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Michael Küchmeister v. Sternberg, Hochmeister 1414 von 1422 (Foto unten: Gemäldeausschnitt), kam durch eine Verschwörung gegen den amtierenden Hochmeister Heinrich v. Plauen an die Macht. Jener hatte als Retter der Marienburg nach der katastrophalen Niederlage in der Schlacht bei Tannenberg mit bewundernswerter Tatkraft dem Land wieder Hoffnung gegeben. Als er im Jahre 1413 durch einen Präventivschlag den andauernden Kriegs- und Raubzügen der Polen begegnen wollte, verweigerte ihm der Ordensmarschall Michael Küchmeister die Gefolgschaft und führte in seiner Abwesenheit das Ordensheer wieder über die Grenze zurück.
Küchmeister hatte bereits seit längerem mit einer Gruppe von Unzufriedenen den Widerstand gegen die politischen Reformen und gegen den autoritären Führungsstil des Hochmeisters betriebe n. Besonders fürchtete diese Gruppe von Ordensgebietigern, daß die Einbeziehung der preußischen Stände in das Herrschaftssystem ihre eigene Führungsrolle in der Landespolitik zu stark einschränken würde.
Letztlich gelang den Putschisten die Abwahl des Hochmeisters durch das Generalkapitel, der ohne Widerstand resignierte.
Bereits drei Monate danach wurde Michael Küchmeister v. Sternberg am 9. Januar 1414 zum Hochmeister gewählt. Obwohl er nun sein Ziel erreicht hatte, verfolgte er seinen Vorgänger mit fragwürdigen Beschuldigungen und ließ diesen verdienten Ordensmann für viele Jahre in Haft nehmen. Erst acht Jahre später beendete der nachfolgende Hochmeister dieses unwürdige Intrigenspiel.
Die Herkunft des neuen Hochmeisters, der um 1370 geboren wurde, ist nicht sicher überliefert, dürfte aber östlich der Elbe noch im meißnerischen oder schon im schlesischen Gebiet liegen. Den Geschlechternamen Küchmeister leitet man davon ab, daß Vorfahren im 13. Jahrhundert als Hofbeamte der Markgrafen von Meißen das Amt des Küchenmeisters innehatten. Der Namensteil v. Sternberg soll auf dem Erwerb des gleichnamigen Ortes in der Neumark beruhen. In Ostdeutschland war das Geschlecht seit der Ordenszeit auf dem großen Gut Grodtken, Kreis Neidenburg, ansässig, das durch das Versailler Diktat mit dem Soldauer Gebiet an Polen fiel. Letzter Namensträger war Leopold Graf Küchmeister v. Sternberg, dessen Tochter nach ihrer Heirat um 1830 den Geschlechternahmen als Beinamen weiterführte.
Nach seinem Eintritt in den Orden hatte Michael K. eine zunächst durchschnittliche Laufbahn als Pfleger von Rastenburg, als Vogt von Schamaiten und von der Neumark sowie als Großschäffer in Königsberg durchlaufen, bis ihm nach den großen Verlusten an Gebietigern in der Schlacht bei Tannenberg das Amt des Obersten Marschalls im November 1410 übertragen wurde. Er konnte es jedoch erst nach seiner Rückkehr aus polnischer Gefangenschaft antreten. Seinen Aufstieg zum Hochmeister verdankte er der einsetzenden Parteienbildung innerhalb des Ordens und den von ihm geschür- ten Intrigen.
In seiner Amtszeit als Vogt von Samaiten, das dem Orden 1398 im Vertrag von Sallinwerder zugefallen war, schien er eine positive Entwicklung erreicht zu haben, die allerdings bald durch von Polen angestiftete Aufstände in Frage gestellt wurde. Bereits im Ersten Thorner Frieden von 1411 fiel das Land auf Lebenszeit des polnischen Königs beziehungsweise des litauischen Großfürsten wieder in deren Besitz zurück. Im Frieden von Melnosee von 1420 wurde Samaiten endgültig Polen/Litauen zugesprochen.
Als Vogt der 1402 von Brandenburg erworbenen Neumark belagerte er die kleine Stadt Tütz, die das Zentrum der Grundherrschaft der Familie v. Wedell war. Um 1410 deckte er mit seinen Truppen die Flanke des Ordensheeres und sicherte den Zuzug von Söldnern aus dem Reich.
Nach dem Soldatentod des Marschalls Friedrich v. Wallenrod am 15. Juli 1410 in der Schlacht bei Tannenberg übernahm Sternberg diese militärische Spitzenstellung.
