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Die Zeit ist reif dafür, daß sich die Staaten, die der Europäischen Union (EU) angehören, endlich entscheiden: Soll diese EU ein Kontinent der demokratischen Nationalstaaten sein, wie es einst die Vision des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle verlangte, als er sein "Europa der Vaterländer " vorschlug, oder soll sich die EU zu einem Bundesstaat mit einer eigenen Verfassung konstituieren, das heißt als Beweis und mit dem Zeichen von eigener staatlicher Macht und Würde - bis hin zum eigenen Außenminister, der beides weltweit darstellt und verkündet.
Rechtzeitig zu dieser Entscheidung hat sich Altbundespräsident Roman Herzog, Mitglied des Kuratoriums des "Centrums für Europäische Politik" (CEP), gemeinsam mit dem Direktor dieses wissenschaftlichen Kompetenzzentrums Lüder Gerken gegen die Einführung der vorgesehenen EU-Verfassung ausgesprochen. Herzog, der von 1982 bis 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht, zuletzt als dessen Präsident, war, stellte fest: "Der Verfassungsvertrag schreibt letztlich die widersprüchlichen und intransparenten Strukturen der EU fort, die maßgeblich für die Probleme verantwortlich sind, vor denen wir heute stehen."
Eine Politik des "Weiter so" führe zu einer weiteren Erosion des europäischen Integrationsprozesses.
Herzog sagt: "Es stellt sich die Frage, ob man die Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch uneingeschränkt als eine parlamentarische Demokratie bezeichnen kann." Hauptproblem der EU sei der "Mangel an Demokratie und Gewaltenteilung sowie die sachwidrige Zentralisierung". Über den weitaus größten Teil der in Deutschland geltenden Gesetze beschließe, über den Ministerrat der EU, die Bundesregierung und nicht der Bundestag. 84 Prozent der im Zeitraum von 1998 bis 2004 in Berlin verabschiedeten Gesetze stammten aus Brüssel und nur 16 Prozent originär aus Deutschland, stellt Herzog fest.
Die Praxis bestehe in einer Art "Spiel über die Bande": Dabei regen nationale Fachminister auf EU-Ebene ein Vorhaben an, das sie im eigenen Heimatland nicht durchsetzen können. Im Regelfall stimmen sie dann selbst im Ministerrat der EU über das von ihnen selbst angeregte Vorhaben ab. Das nationale Parlament aber sei dann an den Beschluß des Rates gebunden. Außerdem würden im EU-Ministerrat bestimmte Gesetzesvorhaben "gebündelt", die im einzelnen verhandelt, keine Mehrheit finden würden - so aber werden sie "geschluckt".
Herzog kritisiert, daß die Verfassung keinen abschließenden Katalog der EU-Zuständigkeiten vorsieht und durch die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen eine Verstärkung der Zentralisierung bewirke. Auch solle es keine Möglichkeit geben, der EU Zuständigkeiten zu entziehen.
Schließlich fordert Herzog einen "Europäischen Gerichtshof für Kompetenzfragen", weil der bestehende Europäische Gerichtshof nachweislich dazu neige, in Kompetenzfragen im Zweifel eine Zuständigkeit der EU zu bejahen.
Die Mitte Januar 2007 abgegebene Erklärung des hochgeachteten Altbundespräsidenten hätte in der deutschen Politik großes Aufsehen erregen müssen. Doch das Echo der Politik in Brüssel und Berlin sowie in den sonst leicht aufzuregenden deutschen Medien blieb aus. Statt dessen soll mit phrasenhaftem Eifer die von den Franzosen und Niederländern in Volksabstimmungen abgelehnte Verfassung "revitalisiert" und durchgesetzt werden, mit Camouflage und Schönfärberei aus der politischen Trickkiste.
Scheinbar alles wissend wird in der Tageszeitung "Die Welt" verkündet, die "Chancen für die Europäische Verfassung stehen sehr gut" und jetzt sei nicht die Stunde fleißiger deutscher Verfassungsjuristen und pedantischer Verfassungsexegeten, die möglichst nahe am vorgelegten Text arbeiten wollen. Dies sei die Stunde der "Klugheit, der kühlen Taktiker und der Kommunikatoren, die mit allen reden ..." Also müsse die Bezeichnung "Verfassung" geändert werden, vielleicht nenne man das Ganze besser "Vertrag von Warschau" - oder auch "Vertrag von Kopenhagen". Das Paragraphengestrüpp solle von 400 auf 20 Seiten gekürzt werden. Das hätte den Vorteil, daß der Vertrag den Skeptikern gegenüber "neu" erscheine, "in der Substanz aber gleich bliebe".
Hauptsache sei, daß die "institutionellen Neuerungen" erhalten blieben, wozu - natürlich - der "Europäische Außenminister" gehöre. Das ganze Gepäck der bisherigen Vertragsregelungen könne gestrichen werden - weil es ja ohnehin gültiges Recht sei.
Die bürokratische Brüsseler Umverteilungsmaschinerie handelt wieder einmal nach der bekannten "Methode Juncker" des luxemburgischen EU-Profiteurs, der einmal feststellte: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt - bis es kein Zurück mehr gibt." Gegen diese Kaltschnäuzigkeit gilt es aufzustehen: Altbundespräsident Herzog h |
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