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Neue Bedrohung aus Asien?

 
     
 
Der Ostblock ist tot, es lebe der Ostblock! So, oder so ähnlich sieht die Horrorvision der Nato-Strategen aus. Und zumindest eine anverwandte Variante der Horrorversion scheint unter dem Namen „Shanghai Cooperation Organization“ (SCO), als „Shanghai Fünf“ gegründet, 2001 ins Leben gerufen worden zu sein. Ein sino-russisches Militär-Manöver bei Wladiwostok und der chinesischen Halbinsel Shandong mit 10000 beteiligten Soldaten und 140 Kriegsschiffe
n im August des Vorjahres bildet den passenden Hintergrund für Konfliktszenarien.

Die SCO basiert auf einem 1996 in Shanghai unterzeichneten „Vertrag über die Vertiefung des militärischen Vertrauens in Grenzregionen“ und einem weiteren Vertrag über die Reduzierung von Truppen in Grenzregionen. Heute gehören der Organisation China, Rußland, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan als SCO-Gründer sowie das später beigetretene Usbekistan an.

Indien, Pakistan, die Mongolei und der Iran haben einen Beobachterstatus.

Sollte sich das Vertrauensbündnis, das offiziell innerasiatische Krisen lösen und den grenzüberschreitenden Terrorismus in die Schranken weisen soll, zu einem echten Bündnis für gemeinsame Sicherheitspolitik auf der asiatischen Kontinentalplatte verfestigen, dann werden zumindest die energiehungrigen USA ein neues Gegengewicht in der Welt haben. Konfliktstoff wäre vorhanden, denn das SCO-Einflußgebiet ist reich an fossilen Ressourcen.

Für die Möglichkeit einer solchen Entwicklung spräche die Auflösung des russisch-chinesischen Gegensatzes. China, der erwachende Drache, hat in Usbekistan gerade eine viertel Milliarde US-Dollar umfassende Investition getätigt, um seinen Energiebedarf zu sichern. Der Iran, Beobachter des Bündnisses, hat, unterstützt von SCO-Mitglied Kirgisien, einen Aufnahmeantrag gestellt. Ein Förderer des Terrorismus in der Anti-Terror-Allianz?

Sollte der erdöltriefende, unsichere Kantonist des Nahen Ostens tatsächlich in das Shanghai-Bündnis eintreten, liegt der Westen mit seiner Bezeichnung „Anti-Nato“ gar nicht so falsch. Sollte zudem der Iran das ressourcenarme China durch Energieversorgungsverträge an sich binden können, dann genügte in der Tat ein Steinwurf von Teheran in Richtung Tel Aviv, um die Welt ins Wanken zu bringen. Ein Horrorszenario!

Doch noch ist es nicht so weit! China und Rußland möchten eigentlich keine Erweiterung der Allianz. Lediglich Indien ist von der SCO offiziell zum Beitritt ermutigt worden.

Darüber hinaus stehen wesentliche nationale Interessen der Partner nicht im Einklang. Die asiatischen Großmächte sind noch weit davon entfernt, eine militärisch einheitliche Sprache zu sprechen. Auch dürfte es Moskau wenig behagen, daß der Einfluß Pekings auf die von der russischen Hauptstadt weit entfernt liegenden russischen Provinzen im Osten wächst. Immerhin, Separatismus ist im Flächenstaat Rußland kein Fremdwort. Ein Spagat zwischen West und Ost könnte die innenpolitische Stabilität Rußlands, dessen Kitt den Namen Wladimir Putin trägt, gefährden. Und der garantiert naturgemäß nur eine begrenzte Haltbarkeit.

Rußland sitzt zudem derzeit dem Ministerkomitee des Europarates vor, und hier werden die Menschenrechte groß geschrieben. Schon jetzt muß Moskau sich von der aus Straßburg berichtenden Presse anhören lassen, man habe „den Bock zum Gärtner“ gemacht.

Ein Vergleich der SCO mit den Europäischen Gemeinschaften liegt nahe. Dies, zumal Putin als Reaktion auf einen Vorstoß des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad die Gründung eines „Energieclubs der SCO“ als aktuell bezeichnet.

Der Zweck, durch Integration kriegswichtiger Wirtschaftsfaktoren den Frieden auf dem Kontinent zu sichern und alte Gegensätze zu überwinden, mag auf dem asiatischen Kontinent sinnvoll und geboten sein. Man darf bei einem Vergleich von EG und SCO jedoch nicht übersehen, daß die Gegensätze und Interessenlagen der europäischen Großmächte bis 1945 klar umrissen waren. Freund und Feind waren als solche erkennbar und dem entsprechende Zweckbündnisse schnell geschlossen. Diese Klarheit fehlt im Einflußgebiet der SCO heute. Kriege werden kaum noch zwischen Nationen geführt, sondern eher zwischen einer Staatengemeinschaft und im Untergrund wirkenden Terrorkräften. Religiös motivierter Terrorismus, privatwirtschaftliche Motive von sogenannten War Lords, aber auch die Interessen global agierender Wirtschaftsunternehmen verlaufen quer zu den klassischen Sicherheitsinteressen der beteiligten Staaten. Eine allzu freundliche Politik gegenüber dem Iran und seiner nuklearen Geheimniskrämerei dürfte die Beziehungen Moskaus zu den europäischen Partnern deutlich belasten.

Nein, die SCO scheint auf längere Sicht weiterhin ein Zweckbündnis im kleineren Rahmen zu bleiben. Man habe jetzt „effektive Hebel zur gemeinsamen Bekämpfung der drei Bösen: des Terrorismus, des Separatismus und des Extremismus“, bestätigte denn auch Putin in diesen Tagen noch einmal den aktuellen Auftrag des Bündnisses in der russischen Zeitung „Rossijskaja Gaseta“.

Selbst gemeinsame militärische Übungen der SCO-Staaten täuschen nicht über den fehlenden Einklang klassischer nationaler Sicherheitsinteressen im Sinne von „Staat-schützt-sich-vor-Nachbarstaat“ hinweg. Chinas Militär wird weitgehend von der russischen Waffenindustrie versorgt und die gemeinsame Waffenschau im Japanischen Meer vom August des Vorjahres machte auf Beobachter eher den Eindruck einer Werbeveranstaltung für russische Bomber. Auch wenn es in zehn Jahren anders aussehen mag, der neue Ostblock ist vielleicht geboren, aber um laufen zu können muß das Kind noch viele Gleichgewichtsprobleme überwinden. Im Augenblick kämpft das Kind tatsächlich nur gegen die Infektionen der kleinen Terrorzellen.

Konkurrenz für die USA? Irans Präsident sucht die Nähe zu den „Shanghai Fünf“.
 
     
     
 
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