A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Warum verhinderte MI5 Hitler-Attentat?

 
     
 
Unentwegt fabrizierte vor allem die britische, aber auch die US-amerikanische Filmindustrie im Krieg wie auch in den Jahrzehnten danach Kino- wie Fernsehfilme, in denen ebenso tapfere wie phantasiereiche Engländer und Amerikaner den überwiegend doof dargestellten Deutschen eine Niederlage nach der anderen beibringen. Solche Produkte der psychologischen Kriegführung finden sich seit geraumer Zeit seltsamerweise auch in den Programmen nicht nur privater deutscher Fernsehsender.

Einer dieser Streifen wurde von dem späteren "James Bond"-Regisseur Terrence Young vor etwa 40 Jahren gedreht. Unter dem Titel "Spion
zwischen zwei Fronten" wurde die angebliche Geschichte des Einbrechers und Geldschrankknackers Eddie Chapman erzählt, der 1940 auf der britischen Kanalinsel Jersey im Knast saß und so in die Hand der deutschen Wehrmacht geriet, die die Kanalinseln besetzte. Er bot sich der Abwehr als Agent an und wurde, so der Film, ausgebildet und ein Jahr später mit dem Fallschirm über England abgesetzt, um für die Deutschen zu spionieren. Als guter Patriot eilte er jedoch sogleich zum britischen Geheimdienst und offenbarte sich. Fortan diente er dem britischen Weltreich als Doppelagent, indem er beispielsweise den Deutschen falsche Zielunterlagen für die V-Waffen lieferte, die dadurch alle am Ziel vorbeigingen.

Seinerzeit nahm man die Räuberpistole als eine von vielen achselzuckend hin, doch soeben tauchte Chapman mit seinen Heldentaten in einigen seriösen Zeitungen wieder auf, die ihn ernst nahmen. Im Dezember des vergangenen Jahres berichtete nämlich die Londoner "Times", aus jetzt freigegebenen Unterlagen des britischen Geheimdienstes gehe hervor, Chapman habe angeboten, 1944 nach Deutschland zu gehen. Da er über beste Kontakte zur deutschen Abwehr verfüge, habe er die Möglichkeit, sich Adolf Hitler zu nähern. Diese Gelegenheit wolle er nutzen, um mit Hilfe einer an seinem Körper versteckten Bombe sich und den deutschen Diktator in die Luft zu sprengen, so in die Geschichte eingehend als jemand, der den Krieg beendet und die deutsche Niederlage verursacht habe. Der Plan sei unterstützt worden von Chapmans deutschem Führungsoffizier namens Stephan von Gröning, der "ein erbitterter Gegner Hitlers" gewesen sei. Der britische Geheimdienst habe ihm aber das Attentat verboten.

Der "Times"-Artikel wurde von zahlreichen deutschen Zeitungen nachgedruckt. Mancher Redakteur nahm die Story offenbar ernst und äußerte den Verdacht, Hitler sei der britischen Führung wegen seiner "irrationalen Kriegsstrategie möglicherweise lebend nützlicher erschienen als tot".

Nun steht es einem frei, diese Behauptung ernst zu nehmen, obgleich sich der gesunde Menschenverstand dagegen sträubt. Dann stellt sich die Frage, warum die Briten den "irrationalen" Hitler am Leben erhalten wollten, wenn sie durch seinen von einem Selbstmordattentäter herbeigeführten Tod den Sieg hätten viel eher erringen können. Brauchten die Briten den nationalsozialistischen Führer, um unter dem Vorwand, ihn als den Friedensstörer in der Welt bekämpfen zu müssen, Deutschland zu vernichten?

