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Wie die 1961 gebaute Berliner Mauer hatte auch die von 1734 bis 1736 errichtete Stadtmauer, zu der einst das Brandenburger Tor gehörte, die Aufgabe, Menschen an der Flucht zu hindern. Während es Walter Ulbricht jedoch darum ging, die gesamte Bevölkerung einzusperren, sollte die von Friedrich Wilhelm I. erbaute nur seine in den Vorstädten einquartierten Soldaten am Desertieren hindern. So war die sogenannte Akzisemauer denn auch weniger aufwendig gestaltet als der sogenannte antifaschistische Schutzwall. Er bestand im Norden der Stadt aus Holzpalisaden und nur im Süden und Osten aus massivem Mauerwerk. Wie der Begriff Ak- zise-, sprich Zoll-Mauer bereits ahnen läßt, richtete sich diese nicht nur gegen die Soldaten in der Stadt, sondern auch gegen die unkontrollierte Einfuhr von Getränken, Mehl und Schlachtfleisch unter Umgehung von Ab- gaben an die Obrigkeit.
Diese insgesamt rund 16 Kilometer lange Mauer hatte erst sechs, dann 15 und schließlich 18 Tore, darunter neben dem Halleschen, dem Rosenthaler, dem Cottbusser, dem Oranienburger, dem Potsdamer, dem Neuen, dem Hamburger, dem Schönhausener, dem Prenzlauer, dem Königs-, dem Landsberger, dem Frankfurter, dem Stralauer, dem Schlesischen, dem Köpenicker, dem Wasser- und dem Anhalter auch ein Brandenburger Tor. Das erste Brandenburger Tor wurde zwischen 1734 und 1738, also noch in der Regierungszeit des "Soldatenkönigs", erbaut und war entsprechend schlicht. Die wenigen zeitgenössischen Darstellungen zeigen einen unauffälligen barocken Bau mit zwei Torpfosten, geschmückt mit Pilastern und Trophäen.
Wenn das erste Brandenburger Tor auch Durchschnitt war, so war es doch nicht sein Standort. In einem Reiseführer Berlins aus dem Jahre 1776 heißt es aus der Feder Peter Heinrich Millenets: "... besonders verdiente wohl das Brandenburger Thor, in Ansehung seiner vortrefflichen Lage, mehr Ansehen zu erhalten." Immerhin bildete es neben dem Berliner Schloß den Abschluß der schon damals repräsentativen Straße "Unter den Linden", und es lag auf dem Weg nach Westen in Richtung der Stadt Brandenburg, des Jagdreviers des Tiergartens und des sechs Kilometer entfernten Schlosses Charlottenburg.
Der ungleich sinnenfrohere und weniger sparsame Enkel des "Soldatenkönigs" auf dem preußischen Throne, der "Dicke Wilhelm", sah das offenkundig ähnlich. Er beauftragte den aus Schlesien stammenden Direktor des Oberhofbauamtes, Carl Gotthard Langhans, mit der Neugestaltung des Tores. Der Klassizismus, dieses Kind der Aufklärung mit seiner Orientierung an der Antike, eroberte nun allmählich auch Preußens Hauptstadt. Entsprechend sehen Langhans Vorstellungen von einem antiken griechischen Portal mit einem römischen Viergespann aus.
Durchaus divergierend sind die Ansichten in der Kunstgeschichte hinsichtlich der Vorbildfunktion, welche die Antike für Langhans Werk hatte. Er selber meinte hierzu, wobei er das "Stadt-Thor von Athen" mit den Propyläen der Akropolis verwechselte: "Die Lage des Brandenburger-Thores ist in ihrer Art ohnstreitig die schönste von der ganzen Welt, um hiervon gehörig Vortheile zu ziehen, und dem Thore so viel Oefnung zu geben, als möglich ist, habe ich bey dem Bau des Neuen Thores, das Stadt-Thor von Athen zum Modell genommen, so wie solches von le Roy und Stuart et Revett nach denen noch gegenwärtig in Griechen-Land befindlichen Ruinen, umständlich beschrieben wird."
Johann Gottfried Schadow, der Erschaffer der Quadriga auf dem Brandenburger Tor, geht hinsichtlich Langhans Orientierung an der Antike noch ungleich weiter, wenn er ihm mit den folgenden Worten Nachahmung vorwarf: "War es Mißtrauen gegen eigene Ideen, oder Bequemlichkeit, genug, er entlehnte gerne. Auf seinen Reisen hatte er seine Mappen gefüllt, und eine Wiederholung anerkannter Meisterwerke dünkte ihm sicherer als neue Originale von unsereinem."
Heinz Schönemann hingegen interpretiert Langhans "Berufung auf das antike Vorbild" nicht etwa als halbherziges Eingeständnis der Nachahmung, sondern ganz im Gegenteil als eine "Schutzbehauptung, wie sie für Schritte ins Neuland an derart prominenter Stelle zu erwarten ist".
Am 15. Mai 1789 wurde ein Modell des neuen Tores erstmals der Öffentlichkeit in der Akademie der Künste vorgestellt. Nachdem das erste Brandenburger Tor abgerissen worden war, wurde noch im selben Jahr mit dem Bau des heutigen begonnen. Das Gros des hierfür nötigen Sandsteins wurde zwischen März und Michaelis, sprich dem 29. September, geliefert. "Da der Durchmesser der Säulen am Thore gegen 6 Fuß hält, so werden selbige gemauert, damit der Außenwand Werksteine dabey gesparet werden können", vermerkte Langhans hierzu in seinem "Pro Memoria". Bereits im Juni 1790 waren die Säulen aufgerichtet, und am 15. August desselben Jahres stand zu lesen: "Bey dem Bau des Brandenburger Thores ist die Steinmetzarbeit meist gänzlich fertig und wird jetzo das Hauptgesims am Architrav ringsherum versetzt."
Ein Jahr später war es dann soweit. Anfang August 1791 konnte Langhans dem Hof mitteilen, daß der Torbau nun fertiggestellt sei. Der Neubau war zwischen 62,5 und 65,5 Meter breit, elf Meter tief und bis zum Sok-
kel der erst später hinzukommenden Quadriga 21,5 Me- ter hoch. Für die Fußgänger waren keine Reglementierungen vorgesehen. Die 5,50 Meter breite Durchfahrt in der Mitte war für die Kutschen des Herrscherhauses vorgesehen, während die übrigen vier, jeweils 3,79 Meter breiten Durchfahrten von den anderen Wagen und Reitern im Linksverkehr genutzt werden sollten.
Die Eröffnung erfolgte denkbar formlos. Am 6. August erhielt der Baumeister auf seine diesbezügliche Anfrage seitens des königlichen Bauherrn die Information, daß dieser sobald nicht in seine Hauptstadt zurückzukehren gedenke und das Tor ohne ihn eröffnet werden könne. Noch am selben Tag wurde das Tor für den Verkehr geöffnet und gemäß dem Protokoll vom "Dienstbeginn" "bezog das daselbst wachthabende Militair die an diesem Thor neu erbaute Wache". N
Brandenburger Tor (oben) und Propyläen der Akropolis (rechts): Die Bedeutung des antiken Gebäudes in Athen für den Langhans-Bau in Berlin ist umstritten Kupferstich: Johann Carl Richter |
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