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Spricht man mit deutschen Soldaten, die in der letzten Zeit in Bosnien stationier waren, dann stößt man fast überall auf Ahnungslosigkeit und Unverständnis über die Ursachen, die zu der heutigen schlimmen Situation geführt haben.
Aber auch die im warmen Nest sitzenden Bundesbürger sind ohne jedes Verständnis fü die Auseinandersetzungen zunächst in Slowenien, dann in Kroatien, schrecklicher in Bosnien und jetzt im Kosovo. Nie haben sie etwas gehört von der bestimmenden Macht de Volkszugehörigkeit oder des Nationalbewußtseins; tabu war und ist bei uns die doc überall zutage tretende Tatsache, daß Völker sich nicht von einer fremden Minderhei regieren lassen wollen und daß sie sich ihre Eigenarten nur erhalten können, wenn si sich selbst regieren. Die Erfahrung, aber auch die Ergebnisse der Verhaltensforschun machen es deutlich: dort lebt man am wenigsten konfliktbeladen, wo die Bevölkerun weitgehend homogen ist, wo es keine grundsätzlichen und tiefreichenden Unterschiede in Abstammung, Religion, Tradition und Kultur gibt. Und wo man gegen diese Prinzipie verstößt, dort entstehen Spannungen, die bis zum Krieg führen können.
Der Balkan ist dafür ein schlagendes Beispiel. Das Gebiet ist im Laufe der Geschicht von verschiedenen Völkerschaften besiedelt worden. Die Sultane der Osmanen-Dynastie hervorgegangen aus Turkvölkern, machten sich im Laufe von Jahrhunderten den Balka untertan. Sie eroberten das Zentrum des byzantinischen Reiches Konstantinopel. Vom 14. bi zum 16. Jahrhundert eroberten sie Thrakien und Makedonien, nach der Schlacht auf de Amselfeld, dem jetzigen Kosovo, unterlagen die Serben dem Ansturm der Osmanen (un verließen daraufhin ihr Siedlungsgebiet). Die vorstürmenden Osmanenkrieger unterwarfe Bulgarien und Thessalien, Attika und den Peloponnes. Der größte Teil Griechenland gehörte ebenso zu ihrem Machtbereich wie Bosnien und Albanien. Herzogewina, Bessarabien die Moldau und noch viele Gebiete mehr wurden von den Osmanen beherrscht. Belgrad wurd besetzt und große Teile Ungarns. 1529 standen die Türken zum ersten Mal vor Wien.
Am Ende des 16. Jahrhunderts begann der allmähliche Verfall. Nach und nach wurde die Türkenherrschaft in Südosteuropa zurückgedrängt. Es bildeten sich Staaten, die im Ker noch heute vorhanden sind. Aber bis kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurden imme noch Kriege geführt, in denen die Völker ihre Selbständigkeit von türkische Oberherrschaft erringen wollten.
In zwei Balkankriegen zwischen 1912 und 1913 kämpften mit wechselnden Fronte Bulgarien und Serbien, bzw. Griechenland, Montenegro und Bulgarien, bzw. Serbien nicht nu um ihre Befreiung, sondern auch um die Annexion angrenzender Gebiete.
Der Erste Weltkrieg wurde ausgelöst durch die Ermordung des österreichische Thronfolgerpaares durch serbische Nationalisten im damals zu Österreich-Ungar gehörenden Bosnien. Als das Kaiserreich gegen Serbien aufmarschierte, mußte es die Mass des Heeres gegen den drohenden russischen Angriff einsetzen, so daß für die Offensiv gegen Serbien nur geringe Truppenkontingente zur Verfügung standen. Das führte zunächs zu Mißerfolgen, bis im Oktober 1915 zehn deutsche und zwei österreichische Divisione unter dem Oberbefehl des Generalfeldmarschalls von Mackensen gemeinsam mit zwe bulgarischen Armeen (Bulgarien war inzwischen wie auch die Türkei auf Seiten Deutschland und Österreich-Ungarns in den Krieg eingetreten) die Offensive gegen Serbien begannen Nach wenigen Tagen wurde Belgrad erobert. Um die Serben zu unterstützen und um damit die Verbindung zu Rußland zu halten, landeten Großbritannien und Frankreich Truppe ungeachtet der griechischen Neutralität in Saloniki, doch scheiterte der Angriff an de Abwehr der bulgarischen Armee. Inzwischen hatte die Heeresgruppe Mackensen die serbisch Armee an allen Fronten geschlagen. Anfang November 1915 war Serbien fast ganz in der Han der Mittelmächte.
