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Die Konferenz von Durban hatte, wie für solche Veranstaltungen typisch, nur eine einzige Zielsetzung, nämlich das Ausfeilen, genauer: das Ausfeilschen einer allseits unverbindlichen Schlußerklärung. (Man kann es Israel und den USA wahrlich nicht verübeln, wenn sie das Einsparungspotential einer vorzeitigen Abreise nutzten - umso mehr, als ausreichend viele ihrer Sachwalter im Saale blieben). Im Unterschied zu den Themen „Rassismus“ und „Nahost“, bei denen es ohnehin nur um rhetorische Schuldzuweisungen gehen konnte, war allen klar, daß das dritte Konferenz-Thema, die „Sklaverei “, durchaus „handgreifliche“ Aspekte hat, wird es doch mit der Frage von Entschädigungsleistungen verquickt. Diese Forderungen nach materieller Wiedergutmachung sind zwar keineswegs neu, haben aber durch beispielgebende Erfolge kräftige Impulse erhalten: Aus der Perspektive afrikanischer Zaungäste muß das Zauberwort „Entschädigung“ als unerschöpfliche Geldquelle erscheinen.
Daß Sklaverei Unrecht ist und nicht einfach als „gottgegeben“ hingenommen werden muß, dürfte heute zwar von den meisten Menschen so gesehen werden - doch was ist Sklaverei? Nur was man so nennt oder aus Romanen und Hollywood-Schinken kennt? Ein Sklave muß nicht unbedingt in Ketten auf einem Markt verkauft worden sein: Brutale Ausbeutung, hoffnungslose Abhängigkeit, physische und psychische Peinigung - all das gab und gibt es auch unter anderen Namen. Andererseits mag es manchem Sklaven besser gegan-gen sein als manchem „Freien“. Und um die Verwirrung zu ver-größern: Erst kürzlich wieder wurden unter der Bezeichnung „Sklavenarbeiter“ so unterschiedliche Schicksale wie die von angeworbenen Fremdarbeitern, Kriegsgefangenen, KZ-Opfern und gewöhnlichen Sträflingen zusammenge- worfen. Aber natürlich nur von solchen, die nicht auf der Verliererseite standen. Dementsprechend diffus ist auch der Fragenkomplex Entschädigung: Wer hat Ansprüche und wer soll zahlen? Wie sind Beträge zu bemessen, nach dem Nutzen für den Sklavenhalter, nach dem Schaden für den Sklaven, nach dem Schmerz Dritter, die ihrer Angehörigen beraubt wurden? Wer also kassiert am meisten - wer am lautesten schreit oder wer die Mittel in der Hand hat, seine Stimme möglichst laut hören zu lassen, oder wer zufällig der einen Macht ins propagandistische Kalkül paßt, um einer anderen moralische Tiefschläge zu verpassen?
Vergegenwärtigen wir uns das typische Schicksal von Negersklaven: In aller Regel wurden sie zunächst von - schwarzen! - Sklavenjägern gefangengenommen. Dann wurden sie an kleine Zwischenhändler verkauft. Von diesen wurden sie entweder an die innerafrikanischen Sklavenmärkte und weiter nach Nordafrika und in den Nahen Osten geliefert. Oder aber an die Küsten, an die Sklavenschiffe, die von Kapitalgesellschaften der großen Seemächte betrieben wurden. Wenn sie all das überlebten - die Ausfallrate ab Gefangennahme betrug 90 Prozent! -, endeten sie auf überseeischen Plantagen, wo man ihnen - aus praktischen Erwägungen - auch die Fortpflanzung gestattete.
Daß man in Durban nur den „transatlantischen Sklavenhandel“ herauspickte, zeugt vom Pragmatismus der Afrikaner, denn genau wie bei den „Sklavenarbei- tern“ zahlt sich das Moralisieren eben nur dort aus, wo etwas zu holen ist. Doch sollen wirklich die Häuptlinge von heute Entschädigungen für jene Verbrechen kassieren, an denen ihre Amtsvorgänger von damals maßgeblich beteiligt waren? Die Nachfahren der nicht in die Sklaverei verschleppten Afrikaner sind nun einmal keine Opfer der Sklaverei! (Interessanterweise gibt es auch in Afrika selbstkritische Stimmen, die auf die Rolle der afrikanischen Sklavenjäger verweisen. Man kann solchen Journalisten nur wünschen, daß sie nicht unverhofft aus dem Leben scheiden). Entschädigungen an die Nachfahren der Opfer sind ebenso fragwürdig. Spätestens seit offizieller Abschaffung der Sklaverei geht es in den betreffenden Staaten nur mehr um ein internes, um ein soziales Problem. Dieses wird allerdings durch den rassischen Aspekt verschärft, ja gewissermaßen verewigt, und das ist auch der wesentliche Unterschied zum Unrecht der Leibeigenschaft in Europa, für welche niemand Entschädigung fordern könnte. Grundübel ist die in den letzten Jahrzehnten herbeigeführte Begriffsverwirrung: Jedes Rechtsinstitut, so auch „Entschädigung“, hat nur ein einziges Ziel, das es - in der jeweils eigenen Domäne - auch erreichen kann, nämlich den Rechtsfrieden, den Schlußstrich! Die in Mitteleuropa bestehende klare Trennung zwischen individueller strafrechtlicher Verantwortung und privatrechtlicher Entschädigung ist keineswegs in allen Kulturkreisen gegeben, und mit sämtlichen Formen kollektiver Schuld oder Entschädigung ist sie ohnehin unvereinbar. Wird aber ein Rechtsinstitut in fremde Anwendungs- oder gar Kulturbereiche übertragen, wird es mit Begriffen des Völkerrechts vermengt, wird es durch die Praktiken von New Yorker Winkeladvokaten pervertiert, werden ihm Hohlformeln wie etwa „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ übergestülpt, dann wird damit auch der Rechtsfrieden vereitelt.
Nach wie vielen Jahren oder Ge-nerationen können kollektive Ansprüche und Verpflichtungen noch „Recht“ sein, und ab wann sind sie zwangsläufig Quelle neuen Unrechts? Was ist zu tun, wenn Opfer gar nicht entschädigt werden können, weil Opfer oder Schädiger nicht mehr am Leben sind oder weil der Schädiger kein Geld hat? Warum sollen Institutionen, Staatsgebilde und Advokaten, die zum Zeitpunkt der Tat noch gar nicht existierten, von Entschädigungen profitieren? Was ist mit aufgezwungenen Schuldbekenntnissen und Mahnmalen günstigstenfalls zu erreichen? Derartige Grundsatzfragen gilt es international abzuklären! Ansonsten wird „Recht“ auch nur das bleiben, was es nicht sein soll, nämlich das des „Stärkeren“. Prof. Dr. Küssner
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