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Wie immer das Ringen um das Zuwanderungsgesetz ausgeht, der Trend ist klar: Es soll weniger Zuwanderer geben. Aber Deutschland braucht - so die einhellige Meinung - in der Wirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, weil der heimische Markt sie nicht mehr hergibt. Und hier tut sich eine Frage auf: Deutschland ist Einwanderungsland , aber hat es die Einwanderer, die es braucht? Für Herwig Birg, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Demographie und geschäftsführender Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld, ist diese Frage nicht so eindeutig zu beantworten. Deutschland sei zwar ein Einwanderungsland, was die hohen Zahlen der Einwanderer betreffe, und das schon seit zwei bis drei Jahrzehnten. Dennoch sei Deutschland auch "kein Einwanderungsland, weil wir nämlich nicht genügend auswählen oder fast gar nicht auswählen, und das aufgrund unserer Rechtslage auch nicht können. Denn man kann ja Asylbewerber oder Flüchtlinge nicht sortieren in solche, die wirtschaftlich erwünscht sind, und solche, die nicht erwünscht sind."
Trotz der großen Zahl an Einwanderern habe Deutschland nun nicht diejenigen in ausreichender Zahl, die die Wirtschaft brauche. Wenn man zurückblicke, so Birg, "stellt man fest, daß wir seit 15 Jahren wesentlich mehr Einwanderer in die Sozialsysteme haben, als wir eigentlich davon auf dem Arbeitsmarkt beschäftigen konnten, d. h., es gibt eine - wie das in der Wissenschaft mittlerweile genannt wird -- Umverteilung von den Einheimischen zu den Zugewanderten. Insofern kann man sagen, daß die Einwanderer die Aufgaben, deren Lösung wir von ihnen erhofft haben, nämlich den Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen, nur teilweise erfüllen." Birg warnt auch vor neuen Problemen. Kurzfristig ließen sich zwar Arbeitsmarktlücken schnell schließen, aber wenn man das ständig mache, handele man sich auch Probleme ein. "Die bestehen darin, daß jemand, der beschäftigt ist, ja nicht immer beschäftigt ist, er kann auch arbeitslos werden. Und das haben wir zu beklagen, nämlich daß die Arbeitslosenquote bei den Eingewanderten um den Faktor zwei bis drei höher ist als bei den Deutschen. Das gleiche gilt für die Sozialhilfeempfängerquote. Also, die Einwanderung in die Sozialsysteme hat in einem so erheblichen Umfang stattgefunden, daß Begrenzung jetzt das Ziel aller Parteien ist." Wahrscheinlich werde dieses Ziel aber mit dem jetzigen umstrittenen Gesetz nicht erreicht.
Die Integrations- und Sozialkosten durch die Zuwanderung lassen sich beziffern. Birg: "Klar erfaßbar sind die fiskalischen Auswirkungen. Man kann bilanzieren, wieviel die Zugewanderten in die Renten-, Pflege- und Krankenversicherung einzahlen, wieviel sie an Steuern in das Fiskalsystem einzahlen und wieviel sie auf der anderen Seite in Form von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe oder auch Renten- und Pflegeleistung etc. herausbekommen. Wenn man das sauber auflistet und ausrechnet, wie das kürzlich durch das ifo-Institut und das Max-Planck-Institut für ausländisches Sozialrecht geschehen ist, stellt man fest, daß pro Kopf und pro Jahr beträchtlich mehr aus- als eingezahlt wird, nämlich ungefähr 4.600 DM pro Kopf und pro Jahr für jene, die eine Aufenthaltsdauer von weniger als zehn Jahre haben." Dies belege, daß es in der Tat eine Umverteilung von Einheimischen zu den Zugewanderten gibt. Das Faktum sei noch wenig bekannt und komme in den Grundlagen für das Zuwanderungsgesetz nicht vor.
Im Juni wird Birg im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin auf einem europäischen Kongreß über Demographie und Wohlstand einen Vortrag halten mit dem Thema: "Strategische Option einer Immigrations- und Familienpolitik für Deutschland und Europa". Im Gespräch mit dem Autor nennt er Stichworte: "Zunächst einmal sollte nun Schluß sein mit der demographischen Ausbeutung anderer Länder. Wir können nicht einfach davon ausgehen, daß die Kinder, die in Deutschland nicht mehr geboren werden, schon in anderen Ländern geboren und dort auch erzogen und ausgebildet werden auf Kosten dieser Länder, und wenn sie dann fertige und möglichst gut ausgebildete Arbeitskräfte sind, nach Deutschland auswandern. Das ist eine naive Vorstellung und ungefähr eine Praxis, die im Absolutismus und Merkantilismus geherrscht hat. Damit muß Schluß sein. Aber auf dieser gedanklichen Basis beruht das Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz, denn die ökonomischen Argumente sind seine Hauptargumente. Welche Alternativen sind möglich? Auf Dauer muß jedes Land aus eigener Kraft seine Probleme lösen. Wodurch? Natürlich durch eine möglichst wirksame neue Familienpolitik, die gleichzeitig ja auch Arbeitsmarktpolitik ist, denn wer geboren ist, ist nach 20 Jahren dann auf dem Arbeitsmarkt Arbeitskraft".
Ohne eine sinnvolle Familienpolitik, so Birg, würden wir auf Dauer immer mehr abhängig von Zuwanderungen oder Einwanderungen sein und müßten dann pro Jahr immer höhere Zuwanderungszahlen haben. Das aber "kann nicht Sinn einer voraussehenden Politik sein". Insofern solle die Diskussion um das Einwanderungsgesetz "sich endlich den langfristigen Aspekten widmen, die bisher immer ausgeklammert wurden |
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