Die Türkei wehrte sich mit deutscher Unterstützung erbittert gegen britisch Versuche, mit einem starken Expeditionsheer die Dardanellen zu erobern. In schweren verlustreichen Gefechten gelang es, die Engländer, Australier und Franzose zurückzuschlagen. Sie mußten Gallipoli räumen; der gescheiterte Feldzug hatte si 112 000 Mann gekostet. Nach dem für die Mittelmächte verloren gegangenen Erste Weltkrieg bildeten die Sieger den künstlichen Vielvölkerstaat Jugoslawien, indem si weite, vorher zu Österreich-Ungarn gehörende Gebiete, die nicht von Serben bewohn waren, mit Serbien zusammenschlossen. Die Serben betrachteten sich von Anfang an als da beherrschende Element und hielten notfalls mit Gewalt Kroaten, Bosnier, Slowenen, Albane nieder. Erst der Zweite Weltkrieg führte nach der jugoslawischen Niederlage zu Auflösung des Zwangsstaates. Das Deutsche Reich verleibte sich die Untersteiermark mi Marburg ein, Italien den größten Teil Sloweniens mit Laibach, den dalmatinische Küstensaum und die Bucht von Cattaro. Ungarn erhielt den Drauwinkel und die Hälfte de Batschka, Bulgarien Westmazedonien. Montenegro wurde unabhängig, ebenso wie endlich die Kroaten ihren lang ersehnten eigenen Staat bekamen. Serbien durfte innerhalb der Grenze des Jahres 1912 eine bescheidene Selbstverwaltung schaffen.
Aber in den schlecht kontrollierten Besatzungszonen der Italiener und Bulgaren bildete sich Kerne des Aufruhrs. Der Historiker Hollmuth Günther Dahms faßt zusammen (i "Der Zweite Weltkrieg"): "Dabei spielten alte verworrene Gegensätze wi die völkischen, sozialen, religiösen Spannungen der Türkenzeit eine bedeutende Rolle Die nationalen Feindschaften fanden namentlich darin ihren Ausdruck, daß neben de Besatzungsmächten nicht weniger als drei südslawische Regierungen am Kampf gegen die Partisanen teilnahmen: der serbische Ministerpräsident Nedic (Belgrad), die kroatisch Regierung unter Pavelic (Agram) und das montenegrinische Nationalkomitee. Sie all besaßen eigene Truppen ..." Fünf verschieden Aufstandsbewegungen kämpften gege die Besatzungsmächte; neu gebildete Regierungen kämpften gegeneinander: da kämpfte mazedonische Freiheitskämpfer gegen die Bulgaren und gegen die serbische Regierung montenegrinische Freischärler fochten gegen die Italiener, die Tschetniks unter eine königstreuen Oberst zogen kämpfend durch Bosnien und Südserbien, und schließlich foch auch eine christlich-nationale Gruppe. Die Kommunisten spielten zunächst keine groß Rolle, bis der erfahrene Komintern-Agent Josip Broz-Tito eine rot "Volksbefreiungsarmee" organisierte. Dazu Dahms: "Die verschiedenen Gruppe des Südostens wüteten gegeneinander mit balkanischer Grausamkeit. Gefangene wurde selten eingebracht, fast nur zu Vernehmungszwecken. Jede Kampfart war erlaubt: vo Sprengen, Niederbrennen und hinterhältigen Abknallen bis zum Brunnenvergiften, Ersäufen Totschlagen, Foltern, Verstümmeln, Entmannen, Schinden und Weiberschänden gab es all nur erdenklichen Greuel."
Tito wurde mit Unterstützung der Westmächte zur beherrschenden Kraft. Er schuf ei scheinbar einheitliches Jugoslawien, indem er jede nationale Regung der Völker bruta unterdrückte. Sobald aber der Druck geschwunden war, brachen die nationalen Gegensätz offen aus. Während es Slowenien gelang, sich ohne Krieg von Jugoslawien abzuspalten mußten die Kroaten ihre Selbständigkeit erkämpfen. Bosnien, in dem es nahezu unmöglic ist, Grenzen zwischen den dort siedelnden Bosniern, Serben und Kroaten zu ziehen, droht im Blut zu ersticken, bis die Großmächte eingriffen und einen Scheinfrieden unter ihre Aufsicht erzwangen. Ob der zu neunzig Prozent von Albanern bewohnte Kosovo angesichts de jetzigen Ereignisse unter serbischer Herrschaft bleiben kann, ist unwahrscheinlich. Un auch die letzte Republik unter serbischer Oberhoheit, Montenegro, dürfte jetzt die Gelegenheit nutzen, sich selbständig zu machen.
Der amerikanische Präsident hat das Eingreifen der USA in den Kosovo-Konflikt mi amerikanischen Interessen begründet. Wieweit es in deutschem Interesse liegt, daß dor Soldaten der Bundeswehr in den Kampf eingreifen, ist bislang nicht einleuchten beantwortet. Michaela Weiser
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