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Eine Rückkehr darf es nicht geben

 
     
 
Anfang Dezember feierte die Ostpreußin Marion Gräfin Dönhoff zusammen mit Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Hans-Jochen Vogel ihre 90. Geburtstag mit einem Festakt in Frankfurt/Oder. Der polnische Journalist Ada Krzeminski würdigte dabei besonders die Hilfe deutscher Vertriebener für die viele Städte und Dörfer in Pommern sowie in Ost- und Westpreußen. Helmut Schmidt stellte die Prognose auf, daß der National
staat wahrscheinlich auch noch in einigen Generationen da bestimmende Element in Europa sein werde. Den Hoffnungen der deutschen Heimatvertriebene auf eine Rückkehr in ihre Heimat erteilte Polens ehemaliger Botschafter Janusz Reiter in seiner Laudatio anschließend eine deutliche Absage.

Mit 90 hat man noch Träume. Und manchmal werden sie wahr. Die Mitherausgeberin de Hamburger Wochenzeitung "Zeit" hatte sich für ihren runden Geburtsta gewünscht, mit ihrer Festgesellschaft problemlos auf beiden Seiten der Oder feiern zu können. So gab es erst an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) de Festakt, anschließend begab sie sich mit ihren Gästen zum Abendessen über die Oder in den Frankfurter Stadtteil Dammvorstadt, polnisch Slubice.

Marion Gräfin Dönhoff ist eine Botschafterin aus einer längst vergangenen Epoche. A 2. Dezember 1909 wurde sie auf dem Schloß Friedrichstein 30 Kilometer südlich vo Königsberg geboren. Sie wuchs auf in einer Welt der Wälder und der Güter. Auch heut noch bezeichnet sie sich selbst als Ostpreußin und verbindet damit überwiegend gut Eigenschaften. Im Januar 1945 floh sie von Friedrichstein aus vor der heranrückende Front nach Westen. Es war für sie eine lange, bittere, bis heute prägende Flucht.

Die Gräfin, die als unjournalistische Volkswirtin 1946 eher zufällig zu "Zeit" kam, machte in Hamburg rasch Karriere und gehörte schon bald zu de Tonangebern des deutschen Nachkriegsjournalismus. Von Anfang an war dabei da deutsch-polnische Verhältnis eines ihrer wichtigsten Themen. Allerdings nicht so, wie si und ihre Freunde das heute darstellen. Die Gräfin, die später eine entscheidend Fürsprecherin der Brandtschen Ostpolitik wurde, dachte anfangs wie viele ihre Schicksalsgefährten und war durchaus nicht zum Verzicht bereit. Als beispielsweise 195 Ost-Berlin die Oder-Neiße-Grenze im Görlitzer Vertrag anerkannte, schrieb die Politik-Chefin damals voller Verachtung für die Genossen: "Die Geschichte wird eine Tages über sie und den Fetzen Papier, den Ulbricht aus Warschau mitbrachte, hinweggehen so wie sie über Adolf Hitler und sein tausendjähriges Reich hinweggegangen ist."

In ihrem 1962 erschienen Buch "Namen die keiner mehr nennt" würdigte sie de deutschen Osten und beschrieb die Greuel von Nemmersdorf und die Vertreibung. Aber auc hier denkt sie heute etwas anders. Dieses Jahr erntete sie scharfen Protest bei ihre Landsleuten, als sie auf die Frage nach der Vergleichbarkeit vom Vertreibungselend in Kosovo und dem Exodus der Ostdeutschen 1945 antwortete: "Nein, das war ganz anders Wir wurden aus politischen Gründen vertrieben, nicht aus ethnischen. Wir wurden nich systematisch verfolgt und beschossen."

Auch bei der Bewertung des Wiedervereinigungsgebotes vollzog sie einen erstaunliche Kurswechsel. Anfangs bekämpfte sie Adenauers Westbindung, da sie seine Politik als Absag an die Wiedervereinigung verstand. Doch mit der Entspannungspolitik änderte sich auch zu diesen Themen ihre Position; sie erteilte der Einheit mehrfach deutliche Absagen Unvergessen ist hier auch die Rolle der "Zeit" im Wende-Jahr 1989/90. Währen die "Bild"-Zeitung mit schwarz-rot-goldener Umrandung erschien und den Mauerfal bejubelte, während "Spiegel"-Chef Rudolf Augstein sich für die staatlich Einheit aussprach und Einheits-Gegner Erich Böhme feuerte, schien man bei de "Zeit" über die Wende nicht sonderlich begeistert zu sein. Als nach de Mauerfall und Kohls Auftritt in Leipzig die Deutschen Anfang 1990 die Frage zu beantworte hatten, ob sie jetzt die Gunst der Stunde für die Wiedervereinigung nutzen wollten, d war es Marion Gräfin Dönhoff, die am 12. Januar 1990 in einem Leitartikel nachdrücklic Stimmung gegen die Wiedervereinigung machte. Wenn nach einer Öffnung der EU nach Oste und dem Zusammenwachsen Europas "die Nationalstaaten nicht mehr die Rolle spielen die ihnen bisher zukam, dann ist auch die Wiedervereinigung der Deutschen nicht mehr s wichtig", so die Gräfin. Weiter hieß es: "Wenn Ost- und Westeuropa enge aneinanderrücken und in der DDR Pluralismus und Freiheit herrschen, wenn keine trennende Grenzen mehr existieren, dann ist es ziemlich gleichgültig, ob es zwei deutsche Staate unter dem gemeinsamen Dach Europas gibt oder einen." Die "Zeit" hat in einem Magazin zum 90. Geburtstag der Gräfin "ihre besten Artikel" zusammengefaßt, aber der Leser findet dort weder ihren Kommentar zum Görlitzer Vertra noch ihren Leitartikel vom Januar 1990.

Da nun auch Marion Gräfin Dönhoff die neuen Freiheiten in Europa nach der Wend nutzen kann, luden die "Zeit", die Holtzbrinck-Verlagsgruppe und die Frankfurte Universität Viadrina zu einem Festakt unter dem Titel "Namen, die man wiede nennt" an die Oder ein. In seinem einleitenden und mit viel Beifall bedachten Vortra warb der Historiker Karl Schlögel für eine neue Entdeckung des deutschen und de europäischen Osten. "Es gibt eine Geschichte des deutschen Ostens, die älter un reicher ist als die Nazi-Erfahrung, die alles verschlungen hat. Es gibt eine Geschichte die nicht identisch ist mit der Geschichte der Verfeindung, sondern eine große Geschicht des Gelingens, die uns beim Bau des neuen Europas eine Quelle der Inspiration sei kann."

Seine zweifelhafte Grundthese: Die Ansprüche sind erloschen, niemand denkt a Grenzrevision, nur deshalb sei der Blick freigeworden, nur deshalb könne man sich wiede ungezwungen mit dem Thema "Deutscher Osten" beschäftigen. "Wir erinner uns ja an all die subtilen semantischen Spielchen, an denen man heraushörte, wes Geiste Kind einer war. Ob man Breslau oder Wroclaw sagte, Danzig oder Gdansk, Königsberg ode Kaliningrad – das war lange Zeit eine Frage der Weltanschauung und des politische Standpunkts. Nun besagt es gar nichts mehr und ist eher ein Indiz für Bequemlichkeit un entspannten Umgang."

