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Zwei Schwesterparteien - zwei anscheinend unvereinbare Standpunkte. Selten waren sich CDU und CSU so uneinig wie derzeit zum Thema Gesundheit. Im Streit zwischen Kopfpauschale (CDU) und Stufenmodell (CSU) kulminieren Machtfragen und die offenbar schwierige Aufgabe, die soziale Marktwirtschaft neu zu definieren. Das Gesundheitssystem muß verändert werden, soviel steht fest. SPD und Grüne wollen eine "Bürgerversicherung", in die alle Berufsgruppen einzahlen, quasi die Einheitsversicherung. Die CDU stützt sich auf das Konzept des Sozialexperten Bert Rürup, die sogenannte Kopfpauschale, die durch individuelle Zuschüsse gemildert, also für Geringverdiener reduziert werden soll. Die CSU fürchtet die Pauschale als kaum vorhersehbare Kostenmaschinerie. Statt auf einen Kompromiß zwischen den beiden christlichen Parteien läuft es derzeit auf eine Versteifung auf unterschiedliche Positionen hinaus: Ein Angebot der CDU, daß die Kopfpauschale nicht mehr als 12,5 Prozent des Einkommens betragen soll, wird von der CSU abgelehnt. Auch die von Angela Merkel vorgeschlagene Kopplung des CDU-Gesundheitsmodells an die von der Partei anvisierte Steuerreform stört die CSU. Die will die geplante Steuerreform nicht verwässert sehen. Besonders CSU-Sozialexperte Horst Seehofer macht keinen Hehl aus seiner Ablehnung - zieht er sich ähnlich Friedrich Merz zurück, könnte der um sich greifende Frust das Ende der Ära Merkel einläuten. Bereits jetzt hat die Debatte um die Krankenversicherungsbeiträge Folgen - unerwartet hart traf der freundlich betriebene Rückzug des Finanzexperten Merz seine Chefin. Ein Rätselraten um Intrigen gegen Merkel ergreift seither die CDU. Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Chef Eckhardt Rehberg sagte im NDR, Konflikte über die Gesundheitspolitik seien zur Machtfrage hochstilisiert worden. Auch der Rückzug von Friedrich Merz sei kein Zufall. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach dementierte sofort, doch mit jedem Tag des Streits sinken Umfragewerte wie Glaubwürdigkeit der CDU. Die CSU bietet sich als die sozialere Alternative an, doch auch ihr Stufenmodell weist Probleme auf. Gehaltserhöhungen führen bei Arbeitnehmern zu höheren Kassenbeiträgen und können zu niedrigerem Nettolohn führen - das bisherige Stufenmodell an sich ist schwer durchschaubar. So komplex die konservativen Entwürfe sein mögen, so sehr offenbaren sie grundlegenden Streit. Die CDU orientiert sich am Schweizer Modell, die CSU möchte das bestehende deutsche System fit machen. Gerade der Umfang und die Zuteilung der Zuschüsse zur "Pauschale" erhitzen die Gemüter: Über 20 Millionen Deutsche würden zu Transferempfängern, 13 Millionen Haushalte müßten ihre Einkommensverhältnisse detailliert offenlegen, besonders Rentner müßten zur "Bedürftigkeitsprüfung". Der bürokratische Aufwand wie der an Steuermitteln zur Einführung des CDU-Plans sind groß: auf 30 bis 40 Milliarden Euro schätzen Experten das Zuschußsystem aus Steuermitteln. Einer maßvollen Veränderung des Gesundheitswesens wäre nicht nur im Hinblick auf die leere Staatskasse womöglich mehr Erfolg beschieden. SV
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