|
Die Geschichte hält doch noch Lacher bereit: Ein sozialdemokratischer Bun-deskanzler fordert vollmundig einen eigenständigen "deutschen Weg", man könnte auch sagen "Sonderweg". Und zwar nicht auf dem Felde innenpolitischer Fragen wie Wirtschafts- oder Bevölkerungspolitik, sondern im elementaren Bereich von Krieg, Frieden und militärischen Allianzen. Der Kanzler hat für Deutschland erklärt, daß es sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen will, auch nicht unter dem Dach eines dahin gehenden UN-Beschlusses.
Die anderen europäischen Kontinentalmächte verstecken sich bislang hinter der Hoffnung, daß die Chinesen eine solche UN-sanktionierte Aktion gegen Bagdad schon blockieren würden. Dann wären sie aus dem Schneider. Dies war bislang auch die deutsche Position. Nur England kann es offenbar gar nicht abwarten, im Tornister der USA aufs Schlachtfeld zu stürmen. Damit nahm es in Europa eine Außenseiterrolle ein. Das tut nunmehr auch Deutschland - nur mit einem entgegengesetzten Standpunkt.
An sich ist nichts auszusetzen am Definieren eigenständiger national er Wege. Viele haben zu Recht lange darauf gewartet. Daß ein solcher deutscher Weg nun ausgerechnet aus jenem politischen Biotop heraus verkündet wird, welches "Sonderwege" stets als (schuldhaftes!) Verhängnis verdammte, verführt indes zu Süffisanz.
Gar nicht komisch sind allein die offensichtlichen Motive des von Abwahl akut bedrohten Kanzlers. Sie sind rein taktisch-innenpolitischer Natur - die Bürgerlichen von der vaterländischen Seite in die Zange nehmen und gleich noch bei den Resten der alten Friedensbewegung absahnen, so lautet der kecke Plan. Das ist nicht patriotisch, es ist das glatte Gegenteil. In anderen Staaten gilt trotz manchmal dramatischer innenpolitischer Umwälzungen das eherne Gesetz außenpolitischer Kontinuität; dort werden Wenden nur sehr behutsam und infolge gründlicher Planung vollzogen.
Mit Schröders Vorstoß tritt ein Politik-Verständnis zutage, das alles, selbst die todernsten Dinge, dem persönlichen Machterhalt unterordnet. Deutschlands Au-ßenpolitik wird zum Wahlkampf-Gag. Eine tragfähige Definition deutscher Interessen und eine entsprechende nationale Strategie ist weit und breit nicht zu erkennen, auch bei der Union nicht. Stoiber verdrückt sich in die europäische Kulisse, während sein "Außenpolitiker" Schäuble öffentlich über Reaktionen auf ein UN-Mandat räsoniert, das noch gar nicht existiert. Ein Gutes hat das Geplänkel: Es deckt das völlige Fehlen einer selbstbewußten deutschen Außenpolitikkonzeption schonungslos auf. Seit die USA beschlossen haben zu tun, was immer sie gedenken, kann Berlin sich nicht mehr auf das Beschwören von Bündnistreue beschränken. Die Alternative dazu aber kann nicht sein, wie Schröder munter drauflos zu taktieren. Deutschland muß erklären, was es will und wer es sein wil |
|