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Die österreichische Regierung verspricht eine "große Steuerreform" für 2005, - doch die bundesdeutsche Steuerdebatte zeitigt Nebenwirkungen: Jörg Haider verlangt, die Reform auf 2004 vorzuziehen. SPÖ und Grüne sekundieren. Und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer will sogar einen "runden Tisch" mit FPÖ und Grünen, aber ohne ÖVP - dieser plumpe Versuch, die ÖVP-FPÖ-Koalition zu sprengen, scheitert natürlich schon daran, daß sich die Grünen nicht mit Haider an einen Tisch setzen. Die ÖVP ihrerseits lehnt ein Vorziehen strikt ab, betont aber die Notwendigkeit einer Senkung von Körperschaftssteuer und Spitzensteuersatz.
Man ist verlockt, solche Vorstöße als Populismus oder als Aktionismus für die eigene Klientel abzutun. Es gibt jedoch auch unleugbare Fakten: Österreich kann wegen der engen Verflechtung mit der Bundesrepublik Deutschland deren wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen - mögen sie klug oder unklug sein - nicht ignorieren, geschweige denn konterkarieren. Um nicht unter die Räder zu kommen, muß man vieles mitmachen, notfalls auch eine Steuersenkung auf Pump.
Ein weiteres Argument, das allerdings offiziell keiner ausspricht: Wenn sich die Großen nicht um Stabilität scheren, was hätte ein Kleiner davon, sich freiwillig des geringen Spielraums zu begeben, den EU und Euro übriglassen? Es zeigt sich hier wieder das Kernproblem der EU: Wenn man nicht mehr Herr im eigenen Haus ist, wenn alle anderen darin tun und lassen dürfen, was sie wollen, wozu soll man die Bude in Ordnung halten? Und angesichts der ungeheuren Verschuldung der allermeisten Staaten - von den USA abwärts - was würden ein paar Zehntelpromille auf oder ab wirklich ändern? Alle sind Schuldsklaven eines anonymen Finanzsystems.
Auch die Forderung nach Senkung der Unternehmenssteuern hat reale Hintergründe: EU-Kandidaten, die bisher schon Wettbewerbsvorteile durch niedrige Löhne ("Lohn-Dumping)" und minimale Umweltauflagen ("Öko-Dumping") hatten, betreiben auch Steuer-Dumping, um Unternehmen anzulocken. Für Wien, das bisher einen Gutteil der Osteuropa-Zentralen internationaler Konzerne beherbergte, ist dies eine echte Gefahr. Es erweist sich, daß die Nettozahler ihre Konkurrenz subventionieren.
Ein wichtiges Argument, die fehlende Symmetrie der Steuermechanik, scheint aber allgemein ignoriert zu werden: Steuererhöhungen - selbst geringe - regen zur Steuervermeidung an, also zu Schwarzarbeit oder Flucht ins Ausland. Kleine Steuersenkungen hingegen führen kaum zum Umdenken oder zur Rückkehr und haben auch keine nennenswerten Belebungs-Effekte.
"Steuerreformen" verdienen deshalb kaum je diesen Namen, denn sie sind meist nur ein Drehen an einigen Schräubchen der komplexen Maschinerie. So kommt es, daß trotz aller gegenteiligen Versprechungen die Staatsquote einen neuen Höchststand erreicht. Insbesondere für die FPÖ rächt es sich, daß sie bei den Regierungsverhandlungen 2000 sang- und klanglos ein Hauptziel des so erfolgreichen Wahlkampfs 1999 opferte: die "Flat-tax", einen fixen Steuersatz, niedrig aber ohne Ausnahmen. Das wäre sehr wohl eine zukunftsweisende Reform gewesen. Prof. Dr. Küssner
Jörg Haider: Der Kärntner Landeshauptmann von der FPÖ will im Gegensatz zur ÖVP eine Vorziehung der Steuerreform auf das kommende Jahr Foto: Kärnten
Alfred Gusenbauer: Der Bundesvorsitzende der SPÖ würde zu gerne den Steuerstreit zwischen FPÖ und ÖVP zur Sprengung der Koalition nutzen |
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