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Rückkehr ins Mittelalter

 
     
 
Es gibt Staaten, die mit Stolz die Säkularisierung als Errungenschaft der Aufklärung pflegen. Eigentlich sind dies fast alle nichtislamischen Staaten dieser Welt - sieht man einmal vom Vatikan ab. Die ganze europäische Staatenwelt hat sich von der Kirche emanzipiert. Ganz Europa? - Nein! Ein gar nicht mal so kleiner Staat jenseits von Oder und Neiße hat sich soeben von der Errungenschaft der Säkularisierung verabschiedet.

Was ist geschehen? - In Polen hat der Chef der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit
" (PiS), Jaroslaw Kaczynski, den Beginn der Vierten Republik verkündet. Dies, unmittelbar nachdem zwischen der alleinregierenden Minderheitspartei PiS sowie der rechts-populistischen Partei Selbstverteidigung und der nationalistischen Liga der polnischen Familien (LPR) ein Tolerierungsbündnis auf ein Jahr zustande gekommen ist. Die PiS selbst verfügt im Sejm gerade einmal über 155 von 460 Sitzen. Dennoch beherrscht sie alle wesentlichen Schlüsselpositionen der Politik, vom nationalen Sicherheitsrat über den nationalen Rundfunkrat bis hin zur Opposition.

Die Grundlage hierfür schuf das de facto Oberhaupt der Katholischen Kirche in der Republik Polen, der Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk. De iure ist zwar noch immer der Primas, Kardinal Jozef Glemp, als Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz das Kirchenoberhaupt, doch weder er noch Papst Johannes Paul II. oder Papst Benedikt XVI. konnten und können dem einfachen Ordensgeistlichen - ohne ein gewaltiges Kirchenschisma zu erzeugen - zur Räson bringen. Jedenfalls sei dies schwer vorstellbar, so der polnische Philosophieprofessor Wladyslaw Strozewicz.

Pater Rydzyk beherrscht ein kleines, aber mächtiges Medien-imperium. Der Radiosender, "Radio Marya", der Fernsehsender "Trwam" und die Zeitung "Nasz Dziennik" sind seine Medien. Besonders "Radio Marya" gilt inzwischen nicht mehr nur als Stimme des Volkes, sondern seit der Machtergreifung der Kaczynski-Zwillinge auch als Regierungsorgan.

Dies ist mehr als nur eine Floskel. Rydzyk gilt als der wahre Königsmacher. Nach dem Wahlsieg der von Jaroslaw Kaczynski geführten PiS bei den Sejmwahlen und dem Wahlsieg des von "Radio Marya" massiv unterstützen Lech Kaczynski bei den Präsidentschaftswahlen sprachen die nun wohl mächtigsten Zwillinge der Welt dem Sender offenen Dank aus. Wenigstens einmal in der Woche steht ein Minister der PiS den drei bis vier Millionen Hörern des Senders für mehrere Stunden zur Verfügung. Mehr noch - der polnische PiS-Regierungschef, Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz, gab nach seinem Amtsantritt seine Regierungserklärung zuerst in "Radio Marya" über den Äther der Gläubigen bekannt, bevor er sie dem Parlament verlas. Ein offener Bruch mit den demokratischen Gepflogenheiten der säkularen Welt.

Nun darf man nicht annehmen, daß die katholische Kirche offen oder im geheimen hinter der Allmacht des volksnahen Paters Rydzyk stünde. Primas Glemp wetterte öffentlich, die "Tätigkeit dieses Senders führt zur Spaltung der Kirche!" Und der Apostolische Nuntius in Warschau, Jozef Kowalczyk, erklärte in einem Schreiben scharf, daß außerkirchliche Aktivitäten von Geistlichen, welche dabei die Autorität der Kirche in Anspruch nehmen, von einer schriftlichen Zustimmung des Ortsbischofs abhängig gemacht würden. Die Mahnung des Vatikans in Richtung Rydzyks könnte nach hinten losgehen, da der Ordensgeistliche auch in der polnischen Bischofskonferenz über Fürsprecher verfügt.

Der Versuch Glemps, Rydzyk mit der eigenen Waffe zu schlagen, ging schief. Der von ihm begründete Sender "Radio Jozef" gilt den polnischen Katholiken als zu zahm und findet kaum Hörer.

Umstritten sind insbesondere Äußerungen Rydzyks, die hierzulande als strafrechtlich relevant beurteilt würden. So heizt Rydzyk etwa die Stimmung gegen Befürworter einer Lockerung des Abtreibungsverbotes an: "Man sollte sie kahl scheren wie die Frauen, die sich mit Nazi-Besatzern im Krieg eingelassen haben." Ein klarer Aufruf zur Körperverletzung, - jedenfalls nach deutschem Recht. Die kontinuierliche Stimmungsmache gegen die Europäische Union und alles Deutsche gehört zum Standardprogramm des Senders zwischen Kirchenmusik und der Übertragung von Messen. Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" wurde etwa die Wahl eines Deutschen zum Nachfolger des polnischen Papstes in "Radio Marya" damit erklärt, daß Joseph Ratzinger eigentlich kein richtiger Deutscher sei. Er sei Bayer und im übrigen habe er mehr als 20 Jahre im Vatikan gelebt.

Rydzyks Abneigung gegen die Deutschen mag aus seiner fünfjährigen Zeit als Pfarrer einer schwäbischen Gemeinde herrühren. Rydzyk wurde aus unbekannten Gründen aus der Pfarrei entlassen.

Wegen der fremdenfeindlichen und bisweilen auch antisemitischen Ausfälle bei "Radio Marya" wird der in Thorn ansässige Sender regelmäßig beim Staatlichen Rund-funkrat angezeigt. Inzwischen aber wohl ohne größere Folgen, denn der Rundfunkrat ist fest in der Hand der Kaczynski-Partei.

Dennoch, - Pater Rydzyk ist vorsichtiger geworden. Die schlimmsten verbalen Ausfälle jenseits der christlichen Nächstenliebe überläßt "Radio Marya" den Hörern, die ihre Meinung unzensiert zum Besten geben dürfen. Eine Thorner Staatsanwältin stellte öffentlich fest, daß so dem Sender jedenfalls formal keine Volksverhetzung vorgeworfen werden könne. Ihr Büro wurde daraufhin von Rydzyk-Jüngern belagert und sie selbst erhielt Morddrohungen.

Das nationalistische Wochenmagazin "Wrpost", das auch schon Vertriebenenchefin Erika Steinbach in SS-Uniform zeigte, brachte jüngst Pater Rydzyk im roten Kardinalsornat auf der Titelseite und kürte ihn zum "Primas Rydzyk". Papst Benedikt XVI. mahnte die polnischen Bischöfe zur Wahrung der Autonomie der Politik und sprach auch im Rahmen einer Audienz mit Lech Kaczynski über die Probleme in Polen. Letztendlich können sich weder die Kaczynskis noch die katholische Christenheit einen Märtyrer Rydzyk leisten, doch ein Ende des Kreuzzuges von "Radio Marya" ist vorerst nicht in Sicht. Polen und seine Politiker wollen katholischer sein als der Papst.

Priester mit eigenem Medienimperium: Pater Rydzyk (mit Mikro) beherrscht neben einem eigenen Radiosender auch eine Zeitung und einen Fernsehsender.
 
     
     
 
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