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Die polnische Regierung geht schärfer gegen illegale Ausländer vor. So durchsuchten in einer spektakulären Aktion Anfang November rund 250 bewaffnete Beamte von Polizei und Grenzschutz ein Arbeiterwohnheim in der oberschlesischen Stadt Ruda. In der billigen Unterkunft hausten mehrere hundert rumänische Zigeuner und Armenier. Nach Schätzungen des polnischen Grenzschutzes leben neben den 38 Millionen Polen bis zu 200 000 Illegale in der Weichselrepublik. Über die Aktion gegen die illegalen Einwanderer wurde auch in Deutschland berichtet. Was ist dran am Warschauer Kampf gegen die Fremden?
Die Razzia in Ruda war kein Einzelfall. Seit Mitte Oktober gingen die Behörden in vielen Städten gegen illegale Ausländer vor. "Aktion Fremde" lautet das Codewort der Operation. In Vorstädten, in provisorischen Lagern, Wohnheimen und auf Baustellen kontrollieren sie die Papiere von Ausländern. Wer keine gültigen Dokumente vorweisen kann, der wird erkennungsdienstlich behandelt und auf Anweisung des zuständigen Wojewoden ausgewiesen. So auch Mitte Oktober in Breslau. Dort wurden bei einer Razzia 144 "Bewohner" in einer Hüttensiedlung aufgeweckt, vernommen, in einer Turnhalle einquartiert und danach zum Flughafen gebracht. Reiseziel war Rumäniens Hauptstadt Bukarest.
"Alles ging human und ohne Gewaltanwendung ab", versicherte nach der Aktion in Breslau Grenzschutzsprecher Lech Surowka gegenüber dem Korrespondenten der deutschen Tageszeitung "Die Welt", H. Schmidtendorf. Wie ein anderer Polizist berichtete, seien die hygienischen Verhältnisse in dem Hütten-Lager katastrophal gewesen und die polnischen Nachbarn befürchteten schon eine Epidemie. Seit dem 15. Juli 1998 gehen die polnischen Sicherheitsbehörden im Rahmen dieser Aktion hart gegen Ausländer vor, die sich illegal im Land aufhalten. Fast 1700, zumeist aus der früheren Sowjetunion und aus Südosteuropa, sind seitdem abgeschoben worden. Zum Ziel der Aktionen sagte Grenzschutzsprecher Miroslaw Szacillo: "Wir wollen uns vor unserem Eintritt in die Europäische Union als gläubwürdiger Partner erweisen." Schließlich soll schon in wenigen Jahren die polnische Ostgrenze auch die Grenze der EU sein. Interessant ist dabei auch, was die deutschen Zeitungen so auch "Die Welt" in ihren Berichten kaum oder gar nicht erwähnen: Zuwanderung ist ein neues Phänomen für jenes Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg einen ethnisch homogenen Staat aufbauen wollte; sozusagen die Einheit von Nation und Sozialismus und obendrauf der katholische Segen.
So schreibt der polnische dpa-Korrespondent Jacek Lepiarz durchaus zutreffend: "Bis zum Zusammenbruch des Kommunismus wollte von sowjetischen Soldaten und Studenten aus sozialistischen Bruderstaaten einmal abgesehen kaum jemand für längere Zeit nach Polen kommen. Erst nach 1989 wurde das Land für Flüchtlinge aus aller Welt zunächst als Transitland auf dem Weg in den Westen und später sogar als Ziel interessant." Die Illegalen in Polen kommen dabei weniger aus Afrika oder Asien als vielmehr aus Südosteuropa hauptsächlich Rumänien und den GUS-Staaten.
Polen ging bis jetzt auch relativ tolerant mit diesen "Zuwanderern" um, denn diese fallen ja dem Staat finanziell kaum zur Last; in ganz Polen leben nur 1000 Asylanten, die Sozialhilfe vom Staat erhalten. Die große Zahl der Zuwanderer muß sich selber ernähren durch Schwarzarbeit, Bettelei, Schmuggel und Verbrechen.
Beobachter in Warschau behaupten allerdings, daß die Razzien nur kosmetische Bedeutung haben. Die in den deutschen Zeitungen veröffentlichten Berichte sollen den Deutschen vorgaukeln, daß die Polen in ihrem Staate Ordnung schaffen würden.
An der Weichsel trägt man das alles recht gelassen; viele Polen ahnen, daß der Sinn der "Aktion Fremde" die Beruhigung der Westeuropäer sein soll. Der Verwalter des Wohnheims im oberschlesischen Ruda, Adam Graca, hat den Verlust seiner bisherigen rund 400 Mieter verkraftet. "Sie waren zwar laut und drängten sich nicht unbedingt zum Putzdienst", sagte der Verwalter, "aber Probleme hatten wir mit ihnen nicht. In zwei Monaten ist das Heim bestimmt wieder voll ..."
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