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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel", diesen Spruch des legendären Sepp Herberger kann man durchaus erweitern: "Nach dem Turnier ist vor dem Turnier." Während in diesem Teil der Welt die Fußballfans auf die Europameisterschaft in zwei Jahren schauen, blickt der Rest der Welt nach Südafrika, wo 2010 die Fußballweltmeisterschaft stattfinden soll. Da müssen Stadien her, die für die Massen das richtige Ambiente bieten. Gleich mehrere davon soll das Architekt urbüro von "Gerkan, Marg und Partner" (gmp) bauen: das "Kingspark Stadion" "King Senzangakhona" in Durban und die "Nelson Mandela Bay Arena" in Port Elizabeth, auch Kapstadt ist im Gespräch.
Die Arena in Durban ist mit einer Kapazität von bis zu 85000 Zuschauern das größte der geplanten Stadienneubauten. Es wird unter der Federführung von gmp gemeinsam mit lokalen Architektur- und Ingenieurbüros konzipiert. Ein doppelläufiger Bogen, der das Stadion überspannt, wird den Bau unverwechselbar machen und zu einem imposanten Teil der Skyline von Durban werden lassen, ein Symbol für eine Nation, die zusammenwächst. Ein "Skywalk" im Bogen ermöglicht dem Besucher einen spektakulären Blick über die Stadt und den Indischen Ozean.
"Die Formgebung des Daches und auch die Fassade aus offenen Lamellen, welche die Umgänge umhüllt, berücksichtigen den Schutz vor Regen, vor Sonneneinstrahlung und vor den in Küstennähe zum Indischen Ozean auftretenden Winden", so die Planer von gmp. Geplant sind außerdem Räume für Sport-, Freizeit- und Kulturaktivitäten, die auch nach der WM 2010 Besucher anziehen sollen.
Die "Nelson Mandela Bay Arena", ein Fußball und Rugbystadion am North End Lake, bietet für bis zu 50000 Zuschauer Platz. Die Planer von gmp haben auch hier auf die lokalen Besonderheiten der Natur geachtet. "Das Dach dient nicht nur dem Schutz vor Regen, sondern auch und vor allem dem Schutz der Zuschauer vor dem häufig auftretenden Wind. Die gerundete Tribünenform der Arena ermöglicht optimale Sichtbedingungen für Fußball und Rugbyspiele und garantiert eine dichte emotionale Atmosphäre."
"Der Bau von Stadien war für Baumeister von jeher eine der faszinierendsten architektonischen Herausforderungen", so der aus Königsberg stammende und in Danzig aufgewachsene Volkwin Marg, der mit Partner Hubert Nienhoff und Holger Betz für die Stadien in Südafrika verantwortlich zeichnet. "Ihre Mitte ist der Mensch, in seiner großen Masse und als einzelner." Marg zitiert gern Johann Wolfgang von Goethe, der 1786 in seiner "Italienischen Reise" über Verona schreibt: "Das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten! Als ich hineintrat, mehr noch aber, als ich oben auf dem Rande umherging, schien es mir seltsam, etwas Großes und doch eigentlich nichts zu sehen. Auch will es nicht leer gesehen sein, sondern ganz voll von Menschen ... Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren, das Volk mit sich selbst zu besten zu haben ... "
Allen neuen Arenen, sehen sie noch so unterschiedlich aus, ist eines gemeinsam: eine veränderte Selbsterfahrung der Massen. Sie "wird zur selbst bezahlten und nach Kassen getrennten Hingabe an die kollektive Emotion, in orgiastischer Lautstärke, reflektiert von geschlossenen Tribünendächern", meint Marg und zitiert eine böhmische Landsknechtsweisheit: "Wenn die Fahnen flattern, ist der Verstand in der Trompete."
