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Diverse Gutachten und Parlamentsbeschlüsse könnten den Eindruck erwecken, als handle es sich bei den Benes-Dekreten um eine komplizierte Rechtsmaterie, vergleichbar einem Streit um die Erdölförderung aus dem Festlandsockel der Meere oder ähnliches Zunächst muß man sich aber der Ausgangslage bewußt sein. Das ist nicht die des Herbstes 1938, wie die tschechische Politik dauernd behauptet, sondern die des Jahres 1918: Bruch des Selbstbestimmungsrechtes nach dem Ersten Weltkrieg , wobei man die ethnischen Bevölkerungsanteile (Volkszählung 1910) besser auf die einzelnen Territorien bezieht: 34,8 Prozent Deutsche in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien - 30,4 Prozent Ungarn in der Slowakei und Karpato-Ukraine. Dabei muß man beachten, daß der tschechische Anteil in den 1918 annektierten Sudetenländern nur 4,9 Prozent betrug.
Die juristischen Klimmzüge der tschechischen Regierung, gepaart mit Verbalinjurien und verlogenen Argumenten, sind Ausdruck des schlechten Gewissens. Die Frage ist, wie lange sich die internationale Staatengemeinschaft dies noch bieten läßt. Es wäre undenkbar gewesen, daß die Regierung Adenauer die Verbrechen des Dritten Reiches verteidigt und die Fortgeltung der Nürnberger Gesetze vertreten hätte. Selbst die deutsche Bundesregierung ist von der angeblichen Obsoletheit der Dekrete inzwischen abgerückt! Die tschechische regierungsoffizielle Argumentation entspricht einer Fortwirkung (!) des Völkermordes der Vertreibung, da bisher nicht wiedergutgemacht, und rückt in bedenkliche Nähe zu Art. III c der auch von der Tschechischen Republik ratifizierten Völkermordkonvention: "... unmittelbare und öffentliche Aufreizung zur Begehung von Völkermord".
In diese Richtung wird auch vorzugehen sein, wenn die Tschechische Republik ohne Aufhebung der Dekrete in die EU aufgenommen werden sollte. Daß diese Gefahr besteht, zeigt schon die Relativierung der Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber beim Pfingsttreffen der Sudetendeutschen in Nürnberg. Unmittelbar danach wies Staatskanzleiminister Huber namens der bayerischen Staatsregierung die Interpretation zurück, Stoiber habe ein Junktim zwischen den Benes-Dekreten und dem EU-Beitritt aufgestellt.
Von der Zusammensetzung der neuen Bundesregierung wird es im Herbst abhängen, ob der Weg zu einem internationalen Strafgericht oder zu Organen der Vereinten Nationen gemäß Artikel VI und VIII Völkermordkonvention beschritten wird.
Schon heute aber sollten sich vom Völkermord der Vertreibung betroffene deutsche und österreichische Staatsbürger auf Individualbeschwerden vor den Verfassungsgerichten und der Euro- päischen Kommission für Menschenrechte einstellen. Weder ist der Völkermord der Vertreibung zu leugnen, noch kann mit rück-wirkender Rechtsanwendung gegen die Beschwerdeführer argumentiert werden.
Nutzen wir rechtzeitig diese Chancen und weisen wir alle Relativierungen vom Verzicht bis zu symbolischen Entschädigungen zurück. Das Recht ist auf unserer Seite! Roland Schnürc |
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