A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Klassische Balladen faszinieren ausländische Schüler: Multi-Kulti-Star Schiller

 
     
 
Als im Frühjahr dieses Jahres die Berliner Schulbehörde etwa 1000 Kinder, die in die erste Grundschulklasse eingeschult werden sollten, daraufhin untersuchte, ob sie überhaupt ausreichend Deutsch sprechen und verstehen können, um dem Unterricht zu folgen, war das Ergebnis erschreckend. Zwei Drittel dieser Kinder, nämlich nahezu 67 Prozent, beherrschen die deutsche Sprache nur unzureichend. Sie verstehen nicht, was man ihnen auf Deutsch sagt, und sie können sich auf Deutsch nicht verständlich ausdrücken.

Natürlich stammen die meisten von ihnen aus ausländischen Familien oder korrekt: von unseren Mitbürgern nichtdeutscher Herkunft, die uns die multikulturelle Gesellschaft
bescheren sollen, die Deutschland bereichern soll. Aber es gibt auch 640 deutsche Kinder, die, wie es im amtlichen Pädagogendeutsch heißt, "einen intensiven Förderbedarf" in der deutschen Sprache aufweisen, das heißt, sie können mit sechs Jahren ihre Muttersprache nicht. Will man diese Situation ändern, dann müßte der Staat unendliche Mittel aufbringen, um neben dem normalen Schulunterricht die enorme Anzahl buchstäblich sprachloser Kinder in die Lage zu versetzen, sich innerhalb Deutschlands verbal zu behaupten. Nur dann haben sie die Chance, nicht nur dem Schulunterricht zu folgen, sondern anschließend einen Ausbildungsplatz zu bekommen und einen Beruf zu erlernen, der sie davor bewahrt, eines Tages nur noch vom deutschen Sozialsystem zu leben und, was nicht selten geschieht, ins kriminelle Milieu abzugleiten.

Die Mittel für die sprachliche Extraförderung aufzubringen, ist angesichts der sich von Monat zu Monat verschärfenden Krise der öffentlichen Finanzen schlichtweg unmöglich. Aber selbst wenn man mit allen möglichen technischen Hilfsmitteln und dem Einsatz Tausender von Lehrern Sprachförderkurse einrichtet, wird es immer einen offenbar erheblichen Bodensatz geben, der weder willens noch intellektuell in der Lage ist, die Sprache unseres Landes ausreichend zu erlernen.

Wenn darauf verwirrte Multi-Kulti-Fans stammeln, dann müßten eben die Deutschen die Sprache der Ausländer erlernen, dann sind sie jenseits von gut und böse. Man sollte nicht weiter auf sie achten. Das Problem muß ernst genommen werden.

Eine Besserung kann allerdings nicht dadurch geschehen, daß man, wie es tatsächlich die Kultusministerkonferenz dekretiert hat, den sogenannten Mindestwortschatz, der am Ende der vierten Klasse von den Kindern erwartet wird, senkt. Natürlich würden dann mehr Kinder als sprachkompetent gelten, doch ist das Ziel viel zu niedrig angesetzt. Hier wurde genau der gleiche Denkfehler begangen wie bei der Senkung der Ansprüche an das Abitur. Dadurch wurde zwar eine höhere Zahl von Abiturienten gezüchtet, doch sind sie, wie jeder Blick in die Universitäten bestätigt, zu einem guten Teil nicht in der Lage, die Ansprüche eines Studiums zu erfüllen. Wer in Seminaren der philosophischen Fakultät den nun einmal notwendigen Referaten der Studenten lauscht, kann angesichts des Unvermögens, sich angemessen auszudrücken, nur das Haupt verhüllen.

Die Vernachlässigung der deutschen Sprache an unseren Schulen hat erschreckende Folgen. Abiturienten verlassen das Gymnasium, ohne jemals Goethes "Faust" gelesen zu haben. In einigen Bundesländern steht dieses Kernwerk der deutschen Literatur nicht einmal mehr im Lehrplan. Das wird damit begründet, daß man Schülern der Oberstufe ein so schwieriges Werk nicht mehr zumuten, geschweige denn vermitteln könne. Und an dieser Feststellung ist tatsächlich etwas dran. Ein erheblicher Teil der 17jährigen Schülerinnen und Schüler ist heute einfach zu dämlich, um dem goethischen Text zu folgen, so flott sie auch mit dem Internet umgehen. Professoren berichten, daß viele ihrer Studenten nicht mehr in der Lage sind, von einer Seminarsitzung zur nächsten, also meist innerhalb einer Woche, mehr als 30 Seiten deutschen Text zu lesen.

Daß diese Bildungswüste nicht zwangsläufig entstanden ist, dafür gibt es - wenn auch bisher nur vereinzelt - Gegenbeispiele. Ein solches begegnete kürzlich dem Berichterstatter in Gestalt einer Studienrätin, die an der Gesamt-schule einer norddeutschen Großstadt - und das in einem sozialen Brennpunkt - unterrichtet. Sie berichtete Erstaunliches.

