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Nebenjob-Affäre: Herr Kaiser von der Bundeswehr

 
     
 
Soldaten machen Kasse. Nicht in ihrem eigentlichen Beruf, sondern als Berater im Finanz- und Versicherungssektor. Dies ist nicht neu, doch erst jetzt scheint die Bundeswehrführung aufgewacht zu sein. Denn der wirtschaftliche Schaden für die Bundeswehr wird schon jetzt auf mehr als zehn Millionen Euro jährlich geschätzt. Allein an der Bundeswehruniversität in Hamburg sollen etwa 200 der 1.800 studierenden Soldaten ihren Sold durch eine lukrative Nebentätigkeit aufbessern. Solche Nebentätigkeiten sind jedoch meldepflichtig, selbst wenn der Soldat weniger als acht Stunden pro Woche dafür aufwendet und dabei nicht mehr als 100 Euro hinzuverdient. Liegt er darüber, muß die Nebentätigkeit sogar eigens genehmigt werden.

Doch kaum einer hält sich an diese Regeln. Denn Sanktionen mußten bisher kaum befürchtet werden. Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Gegen über 100 Soldaten sind bereits Disziplin
arverfahren anhängig, die teilweise bis vor das Truppendienstgericht gehen.

Nach Angaben der Bundeswehr hat die Zunahme der Nebentätigkeiten im studentischen Bereich besorgniserregende Folgen. Danach sind bereits 32 Studienabbrüche und 18 Anträge auf Überschreitung und Rückstufung der Studiendauer auf eine Nebentätigkeit zurückzuführen. Doch auch vor unwürdigen Tricks wird nicht zurückgeschreckt. So sollen elf Offiziere versucht haben, mit Hilfe der psychiatrischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses ihre vorzeitige Entlassung aus den Streitkräften zu erreichen.

Daß gerade Soldaten, die an der Bundeswehr-Universität studieren, ihren Sold durch eine Nebentätigkeit aufbessern, ist kein Zufall. Denn die Studenten genießen hier große Freiheiten, die sie oftmals vergessen lassen, daß sie Soldaten sind. Dies ist einerseits gewollt, um die Durchführung des Studiums nicht durch militärische Zwänge zu behindern und eine Atmosphäre geistiger Freiheit zu gewährleisten, andererseits wird damit auch einer gewissen Disziplinlosigkeit Vorschub geleistet, wie nicht bloß notorische Nörgler einwenden.

Die Soldaten-Studenten sind gerade für Finanzdienstleistungsunternehmen ein willkommenes Potential freier Mitarbeiter. Mit zum Teil aggressiven Methoden werden sie angeworben. Ihnen bieten allein ihr Ansehen als Offiziere und der Zugang zu einem großen Kameradenkreis als potentielle Kunden die Möglichkeit zur Ausübung einer lukrativen Nebentätigkeit.

Kein Wunder, daß so mancher lieber Geld verdient als zu büffeln. Für einige schallt der Lock-ruf des Geldes sogar so laut, daß sie die Streitkräfte möglichst schnell verlassen wollen. Das ist aber nicht so einfach, denn die Bundeswehr kostet jeder Student 1,5 Millionen Euro, die sie natürlich nicht in den Wind schreiben kann.

Die jüngsten Enthüllungen werfen ein grelles Licht auf die akademische Komponente der Offiziersausbildung. Die jetzt ins Gerede gekommene Bundeswehruniversität Hamburg wurde 1972 gegründet. Sie dient der wissenschaftlichen Qualifizierung von Offiziersanwärtern und Offizieren, deren akademisches Studium Teil ihrer Offiziersausbildung ist. Damit soll die Qualifikation des Offiziers angesichts immer vielgestaltiger werdender Anforderungen im militärischen Bereich auf eine wis- senschaftliche Grundlage mit einem zivil anerkannten Hochschulabschluß gestellt werden. Zugleich wollten die Initiatoren vor 30 Jahren auch die Attraktivität des Offiziersberufs und die Chancen für den Einstieg in einen Zivilberuf nach dem Dienst- zeitende erhöhen.

