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Jedem sein Süppchen

 
     
 
Lag es am naßkalten Wetter? Oder an Hansi Hinterseers sonnabendlicher Volksmusik-Sendung in der ARD? Oder doch am Unmut darüber, daß in den Augen vieler die Weltkriegstoten für ein politisch korrektes Spektakel eingespannt werden sollten? Jedenfalls kam die großangekündigte Lichterkette am Vorabend des 8. Mai durch Berlin nur bruchstückhaft zustande.

Zwar sprachen die Organisatoren tapfer von einem Erfolg und 25.000 Teilnehmern - eine Zahl, die von den Medien übernommen wurde -, die Polizei jedoch hatte bloß 1.200 gezählt. Eine geschlossene Kette kam lediglich auf einem Teil der Straße Unter den Linden
zustande.

Am Nachmittag des 6. Mai hatte das Bundesverfassungsgericht in letzter Instanz den Einspruch der NPD gegen die verordnete Demonstrationsroute verworfen. Ihre Demonstration gegen "Befreiungslüge" und "Schuldkult" durfte nicht am Holocaustmahnmal vorbei durchs Brandenburger Tor führen, sondern vom Alexanderplatz zum S-Bahnhof Friedrichstraße. Aber nicht einmal dazu sollte es kommen, denn Demonstranten aus dem linksautonomen Milieu blockierten die Schloßbrücke. Tausende Polizisten waren damit beschäftigt, die beiden Blöcke getrennt zu halten. Auf Anraten der Polizei sagte die NPD ihren Marsch nach einigen Stunden ab.

Ihr Demonstrationsplan war aber schon im Vorfeld zur Initialzündung für eine totale Mobilmachung der Demokraten geworden. Das Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedete eine Resolution, in der die Bürger aufgerufen wurden, "ein Zeichen der Stärke (zu) setzen" und am 7. und 8. Mai am Brandenburger Tor ein "Fest der Demokratie" zu feiern. Berlins Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) hatte den 8. Mai 1945 als den "bedeutendsten Tag des Jahrhunderts" bezeichnet: "Erst das Ende des verhängnisvollen Unheils in unserem Land, erst der Tag der Befreiung hat den Weg frei gemacht für die Demokratie in unserem Land." Dieser Bewertung stimmten alle Fraktionen zu. Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rief zum "demokratischen Widerstand" gegen die Neonazis auf und klang dabei so rauflustig, als wollte er sich ganz persönlich um den Körpereinsatz hart am Skinhead kümmern.

Diese antifaschistische Geschlossenheit und Entschiedenheit ließ der Antifa-Szene nur eine Möglichkeit: Sie mußte noch eins draufsetzen. Sie wollte "den Nazis" zeigen, "daß Berlin nicht ,deutsch , sondern rot bleibt". Ein "Spasibo-Bündnis" wurde gegründet - Spasibo ist russisch für Danke. Die Antifa-Elaborate ließen auf lückenhafte Geschichtskenntnisse schließen. Zum Beispiel wurde der Hitler-Stalin-Pakt unterschlagen. Um so stärker wurde der Zusammenhang von Persönlichem und Allgemeinem betont: "Es gibt einiges, was einem in Deutschland die Laune verderben kann: In der Schule nervt der tägliche Leistungsdruck und ständig hast Du zuwenig Geld. Doch das ist noch längst nicht alles: Fast jede Woche findet ... ein Nazi-Aufmarsch statt."

In der Berliner "Urania" wurde eine "Nacht der Befreiung" gegeben, benannt nach dem fünfteiligen russischen Filmschinken "Befreiung", den zu sehen Mitte der 70er Jahre in der DDR Schülerpflicht war. Ein Autokorso von der Frankfurter Allee bis zum Sowjet-Ehrenmal im Tiergarten vollzog den Siegeszug der Roten Armee nach. Dort war von 16 Uhr bis in die Abendstunden ein "Befreiungsfest" anberaumt. Rund um das Brandenburger Tor waren Zelte und Stände aufgebaut, wo Parteien und Institutionen Werbung in eigner Sache machten. Auf einer Freilichtbühne kamen am Nachmittag die "Prominenten" zu Wort, die den Aufruf zum "Tag für Demokratie" unterzeichnet hatten. Unter ihnen waren echte Könner wie der Hitler-Darsteller Bruno Gans. Das Schweizer Steuersparmodell Boris Becker hatte im letzten Augenblick abgesagt, dafür hielten ARD-Kochmamsell Alfred Biolek und Michel Friedman ihre Zusagen ein.

Viel war davon die Rede, daß die Welt am 8. Mai auf Berlin schaue und die Stadt das Bild eines demokratischen und antirassistischen Deutschlands aussenden müsse. Mit sorgenvollem Unterton hatte die linke taz den New York Times-Korrespondenten Richard Bernstein gefragt, was ein NPD-Marsch am Brandenburger für die Weltmeinung wohl bedeuten würde. Bernstein erwiderte, die Amerikaner interessiere das Datum kaum. Aufmerksamkeit würden allenfalls die Bilder vom Mos-kaubesuch George Bushs finden. Der 8. Mai 2005 sei doch bloß ein Jahrestag und damit ein "Pseudoereignis".

Zuviel Schule, zuwenig Geld - und dann auch noch die "Nazis": Linksautonome beim Stoppen der NPD-Demo zum 8. Mai in Berlin
 
     
     
 
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