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Man traf sich auf historischem Boden: Einst hatte der König seinem Kanzler Schloß Neu-Hardenberg geschenkt, zum Lohn für die Durchsetzung überfälliger Reformen. Unser heutiger, so symbolbewußter Kanzler wollte mit der Ortswahl also wohl alten preußischen Geist beschwören. Allerdings war es dann ein Oppositionspolitiker mit dem typisch preußischen Vornahmen Friedrich, nämlich Fraktionsvize Merz, der hinterher süffisant fragte: Was habt ihr da eigentlich zweieinhalb Tage lang gemacht?
Die Ergebnisse der Kabinetts-Klausur im altpreußischen Kernland waren in der Tat reichlich dürftig. Daß die Steuerreform um ein Jahr vorgezogen wird, war schon vorher beschlossene Sache; allzu stark war der öffentliche (und vor allem der veröffentlichte) Druck, als daß man da überhaupt noch Entscheidungsspielraum gehabt hätte. Schröders Ankündigung, selbstverständlich würden in diesem Jahr die Altersbezüge zum 1. Juli steigen, wirkte auch nicht gerade überraschend: Zu diesem Zeitpunkt hatten die Rentner ihre neuen Bescheide schon in der Hand, waren die höheren Beträge bereits zur Zahlung angewiesen.
Der Rest: vage Ankündigungen ohne konkrete Zahlen und meist auch ohne solide Basis. An die Subventionen will man also herangehen, was im Prinzip richtig ist. Aber an welche? In welchem Umfang? Mit welchen Auswirkungen? Nur in ganz wenigen Fällen wurden der Kanzler und sein Hilfsbuchhalter konkret. Die Eigenheimzulage soll abgeschafft, die Pendlerzulage begrenzt werden. Was bedeutet das in der Praxis? Der verheirateteArbeitnehmer mit 30.000 Euro Jahreseinkommen profitiert von der Steuerreform mit 622 Euro. Fast genauso viel aber verliert er, wenn er mehr als 15 Kilometer Arbeitsweg hat. Jährlicher Kaufkraftgewinn: vielleicht 40 oder 50 Euro, ein wahrhaft gewaltiger Konjunkturschub...
Zur Gegenfinanzierung der Reform planen Schröder und Eichel ferner Privatisierungserlöse. Was verkauft werden und wieviel das bringen soll, verraten sie noch nicht - vermutlich, weil sie es selber nicht wissen. Ebenso unrealistisch die einnahmensteigernden Eigeneffekte der Reform. Der Finanzminister rechnet mit zwei Prozent Wachstum, was derzeit von Experten spöttisch belächelt wird.
Nächster Punkt: Einsparungen "in Milliardenhöhe". Wieviele Milliarden? In welchen Etats? Zu wessen Lasten? Auch hier Fehlanzeige.
Zum Schluß wird dann doch zum immer verfügbaren "Strohhalm" gegriffen: Schulden. Kein Wort mehr von Haushaltssanierung, von Verantwortung gegenüber künftigen Generationen - statt dessen Reformen auf Pump! Da trifft es sich gut, daß in dieser Woche Italien die EU-Präsidentschaft übernommen hat. Aus Rom waren bereits hoffnungsvolle Signale gekommen: Man wolle sich dafür verwenden, den Euro-Stabilitätspakt auszusetzen oder zumindest zu lockern, da ja die Deutschen ohnehin in den nächsten Jahren keine Chancen hätten, die Kriterien einzuhalten.
Die Eckpunkte einer realistischen Diagnose, auf der dann auch eine wirkungsvolle Therapie aufbauen könnte, bleiben nach wie vor weitgehend auf der Strecke:
1. Arbeit muß sich in Deutschland wieder lohnen, der Abstand zwischen staatlichen Lohnersatzleistungen und Arbeitsentgelt muß wieder größer werden. Davon aber ist nichts zu spüren, im Gegenteil: zum 1. Juli wurden die Sozialhilfe-Regelsätze angehoben.
2. Investitionen müssen sich in Deutschland wieder lohnen. Das heißt im Klartext: Unternehmer und Kapitaleigner müssen wieder Gewinne machen können. Staatdessen erleben wir zum Beispiel im mittelständischen Einzelhandel geradezu selbstmörderische Preiskämpfe, um wenigstens noch genügend Umsatz für die laufenden Kosten zu machen. An Gewinne ist da gar nicht mehr zu denken
3. Die Bürger müssen wieder Vertrauen haben, in die Zukunft, in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, und das heißt ganz konkret: in die Regierenden. Daß der private Konsum lahmt, liegt nämlich gar nicht an mangelnder Kaufkraft, wie die extrem hohen Sparquoten belegen.
Mangelndes Vertrauen: Das betrifft nicht nur Rot-Grün, sondern auch die Opposition. Solange die Union zwischen Merkel und Merz, zwischen Schmusekurs und Verfassungsklage schwankt, trägt sie weniger zur Bewältigung der Krise als zur Verstärkung der Politik- und Politikerverdrossenheit bei.
Behutsame Annäherung: Während BdV-Präsidentin Erika Steinbach den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis verlieh, bedauerte der tschechische Ministerpräsident Vladimir Spidla, wenn auch mit Einschränkungen, das Unrecht der Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen. |
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