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Ein Bilderatlas der Moderne

 
     
 
Die Staatlichen Museen zu Berlin zeigen im Neuen Museum Weimar noch bis zum 24. Oktober eine umfangreiche Ausstellung mit Hauptwerken der deutschen Kunst der 20er Jahre aus der Sammlung der Nationalgalerie (dienstags bis sonntags 11-18 Uhr). Veranstalter ist das diesjährige Weimarer Kunstfest "pèlerinages", das ganz dem Thema der Identität als Übergangserfahrung zwischen Vergangenheit und Zukunft, sehnsüchtigem Rückblick auch und wunschvoller Erwartung gewidmet ist.

In der Kunst der Weimarer Republik
gewinnt diese doch zwiespältige Welterfahrung epochale Anschaulichkeit. Nirgendwo anders in Europa ereigneten sich der Abschied von der Welt des 19. Jahrhunderts, die Erfahrung der Moderne und der Aufbruch in das 20. Jahrhundert in solch exemplarischer Zusammendrängung.

Mit der Ausstellung "Kunst der Weimarer Republik" entfaltet die Nationalgalerie in Weimar einen Bilderatlas der Moderne, der die Melancholie und Gewalt dieses Überganges in allen Facetten erlebbar werden läßt.

Mehr als 50 Gemälde und eine Vielfalt von Exponaten zur Fotografie, Graphik und Plakatkunst präsentieren die 20er Jahre in Deutschland als eine faszinierende Collage unterschiedlichster Strömungen von Expressionismus, Dadaismus und Konstruktivismus bis hin zum proletarischen Realismus und zur Bildpropaganda der späten Krisenjahre.

Die Ausstellung ist angelegt als begehbare Collage der bedeutendsten Aspekte der Weimarer Republik. Die beiden ersten Sektionen, "Idole der Moderne" und "Vor und nach dem Sturm", lenken den Blick auf die Moderne der Vorkriegszeit und ihre erst in den 20er Jahren erfolgte Etablierung als eigenständiges Kapitel der neueren Kunstgeschichte.

Hauptwerke des Expressionismus, darunter Ernst Ludwig Kirchners "Potsdamer Platz" aus dem Jahr 1914, machen deutlich, wie sehr diese erste Moderne das Kunstverständnis der 20er Jahre prägte und die Gesellschaft polarisierte. Nicht nur dem Pluralismus der Stile, sondern auch dem Pluralismus der Generationen verdankt die Kunst der Weimarer Republik ihre faszinierende Vielfalt. Es waren Lovis Corinth und Oskar Kokoschka, die Identifikationsfiguren der Avantgarde der Vorkriegszeit, die in ihren Stadtansichten das Berlin der 20er Jahre auch heute noch lebendig werden lassen.

Unter dem Titel "Zwischen Abstraktion und Realismus - Antithesen der Weimarer Republik" vermittelt der Zentralraum einen Eindruck von den überwältigenden Dimensionen des Bilderkosmos der 20er Jahre. Auf der einen Seite der pathologische Scharfblick auf die Wirklichkeiten der Gesellschaft bei George Grosz und Otto Dix, auf der anderen Seite die Suche nach der reinen Form in den Werken von László Moholy-Nagy, Paul Klee und Lyonel Feininger. In der Synopse werden jedoch auch die Gemeinsamkeiten deutlich: Hier wie da ging es um die Funktionsbeschreibung des Künstlers als Pionier einer neuen Seh- und Bildkultur.

Die Verwandlung von Kunst in eine visuelle Fortschrittsideologie ist auch das Thema der Sektionen "Konstruktion der Zukunft" und "Der neue Mensch". Unterschiedlichste, miteinander konkurrierende Zielsetzungen finden sich hier konzentriert: die Kunst als Motor einer neuen Ästhetik der Gesellschaft im Bauhaus, als Instrument der formalen Objektanalyse in den Bildern der Neuen Sachlichkeit und als Propagandamedium in den "Komplexbildern" Heinrich Vogelers.

Veranschaulicht wird ebenso der energische Kampf der Moderne um die Autonomie der Kunst, wie ihre zunehmende Anfälligkeit für kunstfremde ideologische Orientierungen. Auch die Kunst des Dritten Reichs - dies ist die zentrale Aussage der Sektion "Der neue Mensch" - hat ihre Wurzeln im künstlerischen Experimentierlabor der Weimarer Republik.

In den vier Eckräumen des oberen Ausstellungsgeschosses wird diese Vernetzung von Kunst und Gesellschaft noch einmal separat zum Thema gemacht. Die Schwerpunkte sind: Fotografie, Architektur, Plakate und Objekte des Alltagslebens. Zahlreiche Leihgaben aus den Beständen der Kunstbibliothek und des Museums der Europäischen Kulturen lassen anschaulich werden, daß die Karriere des erweiterten Kunstbegriffs bereits in der Zeit der Weimarer Republik begann. pm

 
     
     
 
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