulturen und dem polnischen Muzeum Ceramiki w Boleslawcu im heutigen Bunzlau das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg eine der größten Sammlungen an Bunzlauer Keramik im öffentlichen Besitz vorweisen.

Schon früh hatte man in Nürnberg angefangen, diese Zeugnisse der Alltagskultur zu sammeln. 1985 erwarb man dann die Sammlung von Tilmann Buddensieg und 1997 die von Winfried Winnicke. Dieser

Höhepunkt in der Sammlungsgeschichte veranlaßte die Nürnberger Museumsleute, endlich einmal ihre Bestände an Bunzlauer Keramik zu sichten. Entstanden ist ein umfangreicher Katalog (408 Seiten, 42 teils farbige Textabb., 85 Zeichnungen, farbige Abb. von 634 Objekten auf 99 Tafeln, 73 Zeichnungen von Marken, Nachdrucke von Warenkatalogen auf 83 sw Tafeln, Festeinband, im Museum 90 Euro, im Buchhandel 116 Euro), in dem Konrad Spindler nicht zuletzt auch von seiner abenteuerlichen Suche nach fast vergessenen Kostbarkeiten "in den weitverzweigten, katakombenhaft angelegten Magazinen" berichtet. Oft waren die Stücke in der seit 1852 währenden Sammlungsgeschichte in den unterschiedlichsten Abteilungen untergebracht worden. So fand Spindler "die Objekte der Begierde unter anderem in den Abteilungen für Bäuerliche Altertümer, für Hausgeräte, für Keramik sowie für Volkskunde". Manch schönes Stück fand sich gar in den Dienstzimmern und natürlich auch in den Restaurierungswerkstätten.

Ein Bestandskatalog allein macht meist noch nicht so viel her, ist hauptsächlich für Fachleute und andere Sammler interessant. Das breite Publikum aber erreicht man am besten mit einer Ausstellung. Und so sind noch bis zum 27. Februar 2005 in Nürnberg in der großen Sonderausstellung "Guter Ton aus Bunzlau" ausgewählte Kostbarkeiten zu sehen (dienstags bis sonntags 10-18 Uhr, mittwochs 10-21 Uhr).

Ganz im Sinne des "zunehmenden Interesses an der Alltagskultur", so Adelheid Müller, Abteilungsleiterin für Volkskunde, Spielzeug und Judaica am Nürnberger Museum, sei diese Ausstellung zu werten. Man könne Stücke von hohem technischen Niveau zeigen mit einem Schwerpunkt auf dem frühen 20. Jahrhundert.

Von den über 600 Bunzlauer Keramiken, die sich im Besitz des Museums befinden, werden 350 bis 400 ausgestellt und zeigen die große Vielfalt. "Ich habe die Ausstellung so entwickelt, daß die Keramik in Gruppen präsentiert wird, um sowohl die zeitliche Dimension als auch die vielfältigen Verzierungsarten zeigen zu können", betont Sabine Zühlke, wissenschaftliche Volontärin aus der Abteilung Volkskunde. "Das Spektrum ging ja über das bekannte braune und geschwämmelte Gebrauchsgeschirr hinaus. Zu sehen sind deshalb auch sehr schöne Effektglasuren mit Kristallstrukturen, Spritzdekore mit ihren für die Kunst der Zeit typischen graphischen Ornamenten und Stücke mit Pinselmalerei." Zühlke, die selbst ausgebildete Keramikerin ist, reizt besonders die "große Kreativität, mit der Dekore und Oberflächen gestaltet sind". Nach der großen Sonderausstellung des Berliner Museums für Deutsche Volkskunde Ende der 80er Jahre, die auch in anderen deutschen Städten zu sehen war, ist die Nürnberger Schau nun ein besonderer Höhepunkt für Freunde der Bunzlauer Keramik. Peter van Lohuizen

Bunzlauer Keramik: Hochgebrannte Irdenware mit gemodelten Auflagen aus dem 17. Jahrhundert, hochgebrannte Irdenware mit Schwammdekor (1920/30), Feinsteinzeug mit Spritzdekor (um 1930/35) Fotos (3): Museum

 
     
     
 
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