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Wie sich die Bilder gleichen, könnte man sagen: Eine Woche nachdem Rekrutenmißhandlungen bei der Bundeswehr an die Öffentlichkeit drangen und für große Aufregung sorgten, werden ganz ähnliche Vorkommnisse beim österreichischen Bundesheer auf-gedeckt - mit simulierter Geiselnahme, mit Kapuzen über dem Kopf und so weiter. Und wieder einmal zeigt sich, wie doppelbödig - oder sagen wir besser, wie "vielschichtig" eine solche Angelegenheit ist.
Denn das Bundesheer ist und war es auch von Anfang an extrem unterfinanziert - unabhängig von der Regierungszusammensetzung und trotz einer "bewaffneten Neutral ität nach Schweizer Muster", wie sie von der politischen Führung einst erklärt wurde. Wider besseres militärisches Wissen fügte sich auch die österreichische militärische Führung stets den politischen Vorgaben. (Ist es übrigens nicht genau das, was man den deutschen Generälen der Wehrmacht immer vorwirft?) Und so wurden und werden Wehrpflichtige mit meist unzulänglichen Mitteln auf einen Ernstfall vorbereitet, den es, wie die politische Führung augenzwinkernd vermittelt, ohnehin nicht geben werde.
Daß es trotz aller Beschränkungen, trotz aller antimilitaristischen Propaganda und trotz eines Dienstbetriebs, der mit politisch diktierten, aber militärisch kontraproduktiven Vorschriften überfrachtet ist, noch so viele pflichtbewußte Kader und Soldaten gibt, grenzt an ein Wunder.
Bei den Krisen 1956 (Ungarn), 1968 (Tschechoslowakei) und 1990 / 91 (Jugoslawien) war die Politik auch recht froh, daß es ein Bundesheer gab. Und sie schmückt sich immer gerne mit den "friedenserhaltenden Einsätzen" für die Uno, bei denen das Bundesheer seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt wird, allerdings nicht mit Grundwehrdienstleistenden.
Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 90er Jahre ist auch dem österreichischen Bundesheer das Feindbild abhanden gekommen - das inoffizielle, denn offiziell war man ja neutral. Ob als Ersatz oder auf Druck "von außen" wird über neuartige Auslandseinsätze nachgedacht - und umgerüstet: Der Zukauf von Eurofightern und Radpanzern sind hierfür ziemlich sichtbare Zeichen.
Der "Kampf gegen den Terror" spukt eben in den Köpfen herum. Ist es da erstaunlich, daß Ausbilder auf mancherlei Ideen kommen, die stillschweigend geduldet werden - aber von denen sich die Führung "im Ernstfall" distanziert? Natürlich mag man sich fragen, ob ein Wehrpflichtiger auf eine Geiselnahme vorbereitet werden soll. Doch was der umerzogenen Öffentlichkeit nicht bewußt ist: Ziel einer ernstzunehmenden Ausbildung ist eben nicht bloß die Handhabung von Waffen, sondern auch das Überstehen außergewöhnlicher physischer und psychischer Belastungen.
Wehrpflichtige werden seit Jahren zur Überwachung der österreichischen Ostgrenze eingesetzt - nicht etwa gegen Angreifer, sondern gegen illegale Einwanderer, die massenhaft von Schleppern an der Staatsgrenze abgesetzt werden. Der vor allem nächtliche Dienst ist für die Grundwehrdiestleistenden eine enorme Belastung, und auch dabei kommt es zu Zwischenfällen, denen nicht jeder gewachsen ist.
Das Bundesheer als Nothelfer für ein überfordertes Innenministerium - das läßt man sich gerne gefallen, "nur passieren darf halt nix". Prof. Dr. Küssner
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