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Mit der europaweit Ende des 19. Jahrhunderts begonnenen Entstehung von Künstlerkolonien wurde auch die Natur des Ostseeraumes künstlerisch neu entdeckt. Etwa in Ahrenshoop / Darß auf Hiddensee oder in Nidden, einem damals kleinen Fischerort auf der Kurischen Nehrung, entdeckten Künstler die Faszination unmittelbarer Arbeit vor der Natur. In Plein-Air-Malerei hielten sie die wechselnden Lichtstimmungen in der Ursprünglichkeit ihres Erlebens fest. Meist dominierte dabei die impressionistische Malweise.
Die Kette von Künstlern riß nicht ab, die das Antlitz dieses Künstlerortes prägten. Dazu gehörten auch Künstler aus Dresden, unter anderem Georg Gelbke (1882-1947) und Richard Birnstengel (1881-1968). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fiel Nidden als Künstlerort in Vergessenheit. Lediglich eine Fotodokumentation, entstanden durch das Engagement von Maja Ehlermann-Mollenhauer, der Tochter des expressionistischen Malers Ernst Mollenhauer, verriet seine ehemalige Bedeutung.
Anläßlich des Thomas-Mann-Festivals im 50. Todesjahr des Schriftstellers wurde als künstlerisches Ereignis dieses Jahres mit zahlreichen Originalen der beiden Dresdner Künstler Gelbke und Birnstengel an die Bedeutung der nordöstlichen Künstlerkolonie Europas angeknüpft. Zu sehen sind im Gemeindehaus in Nidden bis zu über 80 Exponate, die Landschaften, Fischer bei der Arbeit, die formschön-praktischen Kurenkähne auf dem Haff und Porträts zeigen.
Richard Birnstengel entdeckte bereits 1929 erstmalig den Zauber des verträumten Fischerortes Nidden. "Gleich die erste Begegnung mit der Kurischen Nehrung hat mich außerordentlich erregt und wurde zur unwiderstehlichen Verlockung." Regelmäßig reiste er in den 30er Jahren nach Nidden. Er ließ unweit vom Hause Thomas Manns ein eigenes Haus errichten und erzählte seinem Schwager Georg Gelbke so begeistert von dieser Landschaft, daß Gelbke ab 1934 mehrere Sommer bis zum Herbst in Nidden, aber auch in anderen Fischerorten der Nehrung weilte. Schwerpunkt im Schaffen Gelbkes sind dabei Landschaftsaquarelle, die den elementaren Zauber der Sanddünen im Wechselspiel des Lichtes festhielten. In zahlreichen Skizzenbüchern und auf Postkarten dokumentierte er die Arbeit der Fischer. Auch die Segelflieger, die sich von den nahezu 60 Meter hohen Sanddünen in die Lüfte tragen ließen, und ihr staunendes Publikum hielt der Künstler oft augenzwinkernd und heiter karikierend fest. In großformatigen Aquarellen beeindrucken in der Ausstellung die auf den wesenhaften inneren Kern orientierten Fischerporträts von Richard Birnstengel. Verwoben mit der Seele der Landschaft, welche Birnstengel oft charakteristisch im Hintergrund andeutet, scheint ihr Blick über die Weite des Meeres hinaus die Unendlichkeit zu suchen. Hervorzuheben sind auch die aus dem gedämpften Bildgrund hervorleuchtenden Blüten von Stockrosen, Rittersporn und Sonnenblumen.
Gelbke und Birnstengel konnten nach 1945 diese "Wahlheimat" nicht mehr betreten. Besonders Birnstengel, der in Nidden sein Haus verlor, sehnte sich zeitlebens nach dieser Landschaft, die ihn auf besondere Weise künstlerisch anregte: "... ich habe die Kurische Nehrung unendlich geliebt, sie hat mich erschüttert, beglückt und gesegnet." Ein Glück, daß mit dieser Ausstellung die Werke der beiden Künstler wieder an ihren Entstehungsort (zeitweilig) zurückkehren können.
Die Exponate aus Privatbesitz sind im Gemeindehaus Nidden bis zum 7. August zu sehen. Die Ausstellung findet ihre Fortsetzung im Domscheitmuseum in Memel und wird vom 13. Oktober bis 13. November in Wilna gezeigt. Infos unter www.mann.lt
Georg Gelbkes "Bootsbauer": Nur eines von über 80 Exponaten |
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