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Gregor Schöllgen diskutiert die Frage, ob Deutschland, 14 Jahre nach dem Fall der Mauer, "auf die Weltbühne" zurückgekehrt ist.
Bis 1989 sollten Nato und EU Deutschland einhegen. "Europa wurde erfunden, um die Deutschen zu bändigen." Washington lenkte die westdeutsche Außenpolitik. Nicht selten lasen deutsche Diplomaten erst in der Zeitung, welche Entscheidungen der "große Bruder" getroffen hatte. Mit der deutschen Wiedervereinigung kehre "die Geschichte zurück", obwohl der weitere Gang der Dinge seltsam zwiespältig verlief. Einerseits fanden die Deutschen zu "sich selbst" und lockerten ihre existentielle Abhängigkeit von den USA. Andererseits gab Deutschland seit Maastricht mehr denn je Souveränität srechte preis und opferte sogar die starke D-Mark, ohne daß sich nennenswerte Opposition regte.
Seit Anfang der 90er Jahre mußte Deutschland international größere "Verantwortung" tragen. Dazu gehörten auch militärische Einsätze außerhalb der Nato. Schöllgen betrachtet die Hintergründe der militärischen Engagements der Bundeswehr in Südosteuropa, Afrika und Afghanistan. Die angebliche Notwendigkeit solcher Interventionen resultiere aus der "krisenhaften Entwicklung" der einstigen Kolonialländer. Sie seien "mit dem Zusammenbruch der alten Weltordnung völlig außer Kontrolle" geraten. Bevölkerungsexplosion und der Kampf um knappe Ressourcen mündeten in eine "Fehlentwicklung".
Inwiefern militärische Maßnahmen die Krise der Dritten Welt lösen können, weiß Schöllgen nicht zu sagen, obwohl er selbst bemerkt, daß "eine zu diesem Zweck durchgeführte militärische Aktion ohne politisches Konzept zum Scheitern verurteilt ist".
Schröders Weigerung, am IrakKrieg teilzunehmen, endete mit der Proklamation des "deutschen Weges". Damit habe Schröder die deutsche Diplomatie emanzipiert und Deutschland als "Gegenmacht Amerikas" aufgebaut. Klugerweise jedoch übertrage Schröder die Führungs-rolle hinsichtlich der Irak-Frage dem gaullistisch orientierten Chirac.
Das Buch enthält zahlreiche unausgesprochene Widersprüche. So wirft Schöllgen den USA "Arroganz der Macht" vor und tadelt sie wegen ihres Strebens nach weltweiter Hegemonie. Gleichzeitig betont er, daß die Amerikaner als globale Ordnungsmacht unverzichtbar seien. Den Deutschen wiederum empfiehlt der Autor das "Hintanstellen nationalstaatlicher Sicherheitsinteressen". Deutschland leiste vorbildlich "Souveränitätsverzicht". Schöllgen fordert, Europas Außen- und Wirtschaftspolitik zentral zu koordinieren. Wie aber soll Deutschland "sich selbst" finden?
Die wichtige Frage der EU-Osterweiterung wird marginal behandelt. Manche Kapitel des Bandes lesen sich zähflüssig, nicht nur auf Grund etlicher Wiederholungen. Vieles ist noch aus den Nachrichten geläufig. Oftmals irrlichtert der Text zwischen journalistischem Kommentar und zeitgeschichtlicher Analyse.
Schöllgen bereichert die tagespolitische Debatte, doch hätte er dieses Buch problemlos auf das Format eines Zeitungsartikels "eindampfen" können. Rolf Helfert
Gregor Schöllgen: "Der Auftritt. Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne", Propyläen, München 2003, 176 Seiten, 18 Euro |
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