Dabei hätte die Sozialforscherin Elisabeth Noelle-Neumann ("Di Schweigespirale") ihre helle Freude an Schlögels Vortrag gehabt. Denn als de Universitätsprofessor sagte: "Wir sind über die Karte von 1937, die noch in unsere Klassenzimmern hing, längst hinweg. Es will niemand mehr zurück. Es will niemand die verloren Gebiete wieder haben", verschwieg er damit nicht nur die entsprechende Urteile des deutschen  Bundesverfassungsgerichts, sondern auch die Willensbekundungen der deutschen Heimatvertriebenen. Der Bund der Vertriebenen ha mehrfach die Verzichtspolitik und auch den konkreten deutsch-polnische "Grenzbestätigungsvertrag" von 1991 abgelehnt. Aber nach Schlögels Meinun gibt es diese Millionen Menschen und diesen Bund der Vertriebenen offenbar nicht. Die Gräfin Dönhoff ist zwar auch eine deutsche Heimatvertriebene, aber ihre Stimme kan nicht mehr Gewicht haben als demokratisch gefaßte Beschlüsse des BdV. Eine "Zögerer" aber nannte Schlögel schließlich doch noch: Helmut Kohl. "E gab bei der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie einen Moment der Irritation, das ist wahr jenes rätselhafte, unerklärliche Zögern Helmut Kohls im Augenblick des größte Glücks 1990, der auch der Moment größten Mißlingens hätte werden können. Nun sin die Schlachten geschlagen." Nachdem die Deutschen offiziell und auch innerlich vo sich selbst auf ihre Heimat verzichtet hätten, könnten "wir die Gräber unsere Toten besuchen, ohne Verdacht auf uns zu ziehen. Unsere Trauer erregt keine Befürchtunge mehr."

Es war kein Deutscher, sondern der Pole Adam Krzeminski, der hier widersprach. Die meisten Polen hätten jetzt und auch schon früher kaum Schwierigkeiten mit den deutsche Vertriebenen gehabt. Denn diese Deutschen waren es, die als erste in die Städte, Dörfe und kleinen Siedlungen gekommen seien. Die deutschen Heimatvertriebenen seien es gewesen die sich vor Ort engagierten, die Geld gaben für die Renovierung der Kirchen, die eine Schüleraustausch organisierten. Es gehe nicht um das Reden, sondern um das Handeln, s Adam Krzeminski. Viele Deutsche würden zwar für ein gutes deutsch-polnisches Verhältni plädieren, aber in die Gebiete östlich der Oder führen letztendlich hauptsächlich die Heimatkreisgruppen, deren Arbeit er noch einmal ausdrücklich lobte.

Dies war übrigens bei der Geburstagsfeier auch nicht anders: Nachdem Marion Gräfi Dönhoff, Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Hans-Jochen Vogel ihr Hohelied de Versöhnung gesungen hatten, waren sie durchaus nicht bereit, nach dem Abendessen in eine polnischen Hotel zu übernachten, sondern fuhren noch mitten in der Nacht über Frankfur (Oder) nach Berlin zurück.

Auf das Problem der Wechselbeziehung von Geschichte und Gegenwart ging auch Janus Reiter, von 1990 bis 1995 erster Botschafter des postkommunistischen Polens in Deutschland, in seiner Laudatio auf die Jubilarin ein. Er sei als junger polnische Redakteur von der Zeit-Chefredakteurin in den siebziger Jahren nach Hamburg eingelade worden, und obwohl er sie nun so viele Jahre kenne, sei er bei der Aufstellung de neugefertigten Kant-Denkmals in Königsberg Anfang der neunziger Jahre verunsicher gewesen. Er sprach aus, was viele Polen dachten: Was wird mit Königsberg, warum stelle die Deutschen das Kant-Denkmal wieder auf? Marion Gräfin Dönhoff habe ihn damals noch in Königsberg beruhigt, daß die Deutschen in Königsberg "nichts" vorhätten. Si wollten lieben, ohne zu besitzen, lobte Janusz Reiter. "Was aber tun wir mit jene Deutschen, die besitzen wollen?" fragte Reiter. Diesen bzw. allen deutsche Vertriebenen werde Polen eine Rückkehr in die Heimat nicht gestatten. "Ich denke daß wir uns hier einig sind, daß es eine solche Rückkehr nicht geben darf", so de ehemalige Botschafter
 
     
     
 
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