A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Nato und WEU ringen um Albanien

 
     
 
Der "Pyramiden"-Betrug an großen Teilen der Bevölkerung ließ Albanien im Frühjahr 1997 in Gewalt und Anarchie versinken. Mehr als ein Jahr danach hat sich das Balkanland kaum von dem Aufstand erholt. Es stehe auf der Kippe zwischen Rückfall in dunkle Zeiten und Integration in das moderne Europa, beschreibt OSZE-Botschafter Daan Everts in Tirana die Lage.

Der Zusammenbruch mafiaartiger Kapitalanlagegesellschaften, die mit Hilfe korrupte
r Politiker und dubioser Pyramidensparmodelle vielen Albanern sämtliche Ersparnisse raubten, provozierte 1997 einen Aufstand, der zum Ende jeglicher staatlicher Ordnung führte. Polizisten und Soldaten desertierten scharenweise. Ihre Waffen und Ausrüstungen verschwanden auf den Schwarzmärkten des Balkans oder landeten bei der albanischen "Kosovo-Befreiungsarmee" UCK.

Mit einem eher symbolhaften Aufwand von 1700 Soldaten will die NATO mit ihrem einwöchigen Manöver demonstrieren, daß sie das strategisch wichtige Land nicht sich selbst überläßt. Denn die albanische Armee besteht eigentlich nicht mehr. Von einstmals 40 000 Mann sind knapp 5000 übriggeblieben.

Für die Nato käme eine Niederlage der unberechenbaren Kosovo-Befreiungsarmee UCK gegen die serbischen Polizei- und Armeeverbände nicht ungelegen. Die Feindseligkeiten in der serbischen Provinz, deren Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Jugoslawien nie in Frage gestellt wurde, könnten abflauen und Milosevic zu Verhandlungen bereit sein. Die Gefahr eines Übergreifens von Kampfhandlungen auf die jugoslawische Teilrepublik Montenegro oder auf Mazedonien wäre geringer. Die eher symbolische Nato-Präsenz in Albanien sollte denn auch demonstrieren, daß der Allianz an Stabilität in der Region statt an Intervention gelegen ist. Paolo Tonigutti, Chef des ständigen NATO-Büros der "Partnerschaft für den Frieden" in Tirana, berichtet, daß die albanische Regierung nicht einmal das Flugbenzin für ihre wenigen Kampfflugzeuge bezahlen konnte, die sich am Manöver beteiligten. Ausgerechnet der Italiener und eine Handvoll Militärexperten sollen, wenn die NATO-Maschinerie wieder abgezogen ist, die Skipetarentruppe wieder aufbauen und motivieren.

Als größte Bedrohung sieht Tonigutti dabei nicht den Kosovo-Konflikt. Im Land verteilt sind mehr als 30 000 Tonnen Munition und Sprengstoffe. Bevor die Wachmannschaften 1997 vor dem "anrückenden Mob" flohen, hätten sie die Depots rundum vermint, ohne Lagepläne anzufertigen, erklärt der Italiener. Nach der einstigen Hodscha-Doktrin von der Selbstverteidigung des Volkes waren Bunker und Depots dicht an Wohngebiete gesetzt worden. Niemand traut sich jetzt an die 300 Munitionslager heran.

"Dies ist ein Land ohne Gesetz und Ordnung", sagt auch der deutsche Polizeidirektor Günther Nehring, der mit Beamten aus Bundesgrenzschutz und Länder-Polizeien versucht, Ordnungshüter auszubilden. Nehring und seine Leute gehören zu einem Kontingent der Westeuropäischen Union, die seit vergangenem Jahr Albaner ausbilden. Auf dem Stundenplan der WEU-Polizeiakademie stehen Grenzkontrolle, Verkehrsregelung, Kriminaltechnik .

Der Chef der WEU-Truppe, der französische Gendarmerieoberst Alain Lebrout, ist Optimist. Irgend etwas werde schon hängenbleiben. Ein Wandel der Mentalität brauche eben seine Zeit. "Es ist schwer, einen albanischen Kollegen zum Verkehrspolizisten auszubilden, wenn es hier nicht einmal Verkehrsregeln und Gesetze gibt und schon 14jährige ohne weiteres einen Führerschein bekommen", meint ein deutscher Beamter. Aber auch die Anarchie läßt sich verkaufen. Als wäre das Chaos bereits Geschichte, bietet der Souvenirladen der Hotels in Tirana für versprengte Diplomaten, NATO-Militärs oder verirrte Touristen eine passende Auswahl: Hübsche Postkarten von kleinen Bunkern oder Mützen in verschiedenen Größen mit dem Emblem der UCK. A. V.

 

 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Opferzahl weiter nach unten korrigiert

Erpresser mit Schulterklappen

Jugend in Mitteldeutschland Eine Generation wird betrogen

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv