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Konstante in der Geschichte

 
     
 
Der Ost-West-Gegensatz als weltumspannendes politisches und kulturelle Phänomen ist gleichsam verdampft. Zum ersten Mal in ihrer doch lange Geschichte stoßen Westdeutsche auf Ostdeutsche in einem gemeinsame Staat.

Die Mehrzahl unter diesen sogenannten Ost- oder Westdeutschen is allerdings keines von beiden, sondern es sind Norddeutsche und Süddeutsche In der Regel wissen sie nicht viel voneinander und fühlen sich als Mecklenburger, Sachsen oder Bayern ungemein wohl dabei, den jeweil anderen höchstens bedauernd, keines von ihnen im engsten Sinne zu sein.

Dabei hat es "Ostdeutschland" vor der Wiedervereinigung überhaup nicht gegeben. Diese Bezeichnung drückt nur die Verlegenheit aus, wie da "Beitrittsgebiet" als Gesamtheit zu benennen sei. Bis zu Wiedervereinigung war Deutschland ein historischer Begriff. Al geographisch-politische Gegebenheit, als Staat existierte es erst wiede seit der Wiedervereinigung. Bonner Beamte
mochten längst den früheren vorläufigen Geltungsbereich des Grundgesetzes mit Deutschlan verwechseln, aber das wollten sie nicht unverfroren zu erkennen geben. A Rhein drängten alle Besonnenen, sich von den Stimmen der Leidenschaf nicht verführen zu lassen. Dort pflegte man, das Grundgesetz im Herzen ein Pathos des Rechtsstaates.

Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Baden-Württemberg Hessen wurden als Verwaltungseinheiten nach 1945 gegründet. Sie gehörte zwar von Anfang an zur Bundesrepublik, aber sie sind unhistorisch Gebilde, deren geschichtliche Substanz den Staaten und Herrschafte abgerungen wurde, die vor ihnen existierten und auf deren Grund sie sic ausbreiteten.

Ihr Dasein, nördlich des Mains, verdanken sie den westliche Alliierten und der Zertrümmerung Preußens, südlich des Mains schwäbische Organisationsfreude. Doch der Föderalismus der Bundesrepublik ist ohnehi nicht die konsequente Besinnung auf spezifisch deutsche Überlieferungen Er wurde den besiegten Deutschen in sämtlichen Zonen verordnet. Sie fügte sich gehorsam in die ihnen aufgenötigte Ordnung. Erlaubte sie es doch Preußen mit all dem zu belasten, was gesamtdeutsche Verirrung war, un sich damit zu entlasten.

An der Verscharrung Preußens betätigten sich Sachsen, Thüringen un Bayern nur, soweit es geboten war. Sie hatten von jeher trotzig ihr Reichsfreudigkeit mit starken Beimischungen nicht immer herkömmliche Preußenfeindlichkeit gewürzt. Die nördliche Hälfte der frühere Bundesrepublik war einmal preußisch, ungeachtet geringfügige Einsprengsel, die Preußen duldete. Die ehemalige DDR ha geographisch-historisch mit Preußen viel weniger zu tun als die alt Bundesrepublik. Nicht einmal die Hälfte ihres ehemaligen Gebietes wa preußisch.

Der Föderalismus in der verblassenden Bundesrepublik ist eine Fluch aus Preußen, zu der die westlichen Sieger gegen den Einspruch de Sowjetunion nicht harmlos einluden, die sie vielmehr verlangten. Durch ih erblühten die Heimaten, und mit ihnen gedieh die Heimatkunde. Au Deutschland wurden "deutsche Lande", die stillvergnügt ih Kleinleben genossen, das Preußen einst so mächtig verwirrte. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) riegelte zwar bald ihre Herrschaftsbereich entschlossen von der Bundesrepublik ab, paradoxerweise um auf die rigide Weise die Einheit Deutschlands im Zeichen de Sozialismus zu ermöglichen. Sie hatte anfänglich gar keine Angst vor de Nation und verharrte in den zentralistischen Traditionen der Weimare Republik. Wer seinem Abscheu vor ihr den schärfsten Ausdruck verleihe wollte, der nannte sie ein rotes Preußen.

Das "rote Preußen" brach zusammen, und es stellte sic heraus, daß es nur eine Einbildung war. Bundesrepublikaner zuckten verstör zurück. Sie verloren rasch die Freude an ihrer gutgemeinten Wortschöpfung die mehr sie als die Betroffenen irritierte, die, gar nicht undankbar wenigstens ein hilfloses Bemühen anerkannten, sich in unerwartete Situationen zurückzufinden.

Die ehemalige DDR, die sich gerade in ihre Bestandteile, die vor ihr d waren, auflöste, wurde gedankenlos als geschlossener Block rekonstruiert jetzt "Osten" oder "Ostdeutschland" genannt . De entspricht der "Westen" oder "Westdeutschland". Ost und West sind aber keine unschuldigen geographischen Bezeichnungen sondern eminent politische Begriffe aus der Zeit des Kalten Krieges un der ideologischen Konfrontation. Die Teilung war glücklich überwunden und sogleich wurde unüberlegt wieder getrennt, was doch zueinanderfinde wollte.

Die gedankenlose Wendung seit der Wende verdeckt die klassischen unsere Geschichte bestimmenden, auch heute weiterhin belebende Spannungen, nämlich die von Nord und Süd. Es gab immer nur das nieder und das obere Deutschland, verbunden durch das mittlere, das, als breite Band dazwischengelagert, in das eine und andere überging.

Seit dem zwölften Jahrhundert führte praktisch der Norden ei Sonderleben im Reich. Eine deutsche Querteilung lag immer in den Möglichkeite deutscher Geschichte. Die Mainlinie ist keine Fiktion süddeutsche Eigenbrötler. Sie ist eine Konstante in der deutschen Geschichte. Sie blieb im Deutschen Reich von 1871 erhalten. Sämtliche Oberdeutsche un die Österreicher schlossen sich noch ohne Zaudern dieser Gruppe an kannten kaum Norddeutsche, sondern nur Preußen, von der Memel bis Bon und Mainz. Ostdeutsche konnte es nicht geben, weil es nur Preußen gab und das lag in Deutschland, das damals bekanntlich nicht im Osten liege konnte, weil bei aller Freundschaft zum nördlichen Rußland kei Deutscher ein Osteuropäer sein wollte. In der östlichen deutschen Stadt solange es noch erlaubt war, Wien unbefangen so zu nennen, glaubte man, in Süden zu liegen. Wenn die Wiener schon keine Ostler sein wollen, die si auch gar nicht sind, warum dann die, von ihnen aus gesehen, im westliche Norden seßhaften Berliner für Ostmänner und -frauen erklären?

Es wäre viel vernünftiger, sich auf die deutschte Geschichte zu verlassen, sich auf sie einzulassen, statt eine politisierte Geographie zu verfestigen.

Nicht "Ossis" klagen und jammern, sonder "Nordlichter", die unsicher überlegen, wie sie ih verglimmendes Strahlen kräftigen können. Da die koordinierende preußisch Bürokratie fehlt, die früher ausgleichend in sehr verschiedene Provinzen eingriff, wäre es vernünftig, eine gemeinsame norddeutsch Solidarität zu entwickeln. Das setzte aber zuerst einmal voraus, sich au den Verstrickungen westöstlicher Einbildungen zu befreien.

 
     
     
 
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