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Bilder sprechen in der Politik eine so deutliche Sprache, daß sie in ihrer Wirkung Beschlüsse oder Programme übertreffen. Bilder sind einprägsam und verblassen langsamer als Worte. Deswegen ist die Momentaufnahme vom vergangenen Wochenende am Berliner Alexanderplatz so verheerend für Berlins Liberale: Günter Rexrodt und Gregor Gysi sammeln gemeinsam Unterschriften für eine Neuwahl des Abgeordnetenhauses.
Bevor sich die Ereignisse so überschlugen, daß das Parlament sich nun bald selbst auflösen wird, hatte der FDP-Vorsitzende ein Volksbegehren gestartet. Die zuletzt mit zwei Prozent abgestrafte Partei versprach sich davon den Wiedereinzug ins Parlament. Sieben Prozent gaben Meinungsforscher der Partei. Für die politische Linke war dies ein unerwarteter Glücksfall, durch den der Coup dEtat verschleiert werden konnte. Alleine hätten die Liberalen angesichts ihrer geringen organisatorischen Schlagkraft so eine Initiative niemals über die Bühne bringen können.
Also gesellten sich binnen weni-ger Stunden die SED-Nachfolger und die Alternativen hinzu. Rex-rodt sah sich von da an von den Meinungsmachern in der Haupt-stadt umworben. Plötzlich tauchte der sonst so hämisch ignorierte Ex-Minister in jeder Nachrichtensendung und jeder Tageszeitung auf. Er lieferte der Linken das bürgerliche Feigenblatt für den Sturz des Diepgen-Senats.
Daß er mit Gysi gemeinsame Sache macht, scheint Rexrodt nicht im geringsten zu stören. Lenin hat solche Kapitalisten, die sich aus opportunistischen Erwägungen zum Steigbügelhalter der Weltrevolution machen, als "nützliche Idioten" bezeichnet. Man kann nur ahnen, was Gysi heutzutage denkt, wenn er Seite an Seite mit einem so vorbildlichen Vertreter des "Großkapitals" und des Bürgertums Unterschriften sammelt.
Der Unmut der FDP über den CDU-Senat hat allerdings auch nachvollziehbare Ursachen. Seit der Abwahl des CDU/FDP-Senats 1989 wurden die Liberalen von der 1990 wiedererstarkten Union nur geschnitten. Die CDU glaubte, bis ans Ende der Zeit mit einem Juniorpartner SPD trotz der eindeutigen linken Parlamentsmehrheit regieren zu können.
In der ersten Legislaturperiode nach der Wiedervereinigung lehnte Diepgen Gedankenspiele über eine Neuauflage der Koalition rundheraus ab. Diese wäre durch den Übertritt einiger Abgeordneter zur FDP beinahe möglich geworden. 1995 ließ Rexrodt auf Plakaten verkünden, die Chance sei da. Gemeint war eine Neuauflage der bürgerlichen Koalition. Die CDU aber hielt der SPD demonstrativ die Treue trotz ihrer Wahlniederlage.
1999 setzte Diepgens Busenfreund Landowsky der gebeutelten FDP noch stärker zu. Die Liberalen wurden systematisch ausgegrenzt oder gezielt der Lächerlichkeit preisgegeben. Am Ende stand eine mit 2,2 Prozent marginalisierte FDP. Jetzt wünschen sich die CDU-Strategen, es gäbe eine starke FDP-Fraktion.
Allerdings hat Rexrodt seine Partei systematisch gleichzu-schalten versucht. Seine parteiin-ternen Widersacher um den ehe-maligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl hat er seit seiner zweiten Amtsübernahme vor gut einem Jahr bis aufs Messer bekämpft. Mit seinem innerparteilichen Machtapparat und seinen alten Verbindungen aus der Zeit im Kabinett Kohl konnte er Zwietracht in den Reihen der Nationalliberalen säen und ihnen eine Parteigliederung nach der anderen abspenstig machen.
Tempelhof, den einflußreichsten Bezirksverband der Nationalliberalen, versuchte er bislang erfolglos mit Masseneintritten und Manipulationen zu unterwerfen. Er konnte hierzu auf die unerfahrenen Studenten zurückgreifen, die vor drei Jahren die FDP gezielt unterwandern wollten. Deren Wortführer erhielten gut bezahlte Assistentenstellen bei der Bundestagsfraktion und widmeten sich seitdem nur noch dem parteiinternen "Kampf gegen rechts".
Aber mit seiner Anbiederung an die Verantwortlichen für Mauer und Stacheldraht scheint er zu weit gegangen zu sein. Auch in den eigenen Reihen wird Kritik laut. Sein linksliberaler Widersa-cher Martin Matz, so heißt, wolle die Chance nutzen, Rexrodt vorzeitig zu beerben. Setzt Matz sich an die Spitze der Bewegung gegen den Ex-Minister und erhält er die Unterstützung der FDP-Rechten, so könnte der jüngste Höhenflug des Günter Rexrodt beendet sein, bevor er richtig begonnen hat. Die Wahlchancen der Liberalen dürfte er durch den Auftritt mit Gysi ohnehin drastisch geschmälert haben. Und ein einziger fehlender Prozentpunkt macht bei den Liberalen schnell aus einem glanzvollen Sieg eine herbe Niederlage.
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