Trotz seiner unrühmlichen Meuterei bei dem Feldzug gegen Polen im Oktober 1413 konnte der Hochmeister vor dem Generalkapitel die Absetzung des intrigierenden Marschalls nicht durchsetzen. Vielmehr wurde Heinrich von Plauen selber zur Abdankung gezwungen, die er resigniert aussprach.
Trotz der Maxime "Frieden um jeden Preis" des neuen Hochmeisters fielen schon 1414, im Jahr seines Amtsantritts, polnische Truppen im sogenannten Hungerkrieg plündernd in Preußen ein. Sie besetzten Hohenstein, Allenstein und Guttstadt; nur Neidenburg konnte gehalten werden. Auf dem Schlachtfeld von Tannenberg zerstörten sie die zum Gedenken an die Gefallenen neu errichtete Marienkapelle.
Vergeblich richtete Hochmeister Michael Hilferufe an den deutschen König Siegmund, den Papst, den Deutschmeister und die Hanse. Aber von keiner Seite erhielt er Unterstützung. König Siegmund nötigte beide Parteien im Konstanzer Konzil zu einer schiedsgerichtlichen Einigung. Diese führte zu dem Waffenstillstand von Strasburg (Westpreußen) im Oktober 1414, der schließlich bis 1421 verlängert wurde.
Es gelang dem Hochmeister nicht, das Land zu befrieden und die Kriegsfolgen zu mildern. Die im Land verbliebenen polnischen Hauptleute störten durch ihre Willkürherrschaft und Repressionen den friedlichen Wiederaufbau.
Erste Friedensverhandlungen in Thorn im Jahre 1419 zeigten lediglich die Bereitschaft des Ordens zur endgültigen Abtretung Samaitens. Sie wurden 1420 in Breslau unter Teilnahme des deutschen Königs als Vermittler und Richter in frostiger Atmosphäre fortgeführt. An den Verhandlungen nahmen neben zwei römischen Legaten mehrere deutsche Fürsten teil. Im Auftrag König Wladislaw Jagiellos von Polen lehnte dessen Bevollmächtigter, Erzbischof Nicolaus von Gnesen, den Friedensvorschlag König Siegmunds brüsk ab.
Erst die Verhandlungen von Melnosee am 27. September 1422 führten endlich zu einem Friedensvertrag, der aber bereits vom nachfolgenden Hochmeister Paul v. Rusdorf abgeschlossen wurde. Neben den Gebietsabtretungen an der litauischen Grenze und im Land Nessau vollendete der Vertrag die durch den Küchmeisterschen Putsch eingeleitete Umwandlung des Ordenslandes in einen Ständestaat, die viel weiter ging als das ursprüngliche Vorhaben Heinrich v. Plauens. Insbesondere das vertraglich garantierte Widerstandsrecht der Stände durch Gehorsamsverweigerung bei "Friedensbruch" stellte einen äußerst problematischen Rechtszustand her. Durch die neue "Verfassung" wurde die europäische Bindung aufgegeben, so daß das Preußenland nunmehr ein ganz auf sich gestelltes Land war.
Am 10. März 1422 hatte Hochmeister Michael Küchmeister v. Sternberg krank und enttäuscht seinen Amtsverzicht erklärt. Er übernahm kurzzeitig die Komturei Mewe und lebte bis zu seinem Tode am 20. Dezember 1424 in der Ordensburg Danzig. Beigesetzt wurde er in der Hochmeistergruft unter der Kapelle der Marienburg.
Paul v. Rusdorf (1422-1441) wurde am 10. März 1422 vom Generalkapitel zum Hochmeister gewählt und löste den resignierten Vorgänger unmittelbar ab. Sein Amtsantritt fiel in eine turbulente Zeit voller ungelöster Probleme.
Polnische Streitkräfte waren erneut ins westliche Preußen eingefallen und konnten trotz geschickter Abwehr nicht ohne Hilfe der Verbündeten zurückgeworfen werden. Zwar hatte König Siegmund im Reichstag von Nürnberg von 1422 gemeinsam mit den deutschen Fürsten und dem Deutschmeister des Ordens Hilfe zugesagt, jedoch blieb letztlich jegliche Unterstützung aus. Selbst der Papst enttäuschte den Orden, als er den wegen des Kriegszugs nach Preußen gebannten König von Polen vom Bann lossprach.
Hochmeister Paul mußte in dieser Notlage den Vertrag von Melnosee am 27. September 1422 mit Gebietsverlusten in Samaiten, Litauen und Nessau annehmen, denn er hatte zu viele innenpolitische Probleme mit den Ständen, dem Deutschmeister und im ordensinternen Bereich.