Sie hatte es gegen die Warnungen fast aller Kollegen gewagt, zwei ihrer Schulklassen aus dem 8. Jahrgang zu versammeln, damit sie einem Balladenvortrag lauschen. Wenn man erfährt, daß sich unter den etwa 60 Schülerinnen und Schülern russische, türkische, serbische, polnische, schwarzafrikanische, arabische und afghanische befinden, dann würde man die Lehrerin der Waghalsigkeit zeihen und ihr attestieren, daß sie mit dem Experiment, das sie kaum gleichaltrigen deutschsprachigen Schülern bieten könnte, scheitern müsse.

Das Gegenteil war der Fall. Sie hatte in ihrer Nachbarschaft einen fast 70jährigen Herrn kennengelernt, einen im Ruhestand lebenden Buchhändler, der ein begeisterter Freund der deutschen Literatur ist. Er war bereit, vor diesen 60 in- und ausländischen Schülern Balladen von Gottfried August Bürger, von Goethe und Schiller, von Uhland, Heinrich Heine, Otto Ernst, Gustav Falke und Detlev von Liliencron zu rezitieren. Dieser für die Schüler fremde Herr, nicht in der bei Lehrern heute häufig anzutreffenden schlampigen Kleidung, sondern in dunklem Anzug, rezitierte 90 Minuten lang ohne Pause und ohne Diskussion.

Darüber die Lehrerin: "Schon nach wenigen Minuten wurde klar, er hatte die Schüler gefesselt. Die leisen Gespräche verstummten, das Scharren von Füßen und Stühlen erstarb, alle Augen waren auf ihn gerichtet. Sein markanter Ausdruck, die kultivierte Sprache, der freundliche aber bestimmte Blick, der konzentrierte Vortrag taten Wirkung." Sie wußte, daß einige zunächst erwogen hatten, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. Sie kamen jedoch nicht zum Zuge, denn: "Jeder spürte es: hier geht es um etwas ganz Besonderes, um Außerordentliches. Und so gelangten viele von ihnen zum ersten Male ins Land der klassischen Dichtung. Die Schüler merkten auf bei dieser Unbeugsamkeit, sie ahnten mehr als daß sie es genau verstanden, daß ihnen hier Texte nahegebracht wurden, die etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun hatten, ihrer Sehnsucht nach Freiheit, ihrem Sinn für Gerechtigkeit, ihrer Erfahrung von Freundschaft, von Feigheit und Mut."

Die Schüler schlugen vor, sich intensiver mit Balladen zu beschäftigen. Und das taten sie sechs Wochen lang. Die Lehrerin berichtete, daß Schillers "Bürgschaft" so etwas wie ein richtiger Hit wurde. "Mein Kurs lernte sie in Abschnitten auswendig und trug dann das Gemeinschaftsprojekt dem Nachbarkurs vor. Schüler, die sonst keine Hausaufgaben machten, rissen sich darum, einen tragenden Part zu übernehmen. Ein afghanisches Mädchen vertiefte sich in Schillers Leben und hielt ein beachtliches Referat darüber." Anschließend sahen sich die Schülerinnen und Schüler gemeinsam den 1940 entstandenen Schwarz-weiß-Film "Friedrich Schiller" an. "Die medienverwöhnte Jugend war von dem Film hingerissen. Sie erkannte in dem jugendlichen Protest ein Stück ihres eigenen Aufbegehrens."

Diese Lehrerin und der Rezitator hatten nicht etwa angesichts der vorher verbreiteten Unlust der Schüler ihre Ansprüche gesenkt, sondern sie sogar unerbittlich hoch gehängt. Sie hatten etwas von den Schülerinnen und Schülern verlangt. Und das in großem Ernst und ohne einzuräumen, daß sie gegebenenfalls auch zurückweichen würden. Die Schüler, und auch jene, die aus fremden Kulturen stammen, hatten die Würde und den Reiz der gesprochenen Sprache verstanden. Es wurde ihnen eine geistige Landschaft eröffnet, die sie vorher nicht kannten. Das gelungene Experiment beweist, daß Schülerinnen und Schüler gefordert werden wollen. Nimmt man sie ernst, dann folgen sie - zu ihrem eigenen Gewinn.

Und für die Integration der ausländischen Kinder in die deutsche Gesellschaft haben die Lehrerin und der Rezitator mehr getan als jeder phrasendreschende rot-grüne Multi-Kulti-Propagandist.

 

Wenn alles fehlt, und einer spricht, das nennt der Mensch dann Unterricht: Voller Entsetzen warf die Fernseh-Nation mit Hilfe des NDR in einem Nach-Pisa-Beitrag einen Blick in eine Hamburger Schule - wohlgemerkt, nicht während der Pause, sondern inmitten einer normalen Unterrichtsstunde. Daß Schüler durchaus anspruchsvoll unterrichtet werden wollen, zeigte jetzt ein Experiment.
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Der BFB antwortet

Zwischen Konstantinopel und Istanbul

Fusionsgespräche auf dem Berliner Zeitungsmarkt bedrohen die Macht sowie das Image großer Verlagshäuser und gefährden letztendlich auch die Pressefreiheit

 
 
Erhalten:
balladen
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv