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50 Cent

 
     
 
Der Aufstieg kommt vor dem Fall - und umgekehrt. Kaum haben wir uns die Tränen der Rührung über Michel Friedmans Reue-Rede von den Wangen getupft, ist unser alter neuer Freund schon wieder da. Die Berliner Firma Wall AG will ihn am 28. August in den Aufsichtsrat holen. Wegen seiner Medienkompetenz. Aufsichtsrat! Alle Achtung. Die Wall AG ist allerdings ein Familienbetrieb heißt es. Das bedeutet vermutlich: da muß jeder mal ran, wenn s eng wird. Die Firma stellt unter anderem Toilette
nhäuschen auf und vermietet die Werbeflächen. Wir sollten uns also nicht allzu sehr erschrecken, wenn demnächst der Mann neben dem Groschenteller plötzlich aufspringt, uns am Unterarm packt und laut zetert: "Sie haben im Stehen gepinkelt!" "Habe ich nicht!" "Haben Sie doch! Lassen Sie diese Ausflüchte und stellen Sie sich Ihrer sanitären Verantwortung! Macht 50 Cent extra." Statt umständlicher Ermahnungen wie "Bitte verlassen Sie diese Toilette in dem Zustand, wie Sie sie selbst vorzufinden wünschen" wird künftig ein zackiges "Vorsicht, Friedman!"-Schild am Örtchen des stillen Geschehens befestigt, um den Ferkeln dieser Welt Mores zu lehren. Das wird endlich helfen.

Denn schmutzig geht es zu, nicht bloß auf dem Klo und keineswegs nur in Deutschland. Voller Empörung hat die Weltpresse aufgenommen, daß die Amerikaner Fotos von Saddams erschossenen Junior-Monstern Udai und Kussei veröffentlicht haben. "Abscheulich" und "unzivilisiert" nannte die linke britische Zeitung The Independent im Kommentar auf Seite 14 das Verhalten der USA. Vor allem aber erregten sich die Briten über die Medien, welche die Bilder in "voyeuristischer" Absicht weiterverbreitet hätten. Ja, wirklich ekelhaft, manche Kollegen kennen keine Grenzen mehr. Independent-Ausgabe sind übrigens zwei riesige, zusammen über die ganze Zeitungsbreite gehende Fotos der erschossenen Saddam-Söhne zu sehen, zwischen Coca-Cola-Werbung und einer Kino-Anzeige.)

Gräßliche Nachrichten, dabei ist doch Urlaubszeit! Wer hat da schon Lust, sich die scheußlichen Bilder erschossener Despotensöhne anzugucken. Viel lieber mal ausspannen, den Blick milde durch den zu Tode vertrockneten Garten (in Norddeutschland) schweifen lassen oder (in Süddeutschland) die Lenzpumpen im Keller überprüfen. Ein schöner Sommer. Hamburg lockt die Jugend, die den besonderen Kick sucht und es gern auch einmal makaber mag. Dreißig Jugendliche aus zwölf Nationen hat die Hansestadt ins ehemalige Konzentrationslager Neuengamme eingeladen, damit sie sich dort dreißig Tage "mit der Geschichte des Ortes" auseinandersetzen. Wenn die jungen Leute später zu Hause im Ausland gefragt werden, was es denn in Deutschland so zu sehen gibt, können sie ihren Altersgenossen aus erster Hand berichten: "Na, was schon? KZs eben!" International wird es zugehen, deshalb haben die Hamburger Initiatoren der Veranstaltung den englischen Namen "Workcamp" gegeben, zu deutsch: "Arbeitslager". Na ja, das klingt nun aber doch komisch. Ist dies der neue Ferienhit des politisch-bewußten Nachwuchses - zum "Internationalen Jugend-Arbeitslager nach Neuengamme"? Die Gegenwart wird einem manchmal unheimlich. Früher waren die Dinge klarer.

Es gab nämlich Zeiten, da hatte die Jugend noch Sehnsucht nach Idealen statt nach "Arbeitslagern". Sie erinnern sich bestimmt, damals in den 70ern. Eine kleine Schar wertebewußter junger Menschen machte sich auf, uns allen eine bessere Welt herbeizuballern. "Rote Armee Fraktion", kurz RAF nannte sich das wackere Fähnlein, das nun endlich in einer großen Ausstellung gewürdigt werden sollte. Die "Ideen und Ideale" der Baaders, Meinhofs, Ensslins wollten uns die Ausstellungsmacher der "Berliner Kunst-Werke" näherbringen und haben uns einen Begleittext dazu gedichtet, der auch gut zum Widerstand gegen Adolf Hitler passen würde. In Zeiten knapper Kassen war das sehr sensibel gedacht. Man müßte nur eine 20.-Juli-Ausstellung rauskramen und die Bilder austauschen: Baader statt Stauffenberg.

Doch jetzt die Ernüchterung: Vor den gemeinen Attacken der faschistischen Reaktion gingen die Initiatoren erst einmal in die Knie und wollen nun den Text "überarbeiten". Feiglinge! Wir können die Schau gern auch woanders zeigen. Wie wär s, wenn man sie in Reemtsmas Wehrmachtsausstellnug integrierte? Da könnten die "Ideen und Ideale der RAF" gleich neben den "Verbrechen der Wehrmacht" präsentiert werden. So nah im Kontrast haben wir Gut und Böse noch nie gereicht bekommen. Eine pädagogische Sensation!

Eine weitere Sensation war die jüngste Enthüllung des Forsa-Instituts. Jahrelang haben wir uns gewundert, daß ein Mann wie Joschka Fischer bei den Deutschen so überaus beliebt ist. Jetzt kam die Antwort, wissenschaftlich fundiert: Sie mögen ihn, weil sie ihn gar nicht kennen oder aber zumindest keine Ahnung haben, was das sympathische Raffgardinen-Gesicht eigentlich beruflich macht. Was, wenn eines Tages einer petzt, daß das unser Außenminister ist? Du lieber Himmel.

Der US-Präsident muß es gewußt haben und ließ Fischer bei dessen jüngstem Washington-Besuch abblitzen. Da ergeht es dem saudi-arabischen Außenminister Prinz Faisal schon besser. Nicht weil er Prinz ist. Davon haben die in ihrer Wüste Tausende. Nein, die Ehrung Faisals kurz nach der Abfuhr für Fischer zeigt uns abermals, wie irrelevant unser Land ist. Aus eigener Schuld: 15 der 19 Flieger vom 11. September waren Saudis. Und wieviele Deutsche waren dabei? Kein einziger. Alles Flaschen. Auch haben wir uns weder bei der Finanzierung noch bei der Bekämpfung des internationalen Terrors spürbar hervorgetan. Die besagten Wüstenprinzen können laut New York Times in beidem auf einen reichen Erfahrungsschatz verweisen. Gleichzeitig halten sie den Amerikanern den Ölpreis unten, damit auch die genug Geld haben, um beispielsweise die Taliban wahlweise zu finanzieren oder zu jagen. Das ist echte Partnerschaft.

Und die Deutschen? Die reiten jetzt darauf herum, daß ihre Geheimdienste ihre US-Kollegen schon vor zehn Jahren vor den verdächtigen Aktivitäten gewisser Islamisten gewarnt hätten. Heilige Dummheit: Natürlich haben die Deutschen damals schon vor solchen Zellen "gewarnt". Aber seinerzeit waren diese Leute doch noch Verbündete der USA! Oder fast noch. Bush hat recht: Mit solchen Trotteln kann man nicht arbeiten.

Den Faisal hat Bush empfangen, den Fischer nicht: Vom Jammer deutscher Außenpolitik
 
     
     
 
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