Die Voraussetzungen für ein Studium sind das Abitur, eine Verpflichtung über eine Dienstzeit von mindestens zwölf Jahren und die bestandene Offiziersprüfung. Innerhalb der vier Fachbereiche Elektrotechnik, Maschinenbau, Pädagogik sowie Wirt- schafts- und Organisationswissenschaften gibt es die Diplomstudiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau, Wirtschaftsinge- nieurwesen, Pädagogik, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft sowie den Magisterstudiengang Geschichtswissenschaft.

Die Studenten aller Fachbereiche müssen zusätzlich erziehungs-, gesellschafts-, technik- und wirtschaftswissenschaftliche Anteile als Wahlfach belegen. Damit soll den Anforderungen des Offiziersberufs in besonderer Weise Rechnung getragen werden. Denn die Bundeswehruniversität soll nicht nur den Spezialisten, sondern auch den interdisziplinär ausgebildeten Fachmann hervorbringen, der in der Lage ist, über die Grenzen seines Studienfaches hinauszublicken. Die Studieninhalte und die Prüfungsordnungen sind denen der Hamburger Landesuniversität angeglichen.

An der Bundeswehruniversität ist das Studienjahr in Trimester eingeteilt. In den dreimonatigen Trimesterferien werden Praktika gemacht und der Jahresurlaub genommen. Es gilt eine Regelstudienzeit von drei Jahren und drei Monaten (zehn Trimester). Mit eventuell erforderlichen Wiederholungsprüfungen darf die Gesamtstudiendauer vier Jahre nicht überschreiten. Um ein zügiges Studium zu gewährleisten, beziehen die Studenten ihr festes Gehalt entsprechend ihrem Dienstgrad und werden auch befördert. Sie genießen zudem die für Soldaten gewährten Vorzüge wie freie Heilfürsorge und dienstliche Unterkunft.

Die personelle und materielle Ausstattung der Bundeswehruniversität ist vorbildlich. Die Studenten werden durch etwa 100 zivile Professoren und 300 Wissenschaftliche Assistenten und Mitarbeiter, Hilfskräfte und Angestellte betreut. Neben dem wissenschaftlichen Personal sind rund 200 Angestellte, Arbeiter und Auszubildende beschäftigt. Hinzu kommen noch einmal 160 Beamte und Angestellte der Zentralen Universitätsverwaltung. Für die medizinische Versorgung steht ein eigener Sanitätsbereich mit Zahnstation zur Verfügung.

Es gibt auch einen militärischen Bereich, den sogenannten Studentenbereich. Er wird von einem Offizier geleitet, der gleichzeitig höchster militärischer Vorgesetzter aller Soldaten und studierenden Offiziere und Offizieranwärter ist. Sein Stab besteht aus etwa 40 Soldaten. Hinzu kommen noch etwa 30 Offiziere und Portepee-unteroffiziere, welche die Studenten in Studentenfachbereichen und Gruppen betreuen und ihnen militärisch direkt vorgesetzt sind. Trotzdem erinnert auf dem Campus der Bundeswehruniversität kaum etwas daran, daß man sich hier beim Militär befindet. Uniform tragen die Studenten nur im Ausnahmefall, und der Umgangston ist in jeder Hinsicht zivil. Die Studienbedingungen übertreffen die der zivilen Universitäten bei weitem. Die Hochschule ist nach dem Vorbild amerikanischer Campus-Universi- täten konzipiert. Das bedeutet, daß die Studenten hier nicht nur ihre Lehrveranstaltungen besuchen und ihren Forschungen nachgehen, sondern daß sie auch auf dem Gelände wohnen.

Die Seminarräume, Vorlesungssäle, Labore und Bibliotheken sind modern und funktionell ausgestattet. Computer und ein EDV-gestützter Bibliothekskatalog gehörten hier schon zum Stu- dienalltag, als an der Landesuniversität noch mit Uraltschreibmaschinen und Karteikarten gearbeitet wurde. Auch die Unterkünfte sind komfortabel und haben mit Kasernenstuben nichts gemein. In allen Studiengängen wird nach dem Kleingruppenkonzept in Seminaren mit maximal 25 Mann studiert, wodurch das Lernen und die Förderung der einzelnen Studenten erleichtert wird.

