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Die zunehmende Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft ist ganz sicher ein großes Problem. Wenn "ganz normale" Durchschnittsbürger in Deutschland bei einer routinemäßigen Verkehrsüberprüfun plötzlich die Pistole ziehen und auf Polizisten schießen, ist das schrecklich, und ma muß nach dem "Warum" und "Woher" fragen. Rechtsextreme Gewalt is nach Meinung der herrschenden Medien, Meinungsmacher und Politiker noch schlimmer. Si muß mit Sonderkommissionen und Sondereinsatzgruppen bekämpft werden.
Brandenburg scheint ein Hort des Rechtsextremismus zu sein. Mit Enthusiasmus wird in den Medien darüber berichtet. Und wenn nicht genug Rechtsextreme gewalttätig sind, mu man eben aus einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen einen rechtsextreme Zwischenfall konstruieren. Zwar paßt das schön ins Bild, aber den betroffene Jugendlichen verhagelt es die Zukunft.
Nehmen wir beispielsweise den Fall des Peter S. (Name geändert) aus eine brandenburgischen Gemeinde. Eine Gegend, wo jeder jeden kennt.
Peter S. fuhr zwei seiner Bekannten ins Zentrum der nahe gelegenen Kleinstadt, wo dies sich mit Freunden verabredet hatten. Dort entschlossen sie sich, mit einem andere Jugendlichen Tacheles zu reden. Früher hätten sie (übrigens bis in die besten Jahre de Mannes) im Wirtshaus gerangelt, heute treffen sich die Jungs dazu auf der Straße.
Die Mitfahrer verpaßten dem anderen im Beisein verschiedener Schaulustige tatsächlich eine gehörige "Abreibung", was durchaus nicht verharmlost werde sollte. Hintergrund sollen Rauschgifthändlereien in der Familie des Angegriffenen gewese sein.
Die Eltern des Opfers und die ortsansässigen Medien jedoch machten daraus eine Angriff rechter Jugendlicher gegen einen linken. Und erfanden dazu kurzerhand eine bi dahin nichtexistente "gewaltbereite rechtsextremistische Szene" in besagte Kleinstadt. Eine Erfindung, die von der Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Oder anscheinen dankbar und unkritisch aufgegriffen wurde.
Eine unter jungen Männern leider nicht unübliche Auseinandersetzung bekomm plötzlich eine völlig andere Qualität, wenn sie von der Staatsanwaltschaf folgendermaßen beschrieben wird: Die Angeklagten hätten verabredet, sich zu treffen "um sodann von dort aus eine gemeinsame Jagd auf politisch Andersdenkende, sogenannt ,Zecken, durchzuführen, um diese zu ,klatschen". Das klingt doc wirklich fast schon nach dem Dritten Reich. Peter S. schüttelt nur ungläubig den Kopf wenn er das liest: "Wer hat sich das bloß ausgedacht?", fragt er.
Im weiteren schildert die Staatsanwaltschaft genauestens ihre Vermutung, wie sich die Jugendlichen untereinander im vorhinein verabredet haben, mit welchen Mitteln sie dies "Zecken klatschen", also verletzen wollten. Da soll der Peter S. mit seine Freunden vorher festgelegt haben, daß nicht nur Faustschläge ausgeteilt werden sollen sondern "auch Fußtritte mit beschuhten Füßen verabreicht werden". Dabe werden Ausdrücke wie "verhaßte Zecken" und "linksorientierte Jugendlicher" von der Staatsanwaltschaft benutzt, als hätten die Angeklagten ei überaus präsentes rechtsextremes politisches Bewußtsein. Bei nur etwa näherem Hinsehen eine völlige Fehleinschätzung jener Jugendlichen, denen etwas meh politisches Interesse gar nicht schlecht anstehen würde. Zu unterstellen, Peter S beispielsweise würde in ideologischen Kategorien denken, wenn er Jugendliche auf de Straße sieht, erscheint eigentlich eher lächerlich.
Laut Staatsanwaltschaft wird der "Tatplan" mehrfach intensiv beredet, un etliche weitere Angeklagte finden sich im Laufe der "Suche nach den Zecken" ein um sich an der Tat zu beteiligen. Peter S., dem Hinfahrer, der übrigens wie einig Mitglieder der Feuerwehr der Schlägerei bloß unbeteiligt zusah, wird nu unterstellt, eigens für diese Tat einen Baseballschläger mitgebracht und als Waffe de Täter zugereicht zu haben. Daß er diesen Baseballschläger bereits Monate vorhe verschenkt hatte, spielt keine Rolle. Vielmehr versteigt sich die Staatsanwaltschaf wieder zu Formulierungen wie "verhaßte Angehörige der linken Szene".
Die Schilderung des Tathergangs durch die Staatsanwaltschaft liest sich tatsächlic furchterregend. Eigenartig ist dabei zumindest, daß völlig unerwähnt bleibt, da etliche Angehörige der Orts-Feuerwehr dem Vorfall zugeschaut haben und nicht eingriffen.
Wer Augenzeugen und Polizeiangehörige gleich nach dem Vorfall gefragt hat, was da lo war, dem wurde eine gänzlich andere Schilderung vermittelt. Von eine "gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene" in dieser Kleinstadt hatte vorhe auch noch niemand etwas gehört.
Die krude "Links-Rechts-Kiste" scheint sich erst nach und nach durch die Schilderung in den Medien und in der Zusammenfassung durch die Staatsanwalt entwickelt zu haben.
Nun hält auch in Brandenburg niemand solche Schlägereien für in Ordnung. Wehrlos a Boden Liegende zu schlagen und zu treten sollte eigentlich jedem Menschen zuwider sein.
Wesentlich an diesem Fall scheint aber doch, daß er dermaßen abgewandel wunderbar in die gegenwärtig laufende Diskussion über zunehmende Rechtsextremismus in Deutschland und ganz besonders in den neuen Bundesländern paßt. Ei gräßlicher Fall mehr in der Statistik, die beweist, wie faul es im Staate Deutschlan wieder zugeht. Peter S. sieht das eher praktisch und auf sich bezogen. Die Tragweite de Anklage, ihre Auswirkungen auf sein ganzes Leben sind noch überhaupt nicht abzusehen.
Solange der Prozeß läuft, ist er gezeichnet. Nicht als junger Mann, der sic gemeinsam mit anderen auf eine Schlägerei eingelassen hat, an der er sich am Ende ga nicht beteiligte. Schlimmer: Er soll rechtsextrem und gewaltbereit sein. Und das hat fü seine Zukunft ganz erhebliche Konsequenzen.
Zwar erbrachten Hausdurchsuchungen keine Hinweise auf rechtsextremistisch Aktivitäten. Denn die Aktivitäten des Peter S. beschränkten sich eigentlic überwiegend auf die Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr, auf die Hilfe in de Jugendwehr, auf Arbeit in den Vereinen. Bisher ein ganz normales Leben mit positive Aussichten: erfolgreicher Schulabschluß, erfolgreiche Lehre an der Küste, Heimkehr un Arbeit in Brandenburg.
Davon weiß die Staatsanwaltschaft nichts. Sie vermutet vielmehr, daß Peter S. sic schuldig gemacht hat, "a) andere Personen mittels gefährlicher Werkzeuge, mi anderen Beteiligten gemeinschaftlich und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlun körperlich mißhandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben; b) sich a Gewalttätigkeiten gegen Menschen, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentlich Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen wurden, als Täter ode Teilnehmer beteiligt zu haben, wobei sie Waffen bei sich führen, um diese bei der Tat zu verwenden, und durch die Gewalttätigkeiten ein anderer in die Gefahr des Todes oder eine schweren Gesundheitsschädigung gebracht wurde ..." Der als Haupttäter Eingestuft sieht sich sogar einer Anklage wegen versuchten Mordes gegenüber. Er habe beabsichtigt "aus niedrigen Beweggründen einen Menschen zu töten". Vielleicht muß man als Staatsanwaltschaft so schreiben, und möglicherweise ist die Ankage in der Sache soga gerechtfertigt. Jedoch die vielen Unterstellungen einer politischen Motivation für die Tat, der "Rechtsextreme-Verbrecherbanden-Gedanke", der immer wieder durch die Staatsanwaltschaft zum Ausdruck kommt, machen es den Jugendlichen und jungen Männer schwer, das Falsche ihres Handelns selbst zu erkennen. Sie erkennen nur die ihrer Meinun nach falsche Darstellung ihrer Absichten und des Tathergangs.