Seit der Gründung des Deutschen Reiches gab es in Großbritannien eine mal mehr, mal weniger einflußreiche Kriegspartei, in deren Augen Deutschland, je stärker es wirtschaftlich wurde, desto mehr, ein Konkurrent zum britischen Weltreich wurde. Längst bevor Hitler 1933 Reichskanzler wurde, behauptete sie, daß Deutschland wieder gefährlich sein werde und daß England rüsten müsse, um es abzuwehren. Der Lauteste war dabei Winston Churchill. Als einziger warnte er im Unterhaus vor der Macht Deutschlands. Es gab durchaus auch einflußreiche Stimmen in England, die die Unterdrückungspolitik der Sieger Deutschland gegenüber kritisierten und für die Gleichbehandlung des Kriegsverlierers eintraten. Ihnen widersprach die antideutsche Kriegspartei vehement. Churchill ließ in den folgenden Jahren nicht nach zu behaupten, daß die Deutschen eine gewaltige Luftflotte aufbauten, um England anzugreifen, und operierte mit Zahlen, von denen wir längst wissen, daß sie maßlos überhöht waren.

Wortführer gegen Deutschland war der britische Karrierediplomat Sir Robert Gilbert Vansittart, zunächst Ständiger Staatssekretär und "graue Eminenz" im britischen Außenministerium bis 1938, dann bis 1941 "Diplomatischer Chefberater" und anschließend ein Politiker, der über seine in Regierungsämtern befindlichen Freunde einen erheblichen Einfluß auf die Außenpolitik Deutschland gegenüber hatte. Er war offenbar besessen von einem antideutschen Komplex. In seinen Veröffentlichungen beschimpfte er die Deutschen als "geisteskranke Totengräber", als "Barbaren", als "Primitive". Friedrich der Große wurde von ihm als "perverser Preuße mit Neigung zum Töten und Beherrschen von Menschen" diffamiert, Bismarck als "durchtriebener preußischer Unhold", dessen Nachfolger Adolf Hitler sei. Er sei, so der britische Historiker Kershaw, "ein Haupthindernis auf der von der deutschen Führung angestrebten Verständigung mit Großbritannien" gewesen.

Churchill wie Vansittard setzten allen ihren Einfluß ein, um eine Verständigungspolitik mit Deutschland zu verhindern; dazu gehörte auch, daß sich nach ihrer Ansicht Polen nicht mit Deutschland einigen durfte. Das alles hatte wenig mit Nationalsozialismus und mit Adolf Hitler zu tun. Der britische Premierminister Chamberlain erklärte im September 1939, es seien die britischen Kriegsziele, "die deutsche Macht und den deutschen Geist zu besiegen."

Von dieser Sicht des Weltgeschehens aus wäre es verständlich, daß der britischen Regierung ein frühzeitiger Tod Adolf Hitlers nicht willkommen gewesen wäre, hätte er doch den Vernichtungskrieg gegen Deutschland gebremst.

Einer der wenigen überlebenden Widerstandskämpfer gegen die damalige Reichsführung, Eugen Gerstenmaier, in Nachkriegsdeutschland ein prominenter CDU-Politiker und Bundestagspräsident, schrieb am 21. März 1975 in der "Frankfurter Allgemeinen": "Was wir im deutschen Widerstand während des ganzen Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: daß dieser Krieg schließlich eben nicht nur gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde." Die britische Zeitung "The Sunday Correspondence" schrieb am 17. September 1989: "Wir sind 1939 nicht in den Krieg eingetreten, um Deutschland von Hitler oder die Juden vor Auschwitz oder den Kontinent vor dem Faschismus zu retten. Wie 1914 sind wir für den nicht weniger edlen Grund in den Krieg eingetreten, daß wir eine deutsche Vorherrschaft in Europa nicht akzeptieren konnten."

Da ist es verständlich, daß dem britischen Geheimdienst nicht daran gelegen war, 1944 Hitler umbringen zu lassen. Man brauchte die Zeit, um das sowieso geschwächte Deutschland zu vernichten. Und insofern könnte die Ablehnung des Geheimdienstes, Hitler töten zu lassen, begründet gewesen sein.

Foto: Eddie Chapman: Die Briten nutzten den Krimin
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Wasser - ein endliches Gut

Die FDP - Steigbügelhalter der PDS?

Kultur: Abbau Ost

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv