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Die Vorwoche brachte zwei für die Nahost-Politik wichtige, wenngleich nicht entscheidende Ereignisse: Die Anhörung des designierten Verteidigungsministers Robert Gates durch eine Senatskommission und die Veröffentlichung des Berichts der "Iraq Study group" (ISG), auch Baker-Kommission genannt.
Gates, selbst Mitglied der ISG, überzeugte die Parlamentarier durch offene, teils geradezu "unpolitische" Antworten. Aufsehen erregte sein lakonisches "no" auf die Frage, ob man den Krieg im Irak gewinne. Doch Vorsicht: Der Fragesteller benutzte das "progressive" Präsens ("is winning the war"), er fragte also, ob die USA "auf dem Wege seien, den Krieg zu gewinnen" - was zu verneinen war. Gates sagte nicht, daß man den Krieg verloren habe, und er ließ damit auch offen, ob man ihn nicht mit anderen Strategien gewinnen könne.
Zu hinterfragen wäre auch, was Gates, was die Senatoren und was Übersetzer jeweils unter "Krieg" verstehen - eine bei "asymmetrischer Kriegführung" keineswegs eindeutige Sache. Die Warnung vor einem "Flächenbrand" bedarf ebenso der Präzisierung: Geht es um den Libanon, wo wieder einmal ein Stellvertreterkrieg droht? Oder auch um Ägypten, Saudi-Arabien und Jordanien, wo autokratische, US-abhängige Machthaber mehrheitlich US-feindliche "Untertanen" haben?
Heftige Kritik erntete Gates aus Israel: Auf die Frage, warum der Iran möglicherweise Atomwaffen anstrebe, hatte Gates darauf hingewiesen, daß der Iran von Atommächten umringt sei - von Pakistan im Osten, Rußland im Norden, Israel im Westen und den USA im Golf. Mit dieser sachlich richtigen Antwort hatte Gates aber das bisher streng gewahrte Tabu verletzt, das "geheime" Atomwaffenarsenal Israels totzuschweigen.
Der Bericht der ISG betrifft sowohl den Irak als auch allgemein den Nahen Osten. Man versteht sich als "pragmatisch" und "realistisch" - ein demonstrativer Gegensatz zur "moralisch" und "ideologisch" bemäntelten Politik der Regierung. "Realismus" ist bei den Diagnosen tatsächlich vorhanden, bei den Empfehlungen nur bedingt: Denn an erster Stelle steht die Forderung nach einer regionalen Konferenz - was direkte Gespräche mit Syrien und dem Iran einschließt. Und genau das hat Bush bereits abgelehnt.
Syrien und der Iran sind an direkten Gesprächen interessiert, doch kaum an einer "Irak-Konferenz", denn damit würden sie ja "Einmischung" zugeben.
Der iranische Einfluß ist zwar offenkundig, andererseits betreiben auch die USA und Israel vom Irak aus Subversion gegen den Iran. Der syrische Einfluß ist unbedeutend, und dem Vorwurf, daß Syrien das Einsickern von "Terroristen" nur mangelhaft verhindere, steht entgegen, daß dies eigentlich Aufgabe der Besatzungsmacht jenseits der Grenze ist. Und beide Länder haben andere Hauptinteressen, zunächst ein Ende der Boykott-Maßnahmen, dann den Libanon, und Syrien zudem die Rückgewinnung der von Israel völkerrechtswidrig annektierten Golan-Höhen. Und natürlich geht es um die Palästinenser - als Schachfiguren.
Die ISG verlangt auch eine stufenweise Reduzierung der US-Truppen im Irak. Dem steht die Forderung maßgeblicher Militärs nach massiver, wenngleich vorübergehender Aufstockung entgegen - so wie ja Strategie-Experten den Hauptfehler darin sehen, daß 2003 nicht mindestens 500000 Mann zur "Befreiung" des Irak aufgeboten wurden. Die für einen US-Rückzug nötige Stärkung von irakischer Armee und Polizei droht ihrerseits daran zu scheitern, daß beide schiitisch kontrolliert sind.
Geradezu lächerlich erscheint die Forderung, die zerstrittenen Iraker unter Druck zu setzen und mit Entzug von Militär- und Wirtschaftshilfe zu "drohen". Denn die eigentlichen Kombattanten haben keine Nachschubprobleme: Schiitische Milizen werden vom Iran versorgt, während Sunniten, Saddam-Anhänger und alle grob vereinfachend El Kaida genannten Gruppen auf unzählige dezentrale Waffendepots des alten Regimes zurückgreifen können.
Ein Hauptanliegen der ISG ist immerhin die Lösung des Palästina-Problems - womit man in die gleiche Kerbe schlägt wie Ex-Präsident Jimmy Carter. Und tatsächlich ist das den Palästinensern angetane Unrecht "die Mutter aller Probleme", um es blumig-orientalisch auszudrücken. Eine nachhaltige Nahost-Lösung erfordert die Einbeziehung aller Gruppen, die reale Macht besitzen, ob man sie nun mag oder nicht. Und genau das wird weiterhin sabotiert - wie sich an Hamas und Hisbollah als Parteien und an Syrien und dem Iran als Staaten zeigt.
Von Kriegen und Kreuzzügen
Es wird oft unterschätzt, wieviel Unheil auf unbedachte Wortwahl und irrige Übersetzungen zurückzuführen ist. Als Bush den "War on Terror" verkündete, dachten er und wohl die meisten seiner Landsleute an das, was man gemeinhin unter "Krieg" versteht - mit Fronten und Schlachten.
Selbst der amerikanische Bürgerkrieg paßte in dieses Schema, nicht aber die Vorgänge in Afghanistan und im Irak, und das ist auch der Grund, warum man einen längst tobenden Bürgerkrieg nicht als solchen wahrhaben will. Wenn man sich aber über "Krieg" im unklaren ist, ja sogar das "Kriegsziel" mehrmals ändert, kann man auch keinen "Sieg" vermelden - und keinen "Frieden" erreichen. Und was ist denn eigentlich mit dem "Terror"? Das im Mai 2003 auf einem Flugzeugträger inszenierte Spektakel "Mission accomplished" - "Auftrag erfüllt" - war jedenfalls Volks- und Selbstbetrug, keinesfalls eine wirkliche Siegesmeldung.
Als Bush einst das Wort "crusade" - "Kreuzzug" - ins Spiel brachte, wußte er selbstverständlich nicht, daß dieses Wort von "crux" - "Kreuz" - abgeleitet ist, denn in der Umgangssprache hat "crusade" nur die übertragene Bedeutung "Feldzug" oder "Kampagne" (etwa gegen Armut, Drogenhandel und andere Plagen.)
Für Nicht-Amerikaner hingegen steht, insbesondere nach Übersetzung, die wörtliche Bedeutung des Begriffes im Vordergrund - für Muslime sogar ausschließlich diese. Und "al-hurub al-salibia" - "die Kreuz-Kriege" - sind nun einmal ein rotes Tuch für die islamische Welt . RGK |
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