Der neue Hochmeister stammte aus einem Ministerialengeschlecht, das seinen Sitz in Roisdorf bei Bonn am Rhein hatte. Der nach 1380 Geborene trat um 1410 in den Deutschen Orden ein. Er durchlief die Stationen der Laufbahn als Komtur beziehungsweise als Vogt zu Leipe/Papau, Tuchel und Mewe in den Jahren von 1413 bis 1416 und erreichte bereits 1416 verhältnismäßig früh die Stellung eines Großgebietigers als Oberster Treßler und als Großkomtur. Gleich nach seinem Amtsantritt befreite er den abgesetzten und verurteilten Hochmeister Heinrich v. Plauen aus der unwürdigen Haft in Brandenburg und wies ihm die Ordensburg Lochstädt als Alterssitz zu, wo dieser noch sieben ruhige Jahre bis zu seinem Tod verlebte.
Im Jahre 1427 wurde das Ordensland von einem großen Hochwasser der Weichsel, Memel und anderer Flüsse weiträumig überschwemmt. Im Gefolge traten Seuchen auf, die große Opfer in der Bevölkerung forderten. Im ganzen Land starben mehr als 10.000 Menschen. Innenpolitische Konflikte mit den Städten entstanden, als der Orden den gesamten Pfundzoll für sich beanspruchte, um die hohen polnischen Kontributionen bezahlen zu können. Diese waren auch ein Anlaß für Streitigkeiten mit dem Deutschmeister, der jede finanzielle Hilfe aus dem Bereich der ihm unterstehenden Balleien im Heiligen Reich verweigerte. Deutschmeister Eberhard von Saunsheim verunglimpfte den Hochmeister und warf ihm Verfehlungen gegen die Orselnschen Ordensstatuten vor, die dieser selber gefälscht hatte. Ein Vermittlungsversuch des Erzbischofs von Köln scheiterte. Tatsächlich aber wollte der Deutschmeister für sich und für den livländischen Landmeister die Eigenständigkeit erlangen. Er leitete aus den gefälschten Statuten sogar sein vorgebliches Aufsichtsrecht gegenüber dem Hochmeister ab. In dem langanhaltenden Streit standen sich beide Parteien mit ihren Rechtsauslegungen unversöhnlich gegenüber und erklärten sich gegenseitig für abgesetzt. Es gelang Eberhard v. Saunsheim sogar, daß die illegalen Statuten vom Konzil zu Basel und von Papst Felix V. bestätigt wurden. Am Ende erledigten sich die Probleme dadurch, daß das Generalkapitel eine Reform der Ordensregeln erließ und daß der Hochmeister verstarb.
Der Tod des litauischen Großfürsten Witowd im Jahre 1430 löste einen Streit zwischen Polen und Litauen aus, den der Deutsche Orden zu einem Angriff auf Litauen ausnutzte. Dieser mußte aber bald beendet werden, als Polen und Hussiten in die Neumark und nach Pommerellen einfielen und als die preußischen Stände zum Frieden drängten.
Im Jahr 1434 starb König Wladislaw Jagiello von Polen. Sein verständigungsbereiterer Nachfolger Wladislaw III. schloß mit dem Deutschen Orden den "ewigen Frieden" von Brest im Jahre 1435, allerdings mit der verhängnisvollen Klausel, daß die Untertanen beider Staaten für die Aufrechterhaltung des Friedens mitverantwortlich sein sollten. Dadurch entstand ein Aufsichts- und Mit- spracherecht der Stände auch in der Außenpolitik. Die Finanznot zwang den Hochmeister zur Wiedereinführung des Pfundzolls, der zum Hauptstreitpunkt mit den preußischen Ständen wurde. Diese hatten sich am 14. März 1440 in Marienwerder mit 19 Städten und dem kulmischen Landadel zum "Bund vor Gewalt" zusammengeschlossen, der bald als "Preußischer Bund" in Gegnerschaft zum Deutschen Orden geriet. Der Hochmeister lehnte es ab, dessen Bundessatzung zu genehmigen, denn es bedurfte seiner Meinung nach dieses Bundes nicht.
Innerhalb des Ordens kam es zu Parteibildungen zwischen Oberdeutschen und Niederdeutschen. Die angebliche Parteinahme des Hochmeisters führte zu einer Auflehnung der niederdeutschen Konvente von Königsberg, Balga und Brandenburg. Die Aufrührer nahmen Kontakt zum Deutsch-meister auf, der den Hochmeister absetzen wollte. Uneinigkeit und Verwirrung hatten ihren Höhepunkt erreicht. Angesichts dieser für ihn nicht mehr beherrschbaren Lage legte Paul v. Rusdorf am 2. Januar 1441 zermürbt und krank sein Amt nieder. Er starb nur wenige Tage später am 9. Januar 1441. Seine letzte Ruhestätte fand er neben vielen seiner Vorgänger in der St. Annen-Gruft der Marienbur |
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