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Eindrücke aus Karlsbad: Stadt der zwei Gesichter

 
     
 
Karlsbad ist jugendlich geblieben mit dem Jugendstil der restaurierten Häuser des Bäderviertels, mit seinen Parkanlagen, Wandelhallen, Quellen und dem Charme seiner Cafés.

Heinrich Schliemann war hier, Ludwig van Beethoven, Friedrich von Schiller und natürlich Johann Wolfgang von Goethe, um nur einige der prominente
n Gäste zu nennen. Vor dem Denkmal des Weimarers erklärt die Fremdenführerin einer deutschen Touristengruppe, wie oft der Dichter Karlsbad besuchte und auch, daß seine Liebesgeschichte mit Ulrike von Levetzow nach den Anfängen in Marienbad hier ihre Fortsetzung fand.

Die Besucher sind interessiert. Die Fremdenführerin weiß das. Goethe ist gut fürs Geschäft. Fürs Gemüt der Karlsbader aber ist nicht er, sondern Kaiser Franz Joseph zuständig. Der hat zwar hier kein Denkmal, sein Bild aber hängt nicht nur in den Wohnstuben mancher Karlsbader, sondern auch in jedem Hotel.

Der brave Soldat Schwejk hätte hier mit seiner, „melde gehorsamst“, untertänig unbotmäßigen böhmischen Einstellung gegen den väterlich-urgemütlich aussehenden Habsburger einen schweren Stand gehabt.

Karlsbad sieht alt aus am Rande des Zentrums und in den vor sich hin welkenden Vorstädten. Hier bröckeln Fassaden, tuckern Trabis und alte Skodas über die holprigen Straßen, die von überquellenden Müllcontainern gesäumt sind (DDR-Nostalgiker dürfen schwelgen), und wenn der Wind ungünstig steht, riecht man die chemische Industrie in Falkenau.

In den beiden anderen Städten im westböhmischen Bäderdreieck - Marienbad und Franzensbad - sind die Verhältnisse ähnlich. Marienbad ist das mondänste von allen, während Franzensbad nicht ganz mithalten kann.

Auf alle drei Touristenattraktionen passen die nachdenklichen Zeilen aus dem aktuellen Werbeheft der Marienbader Hotellerie: „Heute sind wir ähnlich wie die Archäologen bemüht, Details aus der Geschichte des Ortes und dem einstigen Leben wiederzuentdecken. Unsere Schuld unserem lieben Marienbad gegenüber ist leider groß.

Die letzten fünfzig Jahre bedeuteten einen Niedergang des Ruhmes, einen Schwund des gesamten Niveaus. Allein der Geist der modernen Medizin half die Kontinuität des einstigen Ruhmes zu erhalten. Es liegt nun an uns, durch Erneuerungen und Rekonstruktionen eine Wiederentfaltung zu bewirken.“

Von der Vertreibung der deutschen Bevölkerung der Kurbäder ist zwar nicht ausdrücklich die Rede, doch die Verfasser des Prospekts und alle denkenden Leser wissen, daß sie es war, die neben dem sozialistischen System und der jahrzehntelangen Teilung Europas die Ursache des Niedergangs gewesen ist. Heute sind die Deutschen in dieser

Gegend nur Besucher (Heimatverbliebene gibt es sehr wenige). Die Mark machte sie zu kleinen Königen auf Zeit. Für ihrer 25 bekam man eine Übernachtung plus Frühstück, für 50 Märker eines der vielen Mädchen, die in rasch eingerichteten Etablissements von Schirnding bis Karlsbad die Marktwirtschaft mit dem Körper durchsetzen.

„Sie müssen das ja nicht tun“, sagt die Garderobenfrau im „Bristol“. Sie schämt sich dafür und für die heruntergekommenen Häuser der Vorstädte auch.

„Schauen Sie bloß nicht so genau hin, die Kommunisten haben alles verkommen lassen. Bei mir regnet es seit zwanzig Jahren durch, und nichts geschieht. Bei Ihnen in Deutschland gäbe es so was nicht. Dabei haben wir doch so viele kluge Leute.“

Den klugen Leuten aber fehlt das Geld. Das haben die Deutschen. Sie bevölkern Parks und Straßen, kaufen das berühmte böhmische Glas und ziehen von Quelle zu Quelle, um von dem heilsamen Karlsbader Wasser zu trinken (heute werden zwölf verschiedene heiße Quellen zu Trink- und Badekuren verwendet). Danach geht es in die Gaststätten zu Bier und Becherovka.

Bei diesem alten Likör und beim Wiener Schnitzel sind die Deutschen dann fast unter sich. Die Garderobenfrau aus dem „Bristol“ sagt: „Das ist für uns zu teuer. Ein Schnitzel acht Mark! Wer soll das bezahlen?“

Sie ist wütend auf die ehemalige sozialistische Elite des Landes, die jetzt im real existierenden BMW vor alten Parteifirmen mit neuen Namen parkt. „Dreck schwimmt eben immer oben“, sagt sie; „ich kriege umgerechnet 200 Mark Rente, davon geht die Hälfte für Miete, Gas und Strom weg, ich bin froh, mir hier etwas dazuverdienen zu können.“ Die Arbeit hat sie nur bekommen, weil sie Deutsch spricht.

Deutsch, zumindest ein wenig, spricht hier jeder, der etwas zu verkaufen hat. Tschechisch wird bestenfalls gesungen, am Venustempel zum Beispiel, da steht ein junger Mann, wahrscheinlich ein Student, ein Erstsemester mit Nickelbrille, und singt sein Lied von der zwiegesichtigen Stadt mit jenem Optimismus, der nur 20jährigen eigen ist.

Sicherlich weiß auch er von der strahlenden Vergangenheit Karlsbads: daß sich hier im 18. und 19. Jahrhundert regelmäßig die Mächtigen ihrer Zeit ein Stelldichein gegeben hatten und 1912 mit dem „Imperial“ das damals größte und modernste Hotel Mitteleuropas errichtet worden war. Oder ihn bewegt jenes berühmte Lob Johann Wolfgang von Goethes, der versichterte, daß es für ihn nur drei Orte auf der Welt gebe, in denen er leben wollte: Weimar, Karlsbad und Rom.

Weitere Auskünfte:

Wer sich näher über die Urlaubs- und Kurangebote in Karlsbad informieren möchte, dem bietet sich vom 16.-20. März auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin eine gute Gelegenheit. Geöffnet hat die ITB täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr; der Eintrittspreis beträgt 11,50 Euro, ermäßigt 6 Euro. Der 18. sowie der 19. März sind ausschließlich dem Fachpublikum vorbehalten.

Karlsbad (tschech.: Karlovy Vary) ist auf der weltweit wichtigsten Tourismusmesse mit einem eigenen Stand in der Halle 1.1b vertreten. Desgleichen das nahegelegene Marienbad (Mariánské Lázne).

 
     
     
 
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