Akteneinsicht wurde dem Rechtsanwalt von Peter S. durch die Staatsanwaltschaft erst zu spät gewährt. Die Verhandlung müßte eigentlich verschoben werden. Die Verteidigun hofft auf die Unbefangenheit des Gerichtes, den wahren Anlaß des Streites und die Beteiligung von Peter S. (also eigentlich die Nicht-Beteiligung) an dem Zwischenfal richtig einzuschätzen und zu werten.
Seinen selbstgefundenen Traumjob außerhalb des Landkreises konnte Peter nun nicht meh antreten, er darf den Landkreis nicht verlassen. Seine Fahrerlaubnis mußte er abgeben, d das Auto zum Tatwerkzeug erklärt wurde. Das Arbeitslosengeld soll ihm gestrichen werden weil er die ihm in Folge angebotenen Arbeitsstellen außerhalb des Landkreises nich angenommen hat; er hatte ja zur Arbeit nicht erscheinen dürfen.
Der gute Leumund in seiner Heimatgemeinde nützt Peter S. im Vorfeld der Verhandlun nichts. Ausnahmen von seiner Aufenthaltsverfügung wurden nicht gemacht, auch wenn e darum ging, seinen Feuerwehrkameraden im Krankenhaus im Nachbarkreis zu besuchen Hoffnungen, ein solcher Antrag könnte zukünftig Aussicht auf Erfolg haben, wurden ih nicht gemacht.
Ob der Prozeß nun tatsächlich bald beginnt, wann er letztendlich abgeschlossen sei wird, steht noch in den Sternen.
Tröstlich mag für Peter S. sein, daß er von den Leuten im Dorf genauso behandel wird wie vorher. Er gehört immer noch zur Gemeinschaft, weil seine Mitmenschen die Vorverurteilung durch Medien und Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehen können un meinen, daß das Gerede von "rechtsextremen Gewalttätern" in ihrem Ort Quatsc sei. Überhaupt zählt Gewalt in diesem Teil des Landes nicht zur vorherrschende Kommunikationsform, auch wenn das in der überregionalen Berichterstattung häufi suggeriert wird.
Zahlreiche Vereine, Jugendclubs, gemeinsame Freizeitgestaltung, die Arbeit in de Freiwilligen Feuerwehren und anderes bieten den jungen Menschen genügen Betätigungsmöglichkeiten und Gelegenheiten, sich selbst zu beweisen. Wenn man die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen gerade in Brandenburg bedenkt, ihre geringe Aussichten, in ihren Heimatgemeinden oder in näherer Umgebung Ausbildungsplätze mi Zukunft zu bekommen, ihre Konfrontation mit Arbeitslosigkeit in den Familien dan sind die jungen Menschen hier sogar beruhigend friedlich.
Das Schlimmste, was in den letzten Jahren auf Dorffesten passierte, war, daß eine Ban umgefallen ist. Vielleicht kommt das wenigstens im Prozeß zur Sprache, hoffen diejenigen die Peter S. in der schweren Zeit bis dahin beistehen, ihn bei sich beschäftigen, nich allein lassen.
Und natürlich hoffen sie, daß am Ende der Freispruch steht. Denn eigentlich hätt Peter jetzt in der Feuerwehr befördert werden sollen. Doch das traut man sich nun doc nicht so recht. Obwohl jeder bis zum Nachweis seiner Schuld eigentlich als unschuldig zu gelten hat. So sollte es nach der Wende auch in Brandenburg sein. Doch etliche Bürge haben sich angesichts dieses Falles schon zugeraunt: "Das ist ja wie früher in de DDR!"
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