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Es gehört zu den Besonderheiten der gegenwärtigen amerikanischen Außenpolitik, daß Rußland, mit dem die USA weit mehr und weit ernstere strategische und militärische Probleme haben als etwa mit China, von der Administration Clinton praktisch nie harte Töne zu hören bekommt. Dabei sind die Unstimmigkeiten nicht zu übersehen. Der jüngste Golfkontlikt hat markante strategische Auffassungsunterschiede offenbart, und die Waffenexpo rte Moskaus geben am Potomac Anlaß zu größter Besorgnis. Vizepräsident Gore, der sich in Washington zum zehnten Mal mit dem mittlerweile entlassenen Ministerpräsidenten Tschernomyrdin traf, hat versucht, dem russischen Regierungschef die Kritikpunkte Washingtons nahezubringen.
Die zentrale Sorge der USA war auch diesmal wieder der Export russischer Raketentechnik nach Iran. Laut Angaben des CIA-Direktors George Tenet hat Rußland in den letzten Jahren das iranische Raketenprogramm wesentlich unterstützt. Vergangenes Jahr gab der amerikanische Geheimdienst bekannt, daß Moskau zum Bau der Shahab-3- und Shahab-4-Rakete Material, Ausrüstung und technische Hilfe angeboten habe. In Moskau werden derartige Vorwürfe seit langem mehr oder weniger heftig bestritten. Jelzin besteht darauf, daß von staatlicher Seite nichts geliefert wurde. Die CIA will allerdings festgestellt haben, daß die russischen Firmen, welche mit Teheran zusammenarbeiten, in der Regel hervorragende Verbindungen zum Kreml unterhielten und weitgehend als Staatsbetriebe anzusehen seien. In die Zusammenarbeit zwischen Teheran und Moskau sollen zudem russische Geheimdienste verwickelt sein. Tschernomyrdin wiederholte demgegenüber vor seinem Abflug in die USA sein Dementi. "Wir haben nichts an Iran geliefert, und wir werden nichts liefern."
Washington scheint derartige Äußerungen als unvermeidlichen diplomatischen Sachzwang hinzunehmen und reagiert seinerseits mit Offerten. Wie Beamte der Administration am Potomac bekanntgaben, haben die USA Rußland vor den Gesprächen zwischen Gore und Tschernomyrdin angeboten, die Zahl amerikanischer Satelliten, welche von russischen Raketen ins All geschossen werden dürfen, markant zu erhöhen. Das Geschäft wäre für Rußland mehrere hundert Millionen Dollar wert. Natürlich bestehen die Beamten darauf, daß es zwischen diesem Angebot und den russischen Waffenexporten keinen "direkten" Zusammenhang gibt man will den Eindruck vermeiden, die USA ließen für an sich erwartetes, da vertraglich geregeltes Moskauer Wohlverhalten Millionen springen. Ob das Angebot verlockend genug ist, um den Kreml zum Umdenken zu bewegen, wird sich erweisen. Fest steht jedenfalls, daß auch auf diesem Sektor die einstige sowjetische Großmacht jeden Dollar benötigt: Von den 48 von Rußland im vergangenen Jahr gestarteten Satelliten stammten etliche aus den USA, wobei jeder Start einem Auftrag von 60 bis 100 Millionen US-Dollar entspricht. Weitere Starts von Satelliten erfolgten 1997 auch im Auftrag von Deutschland, China und Luxemburg.
Das andere wichtige Thema der Unterredungen in der bisherigen Gore-Tschernomyrdin-Kommission war wieder einmal die Linienführung der Röhren, mit der das Erdöl unter dem Kaspischen Meer in den Westen gebracht werden soll. Die USA haben bisher den Bau einer Verbindung zwischen der aserbeidschanischen Hauptstadt Baku und dem Hafen der türkischen Stadt Ceyhan am Mittelmeer propagiert, während Rußland die Pipeline im Norden durch eigenes Gebiet zum Schwarzmeerhafen Noworossijsk führen möchte. Die Chancen, daß Rußland sich in diesem Fall durchsetzt, werden in Washington eher skeptisch beurteilt, vor allem, nachdem sich Moskau vergangenes Jahr die Rechte für den Bau einer großen Röhre vom Tengis-Ölfeld im Westen Kasachstans nach Noworossijsk gesichert hat. Gegenwärtig geben amerikanische Beamte an, sie hätten nichts gegen den Bau mehrerer Leitungen zwischen dem mineralölreichen mittelasiatischen Becken und diversen Meereshäfen einzuwenden. Damit soll dem da und dort entstandenen Eindruck vorgebeugt werden, die USA wollten Rußland aus dem Geschäft mit den Vorräten unter dem Kaspischen Meer hinausdrängen.
Zur offensichtlichen Schwierigkeit, die amerikanisch-russischen Beziehungen als herzlich dazustellen, trägt auch der Disput um die beiden Hochgeschwindigkeitsrechner aus dem Silicon Valley bei, die vor einiger Zeit über unklare Umwege nach Rußland verkauft worden waren. Zum zweiten Mal hat das offizielle Moskau jüngst ein amerikanisches Gesuch um Hilfe bei der Aufklärung zurückgewiesen. Die Chancen, daß die illegal nach Rußland verkauften Rechner den Weg zurück in die USA finden, müssen als sehr gering veranschlagt werden. Schließlich gelten auch US-Geheimdienste als nicht gerade zurückhaltend in Sachen Industriespionage selbst bei Verbündeten.
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