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Der 8. Mai ist vorüber, seine Bewertung als "Tag der Befreiung" scheint sich durchgesetzt zu haben. Oder hat der 60. Jahrestag des Kriegsendes insgeheim einen geschichtspolitischen Gezeitenwechsel markiert, und sei es nur deshalb, weil die beängstigende Einmütigkeit in Artikeln, Publikationen, Reden und Verlautbarungen die Neugierde auf Verschwiegenes und Verdrängtes anschwellen läßt? Auf wieviel Nichtwissen der aktuelle Meinungskonsens beruht, davon vermittelt das von Karlheinz Weißmann herausgegebene Buch "Die Besiegten" eine Ahnung.
Weißmann stellt in der Einleitung den Bedeutungswandel des 8. Mai in der öffentlichen Wahrnehmung von 1945 bis heute dar. Die breite Akzeptanz des Befreiungspostulats resultiert aus dem Wunsch, sich politisch der Position der Sieger anzuschließen, was zugleich eine psychologische Entlastung bedeutet.
Das Buch behandelt die Zeitspanne von den letzten Kriegswochen 1945 bis zu den ersten Monaten der Besatzung. In den Kapiteln "Endkampf", "Besetzung", "Kriegsgefangene", "Internierung", "Vertreibung", "Verschleppung", "Interregnum" und "Siegermacht" wird das ganze Spektrum der Unterwerfung erfaßt. Jedem dieser Abschnitte ist eine Einleitung vorangestellt, die auch einen Überblick über die historische Forschung gibt. Danach folgen die Zeitzeugenberichte: Tagebücher, Briefe, eidesstattliche Erklärungen und nachträgliche Aufzeichnungen. Themenbeispiele sind die Zerstörung Demmins durch die Rote Armee nach der Einnahme der Stadt, die schweren Folterungen deutscher Kriegsgefangener durch die Amerikaner im Zuge des Malmédy-Prozesses sowie die Greuel in den deutschen Ostgebieten. Bei der Auswahl ging es nicht um die Kumulation des Grauens, sondern um die exemplarische Bedeutung.
Für die offiziöse deutsche Geschichtsschreibung existieren diese Ereignisse kaum. Wie weit sie sich damit vom wissenschaftlichen Ethos und objektiven Kategorien entfernt hat, deutet der amerikanische Historiker Alfred M. de Zayas in seinem Vorwort an. Die im Februar 1945 in Jalta von Roosevelt, Churchill und Stalin getroffene Entscheidung zur "Verwendung deutscher Arbeitskräfte", auf deren Grundlage hunderttausende deutsche Zivilisten und Millionen Soldaten als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, nennt er die Wiedereinführung der "Sklaverei". Den deutschen Historikern wirft er vor, bisher keine seriösen Statistiken erstellt, Zeitzeugen nicht befragt und keine kommentierte Ausgabe der Nürnberger Akten vorgelegt zu haben. Neben dem dokumentarischen Wert dieses Buches liegt ein weiteres Verdienst darin, auf solchen Lücke hinzuweisen und für ihre Schließung - soweit sie noch möglich ist - einen Anfang gesetzt zu haben. T. Hinz
Karlheinz Weißmann: "Die Besiegten - Die Deutschen in der Stunde des Zusammenbruchs 1945", Schnellroda, Edition Antaios 2005, 321 Seiten, 25 Euro |
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