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Um ein Haar wären am 10. August vom Londoner Flughafen Heathrow Tod und Elend ausgegangen. Dank der Arbeit von Scotland Yard und des britischen Inlandsgeheimdienstes „MI-5“ konnte jedoch die Entführung von zehn Passagiermaschinen und somit ein von Islamisten organisierter Massenmord verhindert werden. „MI-5“ und Terrorismusexperten sehen eine Verbindung zur „Al Qaida“ von Osama bin Laden, der alle Moslems zum Heiligen Krieg (Dschihad) gegen die Ungläubigen aufgerufen hat. Sein Stellvertreter, der Ägypter Zawahiri, drohte noch im Juli 2006 mit Anschlägen auf die „Ungläubigen“. Doch auch die 1928 in Ägypten gegründete „Muslimbruderschaft“ könnte hinter den geplanten Anschlägen stecken. In Anbetracht dieser Beinahe-Katastrophe fragt man sich nun, wie die Terrorismusgefahr in Deutschland aussieht. Inzwischen verblaßt hier die Erinnerung an die Anschläge auf die Nahverkehrszüge in Madrid am 11. März 2004 und auf die Londoner U-Bahn am 7. Juli 2005 sowie an den 2000 von Frankfurt ausgehenden, vereitelten Anschlag auf Straßburgs Weihnachtsmarkt. Während sich die Bevölkerung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in relativer Sicherheit wiegt, gibt es Anzeichen auf mögliche terroristische Anschläge. Laut Bayerns Innenminister Beckstein beherbergt Deutschland 3 000 bis 5000 gewaltbereite Islamisten. Der Verfassungsschutzbericht der Bundesregierung von 2006 verzeichnet ein Islamismuspotential von 32100 Personen - 27 250 türkische, 3 350 arabische, 150 iranische, 1350 sonstige. Insgesamt sind 318000 Moslems Mitglieder und Anhänger islamistischer Organisationen. Viele Moscheen sind Brutstätten des Islamismus, Imame ihre Wegbereiter. Anfällig sind vor allem perspektivlose moslemische Jugendliche mit schlechter Schulbildung und fehlender Ausbildung. Otto Schily, ehemals Bundesinnenminister, sah Deutschland zugleich als Vorbereitungs- und „Zielraum“ militanter Islamisten. Wichtig ist hier, das Anwerben von Tätern zu verhindern. Deutschland gilt als sicheres Ruheland für Schläfer, dazu günstiges Terrain der 28 islamistischen Organisationen für Spendensammlungen und Basis für terroristische Planungsaktivitäten. Ins Visier der Islamisten gerät Deutschland bereits mit der Teilnahme an den Verhandlungen um Irans strittiges Atomprogramm an der Seite der fünf Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrats und im Rahmen der EU-3 mit Frankreich und Großbritannien. In Afghanistan ist es das deutsche Kontingent; die westlich orientierte demokratische, wirtschaftliche und soziale Aufbauarbeit gilt Islamisten als anstößig. Ferner ist es die Beteiligung an der Ausbildung irakischer Offiziere und Polizisten sowie der Einsatz von Marinesoldaten am Horn von Afrika gegen den internationalen Terrorismus. Schließlich gerät auch Israels Krieg gegen die von Iran unterstützte libanesische Hisbollah zum Anlaß militanter Aktivitäten. Laut Beckstein ist der gewaltbereite Islamismus, der Deutschland zum Lager der „Kreuzzügler“ zählt, die größte Bedrohung. Die ungestörte Fußballweltmeisterschaft und das katholische Jugendtreffen mit Papst Benedikt XVI. dürfen nicht über die brisante, latente Bedrohung hinwegtäuschen. Fahndungserfolge gab es gegen hiesige Terrorgruppen: Verboten wurden der „Kalifatstaat“ (Hilafet Devleti) am 18. Dezember 2001, „Al Aqsa e. V.“ am 31. Juli 2002, „Hizb ut-Tahrir al-Islami“ am 10. Januar 2003, „Yatim-Kinderhilfe e. V.“ am 20. August 2005, nicht zugelassen wurden die militanten „Ansar als Islam“ und „Al Tawid“; die türkische „Milli Görüs“ und Libanons „Hisbollah“ stehen unter Beobachtung. Aufgeschreckt hatte der Fund „herrenloser Koffer“ in Nahverkehrszügen der Bahnhöfe Dortmund und Koblenz am 31. Juli 2006. Sie enthielten das gesamte Arsenal eines Bombenattentats mit möglicherweise verheerenden Folgen. Die Sicherheitsorgane, vor allem das Bundeskriminalamt, gaben nur spärliche Ergebnisse bekannt. Ein Einzeltäter ist auszuschließen, es gab kein Bekennerschreiben und ein Motiv fehlt. Auch die „Organisierte Kriminalität“ kommt nicht in Betracht; sie arbeitet eher im Verborgenen. Der Scherz eines Verwirrten? Das ist zwar nicht ausgeschlossen, doch wenig wahrscheinlich, da zur Komposition derartiger Koffer ein erheblicher Sachverstand erforderlich ist. Hier eine These: Die Koffer waren präpariert, aber nicht zündfähig, was vom BKA zu bestätigen wäre. Dahinter stand die Absicht, genau zu beobachten, wie mit dem Fund umgegangen wird: Wieviel Zeit vergeht bis zum Auffinden, wer ergreift die Initiative, wie reagieren die Sicherheitskräfte und Behörden, wie lange dauert dies, welche Maßnahmen werden in welcher Zeit ergriffen und wie sieht die nachfolgende Reaktion in der Politik aus. Darauf richtet sich die Terrorgruppe anschließend ein, zieht ihre Schlüsse, verbessert ihre Vorbereitungen und Techniken, weiß, ob Parallelanschläge erforderlich sind und schlägt dann unvermittelt, planmäßig, gleichzeitig an mehreren Schwerpunkten mit menschlicher Anhäufung und mit unerwarteten Mitteln zu. Darauf ist Deutschland nicht vorbereitet. Die Antiterrorgesetze von 2000 / 01 und die befristeten Regelungen von 2001 / 02, am 12. Juli 2006 verlängert und erweitert, schrecken kaum ab. Das Strafgesetz bleibt unwirksam, weil es Selbstmordattentäter nicht abhält. Die am 7. Juli 2004 beschlossene „Islamistendatei“ gibt es bis heute nicht, das Luftsicherheitsgesetz vom 12. Januar 2005 trat nicht in Kraft, der Einsatz der Bundeswehr im Inneren bleibt umstritten; diese bewacht seit dem Irakkrieg von 2003 amerikanische Einrichtungen. Gleichwohl besteht seit dem 1. Juni 2004 ein „Terrorismusabwehrzentrum“ und es wird ein „Terrorismusabwehrergänzungsgesetz“ vorbereitet. In mehreren Strafverfahren - 2005 waren es 171 - wurden zahlreiche Islamisten verurteilt, andere ausgewiesen. Noch spielt die offizielle Politik, die seit 2001 das Land als Gefahrenraum des islamistischen Terrorismus sieht, die Gefahr herunter, diese bleibt aber latent und unkalkulierbar; eindringlich warnten BND, BKA, Verfassungsschutz, Beckstein und Bundesinnenminister Schäuble. Offen bleibt nicht ob, sondern wann und wo die „Schläfer“ losschlagen. |
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