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Das schrumpfende Vertrauen in den Rechtsstaat wie auch Zweifel an der Qualität politischer Entscheidungen gewinnen, wie zahlreiche Meinungsumfragen der letzten Monate aufzeigen, in bestürzender Weise Gewicht. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, dürfte Wahlenthaltung in größerem Umfang die "Partei der Nichtwähler" zur stärksten Gruppe werden lassen, die zwar keine Abgeordneten in den Bundestag sendet, aber die Überzeugungskraft parlamentarischer Beschlüsse de facto, wenn auch nicht de jure, deutlich schwächt. In diese Richtung weist auch das warnende Zitat von Thomas Jefferson : "Schlechte Kandidaten werden von Bürgern gewählt, die nicht zur Wahl gehen".
Die globalen, europäischen und nationalen Herausforderungen, vor denen unser Land steht, bedürfen aber zu ihrer Lösung einer qualitativ optimalen Politik und breitester Zustimmung im Volk. Das fordert der politischen Klasse Mut zur Selbstkritik ab, konsequente Durchsetzung unabdingbarer und gut begründeter Kursänderungen, Abschied vom Vorurteil und ideologischen Vorgaben einschließlich verfassungsschädlicher Ausgrenzungen durch die sogenannte political correctness. Die Einsicht, daß in einer freiheitlichen Demokratie Politik für das Volk und nicht für Politiker und deren Parteien zu machen ist, bedarf aber zweifellos intensiver Wiederbelebungsbemühungen.
Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag in Richtung Vertrauensgewinn könnte eine zügige Korrektur der auf Fehleinschätzungen beruhenden Entscheidungen der Bundesregierung aus dem Jahre 1990 leisten, die letztlich zum Rückgabeverbot des 1945/49 in der SBZ/DDR enteigneten Besitzes an die Alteigentümer führten (Änderung in Artikel 143 Grundgesetz). Die damals wohl eher von Wunschdenken als von den Realitäten bestimmte Kalkulation der politischen Entscheidungsträger ist nicht aufgegangen, was Constanze Paffrath in ihrem 2004 veröffentlichten Buch "Macht und Eigentum" und nun Udo Madåaus 2006 in "Wahrheit und Recht" dargelegt haben.
Einige der an den verhängnisvollen Entscheidungen im Jahre 1990 beteiligten Politiker stehen heute nicht mehr zu den seinerzeit für die Grundgesetzänderung angeführten Gründen. Trotz fortdauernder Entvölkerung weiter Teile der neuen Länder, trotz der in diesen Regionen eklatant hohen Arbeitslosigkeit ist aber im Kreis der politischen Entscheidungsträger von damals wie von heute keine Initiative erkennbar, die zu einer Rücknahme der Grundgesetz-Änderung in Artikel 143 vom September 1990 führen könnte. So wird offensichtlich weiterhin die Chance vertan, den Nachfahren der Mittelständler, die 1945/49 enteignet und 1990 durch die Grundgesetz-Änderung von einer Rückerstattung ausgeschlossen wurden, Möglichkeiten zu eröffnen, mittelständische Strukturen wieder aufzubauen und so der Entvölkerung und der Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken. Die Zahl derer, die das Risiko eines Neuanfangs zu übernehmen bereit sind, dürfte aber schrumpfen, je länger die Politik sich Zeit läßt, Unrecht zu beseitigen, das heißt, Abmachungen zu annullieren, die offensichtlich von Voraussetzungen und der Annahme von Sachzwängen ausgingen, die sich längst als nicht haltbar erwiesen haben. Unsere Verfassung sagt, daß Parlamentsabgeordnete nur ihrem Gewissen verantwortlich sind. Dieses wurde in den Septembertagen 1990, als es um diese Grundgesetz-Änderung ging, arg strapaziert. Gibt nicht die heute bestehende Einsicht in Fehler und Irrtümer, denen die Politik damals unterlag, zusammen mit dem aktuellen Notstand in den aussterbenden‚ von Arbeitslosigkeit extremen Ausmaßes und Mangel an Zukunftsperspektiven schwer betroffenen Regionen hinreichenden Anlaß, um erkannte Fehler zu korrigieren?
Mit "Aussitzen" wird die Problematik nicht bewältigt, ganz im Gegenteil. Das am Mittelstand durch die Enteignung und Entrechtung 1945/49 in der SBZ/DDR begangene Unrecht wird durch Vermeidung der längst fälligen Annullierung des Rückerstattungsverbots vom September 1990 zu einer Politik gegen die Interessen des Volkes. Wobei "Volk" nun nicht nur den Kreis des von den Kommunisten enteigneten Mittelstandes, sondern auch deren Nachfahren und alle umfaßt, die heute in den neuen Bundesländer an den Folgen fehlender mittelständischer Strukturen in der Wirtschaft leiden.
Als im Jahre 1807 die Dinge in Deutschland, in Preußen, nicht zum Besten standen, als viele verzagten und ein Ende der Fremdherrschaft nicht zu erkennen war, machte ein Wort der Königin Luise von Preußen die Runde: "Wir treten geschlossen dem Unrecht entgegen. Der Kampf um das Recht ist heilige Pflicht. Wir brauchen kein Schwert oder Degen. Nur die Wahrheit zählt und führet zum Licht!"
Unser Problem heute ist nicht die Fremdherrschaft, wohl aber eine weit verbreitete Unklarheit, von welchen Werten wir uns leiten lassen. Für Recht und Wahrheit (auch Wahrhaftigkeit) einzutreten sollte für jeden Bürger eine Selbstverständlichkeit sein - zumal die Gefährdung des Rechts und die Gewöhnung an ein Leben mit Unwahrheiten Gift bedeutet für die Zukunft unseres Landes. |
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