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Er hatte hier oben wohl die beste Aussicht. Denn Sebastian Piekarski saß als Wachposten hinten auf der Rampe eines fliegenden Transport-Hubschraubers. Seine Beine baumelten über Kinshasa: Unter seinen Füßen war 200 Meter tief nichts. Festhalten? Nicht nötig. Er saß während des Einsatzes von "Eufor RD Congo" auf einem roten Kissen. Sein Oberkörper war angeschnallt. Andere 24jährige können über solche Erlebnisse kaum berichten. Nun sind die letzten der 780 deutschen Soldaten am 22. Dezember wieder nach Deutschland heimgekehrt. Seit dem 30. November ist das Mandat beendet. Ziel war die Sicherung der ersten freien Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo nach 40 Jahren.
In Potsdam ist der Generalleutnant Karlheinz Viereck (55) sehr zufrieden. Als Befehlshaber sei er im Einsatzführungskommando der Bundeswehr, das weltweit alle Auslandseinsätze führt, von Anfang an sicher gewesen, daß alle Soldaten wieder heil heimkehren würden. So ist es gekommen.
Wie sieht Kinshasa von oben aus, aus dem Hubschrauber? Der deutsche Heeresflieger Piekarski weiß es: "... wie ein angelaufenes 5-Mark-Stück!". Mit leiser Stimme beschreibt er besonders gern das Sonnenlicht, das hier in der Demokratischen Republik Kongo gnadenlos auf die vielen staubigen Dächer einer wirklich großen Stadt trifft. Sieben Millionen Menschen wohnen hier offiziell, wahrscheinlich sind es sehr viel mehr. Selbst war Piekarski seit Ende Juni im Kongo, ist sonst stationiert im baden-württembergischen Laupheim.
Ihre Basis hatten die Heeresflieger im Süden des Flughafens von Ndolo in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Vom Camp aus fuhr oder ging man über die Runway des Flughafens, auf dem nicht nur zivile Flugzeuge landen und starten können. Eine Ampel trennte das Camp des multinationalen EU-Kontingentes, eine Zeltstadt, von der Basis der Heeresflieger. Die Gefahr war einfach zu groß, auf der Runway von einem Flugzeug erfaßt zu werden. Eine Art Flugzeug-Friedhof auf dem kurzen Fußweg lenkte dort stets ab. Seit Jahren gammeln neben der jetzt verwaisten Unterkunft der deutschen Bundeswehr ausgemusterte Passagiermaschinen vor sich hin. Die Farbe blättert an ihnen ab. Zu welcher Fluggesellschaft zum Beispiel die "DC 10" mit den fehlenden Fenstern gehört hat, bleibt ein Rätsel und wird wahrscheinlich nicht mehr gelöst werden. Vieles hier ist unwirtlich; so ist Afrika bei den Heeresfliegern in frischer Erinnerung.
Eine große Halle bot den drei Hubschraubern Schutz. Doch auf dem glatten Boden liegt wieder feiner, roter Wüstensand. Gegen den ist man machtlos. In dem jetzt wieder weiß-blau gestrichenen, sauberen Gebäude mit den gewaltig hohen Stahlträgern gibt es eine Balustrade in Höhe der Rotoren der geparkten Helikopter. In den Büros dort oben wurde Tag und Nacht geplant, unten inspiziert und repariert - oder unten in der Halle und oben in den Büros wurden Verfahren eingeübt, damit alle Heeresflieger gewissermaßen an einem Strang ziehen können. Das fing nicht erst damit an, welche Funkfrequenzen im Einsatz genutzt werden müssen.
Inzwischen hat Oberstleutnant Ralf Mußeleck nach vier Monaten in Kinshasa seinen wohlverdienten Urlaub angetreten. Es ist ihm nicht schwer gefallen, sich wieder an das raue, deutsche Winterklima zu gewöhnen. Dort in Kinshasa lag die Luftfeuchtigkeit bei 90 Prozent. Es war täglich heiß, brennend heiß. Nach den regelmäßigen Regenfällen mit manchmal 107 Litern Wasser pro Quadratmeter begann der Boden auch noch zu schwitzen. "Schwer auszuhalten!", erinnert sich der 40jährige.
Mußeleck war regelmäßig dabei, wenn die Stimmzettel der Präsidentschaftswahl für den Großraum Kinshasa ausgezählt wurden. Dies sei eine eindrucksvolle Zeit gewesen. Seine eigentliche Aufgabe in Kinshasa war die Planung von sogenannten Landoperationen. In der Hauptstadt indessen wurden die Stimmzettel in einer besonders abgesicherten Halle der UN-Friedenstruppe "Monuc" deponiert und ausgezählt. "Monuc" sichert im Auftrag der UN seit Februar 2000 mit 17500 Soldaten den instabilen Frieden in dem Land, das mehr als sechsmal größer ist als die Bundesrepublik Deutschland. Tausende von weißen Leinensäcken waren allein in Kinshasa gelagert worden, nachdem am 29. Oktober die Stichwahl um das Präsidentenamt stattgefunden hatte. Jean-Pierre Bemba hatte Staatsoberhaupt Joseph Kabila herausgefordert und ist schließlich gescheitert. Kabila ist jetzt demokratisch gewählter Präsident der Demokratischen Republik Kongo.
Der Inhalt der Säcke, in denen sich die Stimmzettel befunden haben, wurde nach einem ausgeklügelten System ausgewertet. Auf orangefarbenen Plastikstühlen hinter einer Absperrung konnten die Autoritäten des Landes, die Medien, aber auch interessierte Kongolesen sehen, daß die Auszählung korrekt verlief. Trotzdem hat Jean-Pierre Bemba den Wahlsieg von Präsident Kabila mit Waffengewalt nach Bekanntgabe der Ergebnisse infrage gestellt.
Kabila residiert in einer Stadt, die nicht nur bei den deutschen Soldaten als exotisch gilt. Die Armut ist unübersehbar. Doch die Menschen sind überall bunt und sauber gekleidet und stets freundlich. Zu den Bildern, die nicht vergessen werden, gehören Frauen, die ganze Ölfässer auf dem Kopf balancieren können. Doch die Eindrücke dieser afrikanischen Metropole so nahe am Äquator sind oft nicht wirklich fremd. Häufig sieht man auf den Kleinbussen deutsche Werbebotschaften: "Elektrohandel Kuhn, Kirchlinde" oder "Wäscherei Weber, München, Telefon ...". Die Fahrzeuge, längst schrottreif und beliebte Transportmittel der Menschen, haben offenbar lange Wege hinter sich.
Die Wege im Eufor-Camp Ndolo indessen waren kurz. Die Soldaten hielten sich rund um die Uhr in Bereitschaft. Geschlafen haben sie auf Pritschen. Darunter standen Schuhe, an einem Haken neben dem Bett hingen ein Rucksack, das Handtuch, T-Shirts. Die großen Mückennetze um das Bett herum vermittelten immerhin das gute Gefühl, sich am Ende eines langen Tages in den Tropen hinter dem Stoff doch noch zurückziehen zu können. Manchmal haben die kleinen Dinge das Heimweh ein bißchen weniger werden lassen, wie Kissen mit eingestickten Botschaften der heimgebliebenen Freundinnen: "Ich liebe Dich!".
Alle Soldaten waren zu Weihnachten wieder daheim. Denn, das wissen sie, es ist nirgends schöner als daheim.
Vom Meer aus nach Kinshasa: Nicht nur im Kongo, sondern auch in den angrenzenden Ländern waren Bundeswehreinheiten stationiert. Alle kehrten inzwischen unversehrt heim. |
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