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Lange Zeit galt das Wort von Napoleon, wonach es nur zwei konkurrierende Weltmächte gäbe, Rußland und den Okzident. Sein Landsmann Tocqueville spitzte diese weltpolitische Kurzanalyse noch zu auf das Paar Rußland und Amerika. Das galt bis zum Ende des letzten Jahrhunderts. Nun wird es Zeit umzudenken. Rußland und Amerika ziehen an einem Strang, sowohl bei der Ölförderung in Sibirien und dem dazugehörigen Einfluß auf dem globalen Ölmarkt als auch bei der Terrorbekämpfung. Eine neue Nordallianz entsteht, und die Europäer können - wenn sie wollen - sagen, wir sind dabei gewesen.
Der Höhepunkt der Europa-Reise des amerikanischen Präsidenten Bush war zweifellos die Station Rußland. Dabei war der Abrüstungsvertrag nur Beiwerk, denn er enthält manche vage Bestimmung, etwa daß die abzumontierenden Sprengköpfe nicht zerstört, sondern nur beseitigt werden müssen, sie können also auch eingelagert werden. Das wirklich gemeinsame Interesse zwischen der Weltmacht Nummer eins und der östlichen Großmacht in Europa hat zwei Ebenen, eine politische und eine wirtschaftliche. Beide sind miteinander verbunden.
Zur politischen gehört die Bedrohung durch den islamistischen Terror ismus. Man darf sich da freilich nichts vormachen. Es geht beiden Seiten um Macht. Rußland macht sich das amerikanische Interesse zunutze, um ungehindert in Tschetschenien wider alle Menschenrechte einen barbarischen Feldzug zu führen. Die Amerikaner drücken beide Augen fest zu und denken vor allem an Al Qaida, Hamas und Hisbollah.
Den breitesten Raum in der neuen Allianz rund um die nördliche Halbkugel nimmt die Zusammenarbeit bei der Ölförderung ein. Hier werden Ameri- kaner und Russen ganz konkret. Das sibirische Öl soll von bester Qualität sein, ist aber nur mit amerikanischer Hochtechnologie zu fördern. Erste Verträge wurden unterzeichnet. Es werden Pipelines gebaut von Sibirien bis Alaska. Das russische Öl ist eine Alternative zur saudischen Monopolstellung auf dem Ölmarkt. Die saudische Vormacht ist der Bush-Regierung spätestens seit dem 11. September ein Dorn im Auge. Riad ist mittlerweile als unsicherer Kantonist der Region erkannt. Das Regime ist labil, Unruhen könnten die Öllieferungen schnell beeinträchtigen. Umso befremdlicher wirkt auf Washington der Wunsch der Saudis, daß die amerikanischen Truppen die arabische Halbinsel verlassen sollen und auch daß man den irakischen Diktator Saddam Hussein in Ruhe lassen solle. Hinter der zweiten Forderung der Saudis steht gewiß auch die Furcht, daß der Ölpreis sinken könnte, wenn das irakische Öl nach einem Sturz Saddams den Markt überschwemmt.
In Riad wird man die russisch-amerikanische Entente mit großer Aufmerksamkeit beobachtet haben. Sie paßt in das religiös geprägte Denken der Saudis: Die Christen tun sich zusammen - gegen uns. Mit der Machtpolitik zwischen Moskau, Washington und Europa hat das natürlich nichts zu tun. Aber Realismus war im Vorderen Orient selten ein bestimmender Faktor der Politik. Die neue Nordallianz sollte das ins Kalkül nehmen.
Alle drei, USA, Rußland und Europa, haben gemeinsame Feinde der Freiheit, die Bush in Berlin auch beim Namen nannte: Es sind die totalitären Denker und Herrscher, Tyrannen wie Saddam Hussein und radikale Islamisten, ihre Waffe ist der Terrorismus in all seinen Formen. Wer nach Sicherheit sucht, indem er diese Feinde aktiv bekämpft, der findet auch die Freiheit - so die Gleichung des George W. Bush, die man fast eine Bush-Doktrin nennen könnte, wenn nicht schon Denker wie Wilhelm von Humboldt den inneren Zusammenhang zwischen Sicherheit und Freiheit schon viel früher beschrieben hätten.
Bushs Rede im Bundestag erntete nicht nur stehenden Applaus fast aller deutschen Volksvertreter, auch ihr Echo außerhalb des Hohen Hauses war im Grundton positiv, und dazu paßt, daß sich die Demonstranten auf dem Alexanderplatz verliefen. Es waren verlorene Haufen, deren letztes Mittel nicht das Argument, sondern Plakate und Besetzungen von U-Bahn-Stationen sind. Es sind Reaktionen der Angst. Damit kann man die Gefahr nicht beseitigen.
Bush ließ auch erkennen, worin der Mut wurzelt, mit dem er und seine Regierung der säkularen Herausforderung des radikalen Islam begegnen: Es ist das Vertrauen in Gott. Dieses Vertrauen teile er mit Christen, Juden und auch Muslimen guten Willens. Als er seine Rede mit den Worten "Gott segne Sie" beendete, da war es, als läge plötzlich der Atlantik zwischen dem Rednerpult und den Bänken der Abgeordneten. Das macht in Wort und Tat den großen Unterschied aus: Die Amerikaner sind fast alle gläubig. In Europa wird die Zahl der Beter immer kleiner, es verflacht und verdunstet die persönliche Beziehung zu Gott und damit das ungebrochene Vertrauen, daß die Geschichte gutgehen kann.
Das ist das Geheimnis der Bush-Doktrin, der Glaube, für das Gute zu kämpfen. Seine Kritiker sehen in ihm den Kämpfer gegen die Achse des Bösen. Bush ist eher ein Kämpfer für die Achse des Guten, für eine "Welt der Gerechtigkeit und ein gemeinsames Haus der Freiheit". Es waren keine besonderen Formulierungen, im Grunde auch nichts Neues. Es war die Echtheit, mit der er die einfachen Wahrheiten vortrug. Solche Zuversicht wünscht man sich öfter aus dem Mund von Politikern. Der Wahlkampf böte auch hierzulande manche Gelegenheit.&nbs |
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