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Vom Völkermord keine Spur?

 
     
 
Zum Abschluß der Sendereihe diskutierten im Aschaffenburger Stadttheater die Präsidentin des BdV, Erika Steinbach, der frühere polnische Botschafter in Bonn, Janusz Reiter, der tschechische Schriftsteller und vormalige Stalin-Verehrer Pavel Kohout, der Historiker Prof. Arnulf Baring
, Bundesinnenminister Otto Schily und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Moderator war der Autor der Sendereihe, Prof. Guido Knopp, dessen Filme leider dem Schema folgten, daß Hitler an allem schuld sei. Schon die Filme hätten den Titel „Die große Vertreibung mit Völkermord“ tragen müssen.

Prof. Baring wies auf frühe Vertreibungspläne von Eduard Benesch hin, doch verhinderte die Aufgeregtheit der tschechophilen grünen Politikerin eine Erörterung des Themas: so den Vorschlag des CSR-Staatspräsidenten vom 15. September 1938 an die Adresse der französischen Regierung, ein Fünftel der Sudetengebiete, aber mehr als die Hälfte der Sudetendeutschen abzutreten, ein Vorgang, der eine Entwurzelung von Hunderttausenden bedeutet hätte. Niemand in der Runde kam auf die Idee, die antideutsche Politik Hitlers zugunsten seines faschistischen Komplizen Mussolini gegenüber 230.000 zum Verlust ihrer Heimat bestimmten Südtirolern anzusprechen. Dabei wäre die Frage interessant, wieso Hitler sich nicht mit dem Nationalsozialisten Benesch über die Köpfe der Sudetendeutschen hinweg verständigte.

Wohltuend in der Diskussion wirkte die zurückhaltende Art des früheren Botschafters Reiter, dessen Land immerhin 1939 von Hitler und Stalin angegriffen worden war. Allerdings irrte Reiter in der Entschädigungsfrage, die vielleicht seitens des BdV nicht klar genug positioniert wird. Kohout strapazierte die Sachkundigen unter den Zuhörern mit der politischen Legende einer Vertreibung von 200.000 Tschechen im Herbst 1938. Tatsächlich handelte es sich größtenteils um den Wegzug von Staatsbeamten, die erst nach der Okkupation der Sudetengebiete ins Land gekommen waren. Merkwürdigerweise wagte sich noch niemand an eine Kritik des deutsch-tschechoslowakischen Optionsvertrages von 1938, der so schlecht nicht gewesen sein kann.

Bundesinnenminister Schily scheint vom Inhalt der Benesch-Dekrete und dem Straffreistellungsgesetz, das immerhin die Täter von 240.000 Vertreibungsopfern unangetastet ließ, bisher wenig Kenntnis genommen zu haben. Überhaupt ist es an der Zeit, die tschechische Opferrolle zurechtzurücken. Frau Vollmer und Herr Kohout sollten sich einmal fragen, warum Frankreich, das dreimal in 70 Jahren deutsche Truppen im Land hatte, trotzdem die NS-Gewaltherrschaft nicht mit einer Vertreibung und Ermordung von Elsässern oder Saarländern beantwortete.

Merkwürdigerweise befaßte sich keiner der Diskussionsredner mit der Tatsache, daß die Vertreibung der Ost-, Südost- und Sudetendeutschen einen Völkermord darstellte, nämlich die bewußte Auslöschung der Lebensgrundlagen einer bodenständigen Bevölkerung, wobei es auf die Zahl der Ermordeten gar nicht ankommt. Und angesichts der in Gang gesetzten NS-Zwangsarbeiterentschädigung durch die deutsche Bundesregierung, begleitet von einem Entschädigungsfonds der österreichischen Regierung für NS-Opfer, erscheint es ebenso merkwürdig, daß Wiedergutmachungsleistungen zur Vertreibung kein Thema der Diskussionsrunde waren. So sehr das geplante Zentrum gegen Vertreibungen neuen Verstößen, wie bereits im Kosovo geschehen, entgegenwirken kann, darf damit die Wiedergutmachung („return to their homes and property“) nicht ausgeklammert werden.

 
     
     
 
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