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Nicht nur für den wacheren Zeitgenossen wird immer offensichtlicher, daß unsere Epoche, unser Jahrhundert, voller Lügen, Halbwahrheiten und Verdrehungen steckt. Dabei ist offensichtlich, daß sich der Kern der immer gehäufter ausgesprochenen Unwahrheiten mit seiner Stoßrichtung gegen Mitteleuropa richtet. Während in früheren Zeitabschnitten die Frage nach dem Nutzen stets folgerichtig mit dem Hinweis auf die Interessenlage der Nichtmitteleuropäer abgetan werden konnte, vergrößert sich inzwischen die Zahl derer, die gleichsam von "innen" heraus geschichtliche Tatsachen in ein eigens errichtetes Prokrustesbett zwängen wollen, nur weil es der eigenen Unwissenheit oder Denkfaulheit eher entspricht, sieht man von dem allmählich schmaler werdenden Häuflein "ideeller" Vergangenheitsbewältiger ab.
Dieser Tage stiftete nun die niedersächsische Landesregierung ein neues Exempel für den famosen Palmströmspruch, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf: Die Landeszentrale für politische Bildung hatte angesichts der gegenwärtig noch in Hannover gezeigten und umstrittenen Reemtsma-Wehrmachtsausstellung eine aufklärende Broschüre erstellt, um ein historisch-kritisches Gegengewicht aufzubieten, was nun auf Geheiß der niedersächsischen Kultusministerin Jürgens-Pieper dem verantwortlichen Leitenden Regierungsdirektor Wolfgang Scheel zum Verhängnis wurde. Der Beamte wurde von seinen Aufgaben vorerst "entbunden". Sein Vergehen, in der knapp zwanzig Seiten starken Broschüre wurde darauf verwiesen, daß Angehörige von Stalins Roter Armee von Anfang an Verbrechen an deutschen Soldaten und gegen die Haager Landkriegsordnung begangen hätten.
Zur Erklärung wurde dabei an einem Beispiel von deutschen Kriegsgefangenen ausgeführt, daß diese, wie es heißt, "in einer selbst für russische Verhältnisse besonders bestialischen Art" ermordet worden seien. Für einen ehrenamtlichen Mitarbeiter der Landeszentrale und früheren Richter am Oberlandesgericht war dies Anlaß genug, die Intention der Broschüre als "rassenideologische Aussagen" zu werten, "die im Grunde der nationalsozialistischen Logik entsprechen". Womit dem armen Regierungsdirektor naturgemäß die Beine mit der Faschismuskeule weggeschlagen wurden, ohne daß dieser noch Hinweise auf die Tatsächlichkeit des Geschehens nachliefern konnte. Nun muß man in einer Vertriebenenzeitung keine erklärenden Hinweise auf die blutigen Wirkungen von Stalins oder Ehrenburgs mörderischen Befehlen liefern, wohl aber auf die Tatsache aufmerksam machen, daß seit 1945 längst mehr Tote als im gesamten Zweiten Weltkrieg zu beklagen sind, darunter laut UNICEF 6o Millionen Kinder, die bei Unruhen, Bürgerkriegen und offenen Schlachten zu Tode gekommen sind, ohne daß Nationalsozialismus oder deutscher Chauvinismus etwas mit diesen Morden zu tun hatten. Es geht jenen Kräften auch zumeist nicht um das Erfassen der Wirklichkeit dieser Welt, sondern um das Stillen des Selbsthasses oder darum eine Funktion in jenem Kraftfeld auszuüben, das auf die Mitte des Kontinents abzielt. Besonders schwerwiegend war übrigens dabei die schlichte Tatsache, daß die Verfasser jener Broschüre Passagen aus Professor Franz W. Seidlers Buch "Verbrechen an der Wehrmacht / Kriegsgreuel der Roten Armee" zitierten.
Als Begründung führte der vormalige Richter das schwerwiegende Argumente an, daß das Buch von diversen Versanddiensten angeboten würde, die auch rechtsradikale Kreise bedienten. Kein Hinweis darauf, daß der Deutsche Bundestag die historische Authentizität der Wehrmachtsausstellung insofern verworfen hat, als er die Reemtsma-Show in den eigenen Räumen ausdrücklich ablehnte, und endlich der fehlende Hinweis darauf, daß die historische Wissenschaft längst über Kriegsursachenforschung, Opferzahlen und Kampfführung im Sinne der Haager Landkriegsordnung andere Berichte zu liefern weiß, als sie in den ersten Nachkriegsjahren von den Siegern mit leichter Hand und unschwer erkennbaren Absichten verfaßt worden sind.
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