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Hierzulande ist in der letzten Zeit vielfach von Entschädigung, Versöhnung und somit materieller wie ideeller Wiedergutmachung die Rede. Und den hehren Worten folgen auch Taten. Bald wird gegen den Widerstand des Berliner Senats inmitten der Hauptstadt ein monströses Stelenfeld nahe des Brandenburger Tor es zum Gedenken des jüdischen Holocausts errichtet werden. Graf Lambsdorff ist als Beauftragter der Bundesregierung in den USA damit befaßt, eine entsprechende Milliardensumme als Entschädigung für die NS-Zwangsarbeiter im Dritten Reich auszuhandeln.
Das Beispiel könnte Schule machen. So forderte bereits der amerikanische Bürgerrechtler Sam E. Anderson im Plenarsaal des Schomburg Center in New York anläßlich eines Symposiums zum Thema "Sklavenrouten: Die lange Erinnerung" , daß die Schwarzen in den USA von den Juden und ihrer Klage gegen deutsche Konzerne lernen sollten. Noch unverblümter und zugleich unmißverständlicher drückte es der Historiker John Hope Franklin aus: "Wir haben unseren eigenen Holocaust."
Die Nachkommen der ehemaligen afrikanischen Sklaven fühlen sich in den USA nicht zu Unrecht vernachlässigt. Zwar gibt es in Wahington ein Holocaust-Museum, jedoch keine staatliche Gedenkstätte zur Sklaverei. Reparationszahlungen haben die Vereinigten Staaten nach dem zweiten Weltkrieg an Amerikaner japanischer Abstammung sowie an die amerikanischen Indianer geleistet, die Nachfahren der Sklaven aber können von einer derartigen Wiedergutmachung bislang nur träumen. Im April 1997 hatte sich US-Präsident Clinton in Uganda öffentlich für die Verbrechen der Sklaverei entschuldigt auf amerikanischem Boden jedoch wiederholte er diese Entschuldigung bislang nicht.
Doch in den vergangenen drei Jahrzehnten ist die gründliche Erforschung der Sklaverei zum innovativsten Zweig der nationalen Geschichtsforschung in den USA avanciert. Durch die Zusammenarbeit mit afrikanischen und europäischen Forschungsstellen konnten neue Quellen und Materialien erschlossen werden. So läßt sich allmählich das über vier Jahrhunderte andauernde "Grauen" der Sklaverei in Zahlen erfassen: Die Unesco geht mittlerweile davon aus, daß insgesamt mindestens 22 Millionen Afrikaner in Richtung des amerikanischen Kontinents als Sklaven verschleppt worden sind; schätzungsweise weitere 13 Millionen sind bereits während der Transporte ums Leben gekommen. Das Elend des schwarzen Kontinents begann, nachdem auf Betreiben der katholischen Kirche Ende des 16. Jahrhunderts die Versklavung der Indianer in den spanischen und portugiesischen Kolonien in Amerika verboten worden war. Die dringend benötigten Arbeitskräfte wurden nun per Schiff aus Afrika besorgt. In den USA wurde die Sklaverei endgültig erst nach der Niederlage der Südstaaten im Sezessionskrieg abgeschafft und fand als entsprechender 13. Zusatz 1865 Eingang in die Verfassung.
Das Interesse der neuesten Geschichtsforschung auf diesem bislang eher vernachlässigten Gebiet konzentriert sich neben der zahlenmäßigen Erfassung auch auf die kulturellen wie psychologischen Folgen der Sklaverei auf afrikanischem wie auf amerikanischem Boden. So steht beispielsweise die Frage im Mittelpunkt, inwiefern die Gegenwartskultur der USA auf die afrikanische Kultur vor der Versklavung zurückgeht.
Noch immer wird die Sklaverei nicht offiziell von der Unesco als Verbrechen gegen die Menschheit anerkannt. Auch ist die Sklaverei noch längst nicht beendet. In Mauretanien und im Sudan hat sie ausgerechnet auf dem afrikanischen Kontinent eine merkwürdige Renaissance erlebt. Die Anerkennung des Menschenhandels als Verbrechen sowie das Einklagen von Reparationszahlungen an die Nachfahren der Sklaven waren die Hauptforderungen auf dem New Yorker Symposium. Doch noch halten sich die USA mehr als bedeckt. In der Tat wäre die Reparationssumme für die schwarze Zwangsarbeit insgesamt immens. Auch werden Ansprüche aus dem Ausland befürchtet.
Im Moment bleibt es fraglich, ob die Forderungen der Schwarzen in Amerika jemals über den Status einer moralischen Anklage hinauskommen und sich eines Tages materiell widerspiegeln werden. Daß sie sich aber am Vorbild der in den USA äußerst einflußreichen Juden orientieren, zeugt von ihrem neuen Selbstbewußtsein.
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