Aufsehen erregte gmp, als sie das Berliner Olympiastadion umbauten und aus dem Bauwerk von Otto, Walter und Werner March eine moderne Wettkampfstätte machten. "Heute wird das Interesse nur noch auf das Stadion, den Solitär als eine Hysterieschüssel, fokussiert", sagte Marg in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Ich versuche dagegen zu halten, denn ich sehe das Stadion als Teil des Ganzen. Ein Stadion wie in Berlin ist nicht nur Solitär, sondern Bestandteil der großen stadtlandschaftlichen Inszenierung ,Reichssportfeld ."
Meinhard von Gerkan, geboren in Riga, Volkwin Marg sowie ihre verschiedenen Partner und Mitarbeiter in zehn Büros weltweit haben das Baugeschehen nicht nur in Deutschland, sondern seit einiger Zeit auch in Asien (China, Vietnam) beeinflußt. In China planten sie gar ganze Städte. In Berlin realisierte gmp in den vergangenen vier Jahrzehnten 40 Bauten, angefangen 1966 beim Flughafen Tegel über die Dresdner Bank am Pariser Platz und die Abgeordnetenbüros in der Dorotheenstraße bis hin zum gigantischen Lehrter Bahnhof und dem spektakulären Tempodrom. Eines ist allen Bauten gemein - sie kommen ohne Effekthascherei aus. Davon kann sich auch der Besucher einer Ausstellung überzeugen, die derzeit in der Hamburger gmp-Architekturwerkstatt zu sehen ist. Gezeigt werden gigantische Fotos von gigantischen Bauten. Marcus Bredt hat über ein Jahr lang die Berliner Bauten von gmp mit der Kamera beobachtet. Mit sicherem Gespür ist er dem Schwung der Linie gefolgt und hat nicht nur die Bauten in ihrer ganzen Herrlichkeit eingefangen, sondern auch Details herausgepickt, die man als Betrachter so kaum entdeckt hätte. Dabei sind ihm immer wieder auch Menschen vor die Kamera gelaufen und haben so den Gebäuden Leben eingehaucht.
An Berlins prominentester Ecke, Unter den Linden, Ecke Friedrichsstraße, entsteht derzeit ein achtgeschossiges Bürogebäude. In dem konkurrierenden Gutachterverfahren zum Neubau des Büro-, Wohn- und Geschäftshausblockes wurde der Entwurf von gmp mit dem 1. Rang ausgezeichnet. "Die rekonstruierte Blockstruktur des Neubaus vermeidet die Enge vieler historischer Berliner Hinterhöfe, indem sie drei deutlich unterscheidbare individuelle Einzelhäuser an der Straße Unter den Linden mit nur drei geräumigen Innenhöfen tief nach Norden in dem Block hineinentwickelt. Auf diese Weise kann der größte Teil der vermieteten Einheiten von der erstklassigen repräsentativen Adresse Unter den Linden erschlossen werden", so die Planer. "Insgesamt entstehen auf einer Grundfläche von über 4000 Quadratmetern fünf neue Büro- und zwei Wohnhäuser mit einer Bruttogeschoßfläche von etwa 37000 Quadratmetern." Es geht also weiter in Berlin.
"Architektur ist die Mutter aller Künste", hat Oliver G. Hamm, Chefredakteur des "Deutschen Architektenblatts", einmal gesagt. Architekten trügen eine hohe Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und seien nicht nur ihrem eigenen Ethos, sondern auch dem begrenzten Budget des Auftraggebers und dem städtebaulich-architektonischen Kontext verpflichtet. Ein Architekt sei eben nicht nur Künstler, "sondern ebenso Treuhänder seines Bauherrn und Baumeister einer Gesellschaft, deren oft widerstreitende Erwartungen er schließlich in einer stadtbildprägenden Architektur zum Ausdruck bringen muß, die kurzlebigen Moden überdauern und noch nach Jahrzehnten Bestand haben soll". Das Architekturbüro von "Gerkan, Marg und Partner" versteht es wie kaum ein anderes, diese Erwartungen zu erfüllen.
Die Ausstellung in der gmp-Architekturwerkstatt, Völckersstraße 14-20, 22765 Hamburg, ist donnerstags von 11 bis 19.30 Uhr, freitags bis sonntags von 11 bis 17.30 Uhr zu sehen, bis 30. September. |
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