Von solchen Studienbedingungen bei gleichzeitiger vollkommener wirtschaftlicher Absicherung können die Studenten der zivilen Massenuniversitäten nur träumen. Der Preis, den die Soldaten für dieses Privileg zahlen müssen, ist die mindestens zwölfjährige Verpflichtung. Diesen Preis aber will so mancher nur noch ungern zahlen, wenn er erst einmal sein Diplom in der Tasche hat. So fällt vielen der Absolventen der Wiedereinstieg in den harten Truppenalltag schwer. Hinzu kommt, daß die Bundeswehr ihnen nur selten einen Dienstposten anbieten kann, bei dem sie das während des Studiums Erlernte anwenden können.

Wer sich allzulaut dar-über beschwert, muß sich allerdings vorhalten lassen, daß er als Soldat und nicht als Akademiker eingestellt wurde. Bei der Truppe sind nun einmal vordringlich militärische Kenntnisse gefragt. So fühlt sich mancher der studierten Offiziere unterfordert. Um dies seelisch auszugleichen, neigen manche von ihnen dazu, ihren Hochschulabschluß im dienstlichen Verkehr überzubetonen. Eine weitere Kompensation bietet der schnöde Mammon. Da ist ein lukrativer Nebenverdienst, der zudem noch eine berufliche Perspektive für die Zeit nach dem Dienstzeitende bietet, natürlich verlockend.

Auf die Entlassung nach dem regulären Ablauf der Verpflichtungszeit freilich wollen manche nicht mehr warten, so daß sie ihr vorzeitiges Ausscheiden betreiben. Wem das nicht gelingt, der versieht seinen Dienst dann meist nicht mehr so, wie seine Vorgesetzten es von ihm erwarten und wofür er von seinem Dienstherrn bezahlt wird. Solche Erscheinungen haben natürlich höchst negative Auswirkungen auf das militärische Betriebsklima.

Zweifellos hat sich das Studium für Offiziere vom Grundsatz her bewährt. Wer beispielsweise als Kompaniechef eine Personal- und Materialverantwortung wie der Leiter eines mittelständischen Unternehmens zu tragen hat, sollte auch über eine Ausbildung verfügen, die einer entsprechenden Position in der Privatwirtschaft vergleichbar ist. Und die Offiziere der Bun-deswehr sind sicherlich nicht schlechter als zivile Führungskräfte auf vergleichbaren Ebenen.

Durch ein Hochschulexamen wird überdies die Gleichwertigkeit des Offiziersberufs mit dem zivilen Management unterstrichen. Anders als noch vor wenigen Jahren kokettiert die Bundeswehr deshalb auch gern mit ihrem zu einem großen Teil akademisch geschulten Offizierskorps. Kritiker überlegen allerdings (nicht seit der „Neben- verdienst-Affäre“), ob die Vielfalt der Studienfächer wirklich sein muß und ob es nicht sinnvoller wäre, das Angebot auf Kernfächer zu beschränken, deren Inhalte im militärischen Alltag direkt anwendbar wären.

Trotz der im großen und ganzen positiven Bilanz des militärischen Hochschulstudiums sieht sich mancher Beobachter genötigt festzustellen, daß die Bundeswehr bei der Auswahl ihres Offiziersnachwuchses offensichtlich Fehler gemacht und die Zügel an der Bundeswehruniversität zu locker gelassen habe. Jetzt gelte es, diese Fehler schnellstens und entschlossen zu korrigieren. Grund der Besorgnis: Das Problem greift bereits auf die Offiziers- und Truppenschulen über. Dabei ist der entstandene volkswirtschaftliche Schaden schon jetzt immens.

 

Die umstrittenen Nebentätigkeiten haben bereits 32 Studienabbrüche und etliche Überschreitungen der Examensfristen verursacht: In Hamburg (Foto) und in München unterhalten die Streitkräfte seit 1972 mit großem Aufwand eigene Universitäten
 
     
     
 
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