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Es ist gelungen, den von Kaiser Napoleon im Jahre 1807 von dort weggeführten Siegeswagen, nächst den Pferden hier wieder aufzufinden. Ich habe Sr. Majestät dem König von diesem Ereigniß sogleich Anzeige gemacht, und Sr. Majestät haben befohlen, daß die Zurückführung nach Berlin augenblicklich geschehen solle."
Diese Nachricht, die "Marschall Vorwärts ", Feldmarschall Gebhard Leberecht Fürst Blücher von Wahlstatt, vier Tage nach dem Einmarsch seines Königs Friedrich Wilhelm III. und dessen Verbündeter in Paris per Depesche aus der französischen in die preußische Hauptstadt sandte, erfreute nicht nur die Berliner und Preußen, sondern die ganze deutsche Nation. Dafür, daß der Rückkehr der Quadriga auf das Brandenburger Tor eine derart große Bedeutung beigemessen wurde, hatten die französischen Kunsträuber selber gesorgt. Der von Napoleon autorisierte Experte für den Kunstraub, der Directeur général des Arts Dominique Vivant Denon, hatte klar zu verstehen gegeben, daß "wenn endlich dies Werk", sprich die Quadriga, "auch nicht als ein Kunstwerk betrachtet werden sollte, so könne und müßte es doch als Trophäe dienen und gelten". Angesichts dieser Begründung gebot es schlichtweg die Selbstachtung, die "Trophäe" schnellstmöglich heimzuholen. Zeitgenossen formulierten es wie folgt: "O! Friedrich Wilhelm, diesen Wagen / Laß ja dem Feinde nicht! / Wir bitten drum, und müßten wir selbst tragen / Sein centnerschwer Gewicht / ... / O! komm, im Glanz von schönen Friedenstagen, / Und nochmals bitten wir: Vergiß ja nicht den Wagen!"
Das war leichter gesagt als getan, denn die napoleonischen Kriege beendete im Gegensatz zu den beiden Weltkriegen ein Verständigungsfrieden, und die Franzosen verstanden es, die Rückgabe des geraubten Kunstgutes über Jahre, ja sogar Jahrzehnte hinzuziehen. Als im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 die Museumsbestände und Archive neu gesichtet wurden, stellte man fest, daß das geraubte Kunstgut von Frankreich nie vollständig an Deutschland zurückgegeben worden war. Aufgrund des hohen Symbolgehaltes war die Rückgabe der Quadriga ebenso wie die des Degens Fried-richs des Großen für die Preußen jedoch keine Verhandlungsmasse, sondern eine Conditio sine qua non. Allerdings mußte vor ihrer Rückführung die Kriegsbeute erst einmal gefunden werden, denn die Franzosen hatten sie vorsorglich versteckt. Eine Pariserin soll hierbei, so eine Überlieferung, eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Sie soll einem deutschen Soldaten das Versteck verraten haben und dafür von den Deutschen geehrt und von ihren Landsleuten als Verräterin hingerichtet worden sein.
Nun konnte der Rücktransport beginnen. Damit etwas von dem Glanz der Quadriga auf ihn abfalle, ordnete der Preußenkönig an, daß der "Wagen heimlich in Berlin eingeholt" und dann zeitgleich mit seiner eigenen Rückkehr auf dem Brandenburger Tor präsentiert werde. Aufgrund der Sperrigkeit und der Popularität des Kunstwerkes ließ sich die Rückkehr jedoch nicht ohne Aufsehen durchführen. Warum sich auch Deutsche außerhalb Preußens schon damals mit der Figurengruppe identifizierten, verdeutlichen sehr anschaulich die ersten Zeilen aus dem zeitgenössischen Gedicht "Berlins Victoria" des Hannoveraners W. Blumenhagen: "Nicht Euch allein, nein! Allen ist sie eigen, / Die deutsches Blut und deutsches Wort verband! - / Sah t Ihr nicht jedes deutsche Haupt sich beugen / In Schmerz und Schmach, als sie der Frank entwandt?" So war die Rückkehr des Nationalsymbols in 15 Kästen auf sechs Pferdefuhrwerken mit insgesamt 27 Pferden ab dem Rhein ein einziger Triumphzug.
Wenn sich die vom König befohlene Heimlichkeit auch nicht realisieren ließ, so ging ein anderer Befehl des Monarchen doch in Erfüllung, nämlich jener, der "Figur etwas mehr Bezughabendes auf die jetzigen Zeitereignisse in die Hand zu geben". Umgesetzt wurde schließlich ein Vorschlag Karl Friedrich Schinkels, "der Victoria das Panier Preußens in die Hand zu geben an der Stelle des sonst von ihr gehaltenen amtlichen Palladiums. Dies Panier Preußens besteht aus einem Eichenkranz, welcher das eiserne Kreuz umschließt, über welchem der preußische Adler mit ausgebreiteten Schwingen emporzusteigen scheint." Damit erhielt die Quadriga ihr heutiges Aussehen.
Die von Friedrich Wilhelm III. zwischen ihm und der Quadriga - die zwischenzeitlich eine bemerkenswerte Wandlung vom Friedens- zum Siegessymbol durchgemacht hatte - gewünschte Verbindung wurde trotz der mißglückten Geheimhaltung zumindest insoweit hergestellt, als das überarbeitete Kunstwerk auch nach seiner Rückkehr auf das Brandenburger Tor durch eine Verhüllung den Blicken der Masse bis zum Einzug des Königs entzogen war.
Am Morgen des 7. August 1814, einem Sonntag, war es dann soweit. "Als Se. Majestät aus Charlottenburg in dem bei Bellevue vorhandenen Cirkel im Thiergarten ankamen, und sich an die Spitze der Truppen setzten, wurden sie von denselben mit einem allgemeinen Hurrah bewillkommt. In diesem Augenblick fiel die zeltähnliche Bedachung, durch welche bis dahin der Siegeswagen der Victoria auf dem Brandenburger Thor verschleiert geblieben war, wie durch einen Zauberschlag, vermittelst einer Art der Theaterversenkungen angebrachten Vorrichtung herab. Sie stand nun, im Angesicht des Heeres und des Volkes, in ihrer neu errungen Glorie da!" A. Liedfeger
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